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3 Putins Operation Machterhalt

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Moskau, 15. Januar 2020. In der Ausstellungshalle der Manege, einer ehemaligen Offiziersreitschule aus Zarenzeiten gleich neben dem Kreml, hat sich die politische Elite des Landes versammelt. Gut 1300 Repräsentanten aus Parlament, Regierung, Justiz und Kirche erwarten die jährliche Poslanije, die Botschaft, die der Präsident dazu benutzen wird, das wichtigste politische Projekt seit seinem Amtsantritt vorzustellen. Die Kulisse unterstreicht den präsidialen Auftritt. Vorn am weißen Rednerpult glänzt das Staatswappen, der goldene russische Doppeladler. Im Hintergrund sind die Fahnen des Landes aufgereiht. Über eine Stunde lang wird das Staatsoberhaupt reden und seinen Plan für die künftige politische Ordnung des Landes vorstellen.

Wladimir Putin beginnt mit einer einfachen Feststellung. »Unsere Gesellschaft will definitiv eine Veränderung«, verkündet er, »die Leute wollen nicht mehr auf Veränderungen warten.« Die Sprache ist kühl, und anders als im Jahr zuvor hält er sich mit massiver Kritik zurück. Damals war ihm der Ärger über die stockende Umsetzung der milliardenschweren nationalen Programme deutlich anzumerken, als er die mangelnde Effizienz der Regierung kritisierte, die Projekte umzusetzen. Er höre ständig, das sei alles zu anspruchsvoll, das werde nicht funktionieren, rüffelte er vor laufender Kamera das Kabinett und riet: »Leute mit solchen Ansichten« sollten sich besser aus der Politik heraushalten.

Jetzt, ein Jahr später, hat er nach langem Hin und Her eine weitreichende Entscheidung getroffen. »Die Umsetzung erfordert eine neue Qualität der Regierung auf allen Ebenen«, stellt er fest und beklagt den mangelnden Kontakt der Regierung zur Realität. Die Menschen wüssten oft »besser als die Regierung«, was geändert werden müsse. Er nennt keine Namen, aber jeder weiß, wer gemeint ist. Dmitri Anatoljewitsch Medwedew sitzt mit versteinerter Miene in der ersten Reihe. Der Premierminister sieht nicht so aus, als wäre er vor der Rede über seine Entlassung informiert worden.

Dann beklagt der Präsident die fallende Geburtenrate des Landes, die Russlands Zukunft gefährde. Ärmere Familien sollen deswegen künftig länger Unterstützung für ihre Kinder erhalten, statt bisher drei sieben Jahre lang, und für Eltern mit vielen Kindern verspricht er zusätzliche Leistungen. Er fordert die Regierung auf, den »föderalen Haushalt zu korrigieren«, um weitere Milliarden freizumachen für bessere medizinische Versorgung. Konkret schlägt er vor, die Verfassung zu ändern und sozialpolitische Mindeststandards festzuschreiben: das Recht auf eine menschenwürdige Rente und einen gesetzlich garantierten Mindestlohn.

Es vergeht fast eine Stunde, ohne dass Putin auf die eine von allen mit Spannung erwartete Frage eingeht: Was wird in vier Jahren geschehen? Laut Verfassung läuft die Amtszeit des Präsidenten 2024 aus und kann nicht mehr verlängert werden. Was wird also aus Wladimir Wladimirowitsch? Und wer wird sein Nachfolger?

Statt über seine Zukunft zu reden, stellt Putin vielmehr »eine Reihe von Verfassungsänderungen zur Diskussion«, die er »wichtig für die weitere Entwicklung Russlands« halte. Dann präsentiert er dem Publikum einen ausgetüftelten politischen Schlachtplan mit ausgeprägtem Understatement.

Putins Macht

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