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6 Eine neue Schlacht in einem alten Krieg

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Der neue Krieg um Nord Stream 2, der seit dem Beginn des Projektes 2012 tobt, mag zwar für Bundeskanzlerin Angela Merkel neu sein, ist aber nur die Wiederauflage einer alten Auseinandersetzung, bei der die USA seit dem Kalten Krieg nach der Devise verfahren: Warum aus der Geschichte lernen, wenn die sich ständig wiederholt?

Einen Steinwurf vom Weißen Haus entfernt, in der 17. Straße, in Nummer 900, dem Sitz der Firma McLarty Associates, beobachtet Richard Burt den Aufstieg des einstigen Kollegen Grenell mit Interesse. Burt, Jahrgang 1947 und noch rüstig, ist einer der Partner der internationalen Lobbyagentur, die mit ihrer weltweiten Klientel in der amerikanischen Hauptstadt gut im Geschäft ist. Die Firma steht für die gängige Geschäftsidee, gewachsene Verbindungen im politischen Gewerbe zu Geld zu machen. Thomas F. McLarty, der das Unternehmen gründete, ist ein Jugendfreund des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton aus Arkansas und war dessen Stabschef im Weißen Haus. Er stieg bald aus der Politik aus und wurde dank seiner guten Beziehungen mit der Beraterfirma schnell erfolgreich. Auch der einstige US-Außenminister Henry Kissinger war hier Partner. Ob jemand Demokrat oder Republikaner ist, hat in der Firma nie eine besondere Rolle gespielt. Wichtig ist die Verbindung zu den entsprechenden politischen Kreisen, der direkte Zugang zur Macht. Es geht um diskrete Gesprächskanäle, um die Platzierung von Argumenten, den Einsatz sogenannter »Soft Power« durch Denkfabriken und Stiftungen, kurz um die Möglichkeiten, eigene Interessen »sanft« durchzusetzen. Viele der Mitarbeiter von McLarty Associates kommen aus der Politik und kennen sich auf den Fluren der Macht aus. Richard Burt ist Republikaner und orientiert sich seit langem an der alten Erkenntnis, dass der wirkliche Reichtum des Menschen der Reichtum seiner wirklichen Beziehungen ist.

US-Präsident Ronald Reagan hatte den jungen Journalisten der New York Times Anfang der achtziger Jahre als Direktor des Büros für Militärpolitik ins Außenministerium geholt. Burt macht schnell Karriere. Zunächst als Assistant Secretary of State und Leiter der Europa-Abteilung, wo er direkt verantwortlich für die amerikanische Deutschland-Politik war, und dann als US-Botschafter in Deutschland. Reagans Nachfolger George Bush senior ernannte den eloquenten Diplomaten 1989 zum Chefunterhändler für die START-Verhandlungen mit der Sowjetunion, die zu dem historischen Abrüstungsabkommen führten, das der US-Präsident und Michail Gorbatschow am 31. Juli 1991 in Moskau unterzeichneten. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte unterschrieben beide Supermächte einen Vertrag, der die Zahl der atomaren Langstreckenraketen um 30 Prozent reduzierte.

Seither hat Richard Burt die Seiten gewechselt und verdient sein Geld als Lobbyist. Er sitzt im Atlantic Council, der einflussreichen amerikanischen Denkfabrik mit dem Anspruch, »Frieden und Wohlstand unter der globalen Führung Amerikas« weltweit zu verbreiten. Burt arbeitete außerdem für Unternehmensberater McKenzie, für die Deutsche Bank und auch das größte private Bankunternehmen in Russland, die Alfa-Bank in Moskau. Seit 2016 ist Richard Burt in Washington auch in Sachen Nord Stream 2 aktiv.

Doch Richard Burt, dem Zweifel an eigenen Fähigkeiten eher fremd sind, ist an seine Grenzen gekommen. Er steht unter verschärfter politischer Beobachtung von Demokraten und Republikanern im Kongress – und dem amerikanischen Geheimdienst. »Leider hat dieses Projekt in Washington nicht einen einzigen Verbündeten«, beschreibt er die Lage. »Man könnte auch sagen, es ist ein Waisenkind.« Beim erbitterten Machtkampf, der zwischen Demokraten und Republikanern tobt und der das Land seit Trumps Wahlsieg 2016 gespalten hat, ist Burt unter die Räder gekommen. Der Lobbyist musste vor dem FBI und vor einem eigens eingesetzten Sonderermittler aussagen, welche Russen er kennt und welche Rolle er in diesem Zusammenhang gespielt hat. Trotz aller unterschiedlichen Argumente, die ins Feld geführt werden, haben Republikaner und Demokraten einen gemeinsamen Gegner aus alten Tagen ausgemacht: »das Reich des Bösen«, wie Ronald Reagan die Sowjetunion einst genannt hat. Schuld an der gegenwärtigen Misere sind konsequenterweise jetzt die Erben jenes Reiches: Russland und Wladimir Putin.

Putins Macht

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