Читать книгу Putins Macht - Hubert Seipel - Страница 17

Botschafter oder Statthalter?

Оглавление

Der Mann, der am Nachmittag des 8. Mai 2018 seinen Antrittsbesuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier absolviert, soll dafür sorgen, dass die Deutschen die Vorstellungen der USA schneller umsetzen. Die Stimmung im Schloss Bellevue ist trotz der Spannungen zwischen Berlin und Washington gelockert. Richard Allen Grenell ist neuer US-Botschafter in Berlin, und er hat zur Feier des Tages auch seinen Lebenspartner Matt Lashey mitgebracht. Frank-Walter Steinmeier nimmt sich Zeit und zieht sich mit dem neuen Mann zum Kennenlernen für eine halbe Stunde zurück. Der Bundespräsident wird Grenells Potenzial noch am selben Tag ein weiteres Mal erleben.

Grenell ist Trumps Mann fürs Grobe. Meinungsschwäche gehört nicht zu seinen dominanten Charaktereigenschaften. Schon wenige Stunden nach dem Empfang demonstriert der neue Botschafter, wie er den neuen Job versteht – als eine Art Generalgouverneur in der einstigen deutschen Besatzungszone. Den Anlass liefert ein US-Präsident Trump, der im fernen Washington am selben Tag offiziell und ohne Rücksprache aus dem Iran-Abkommen aussteigt und Sanktionen gegen Teheran verhängt. Steinmeier war als einstiger Außenminister am zähen Zustandekommen des Vertrags beteiligt gewesen.

Das Atomabkommen ist eine Vereinbarung zwischen dem Iran und den fünf Mächten des UN-Sicherheitsrats USA, Großbritannien, China, Russland und Frankreich sowie Deutschland und der EU. Der gefeierte »Joint Comprehensive Plan of Action« (JCPOA) wurde nach jahrelangen Verhandlungen im Juli 2015 in Wien beschlossen und dann als Resolution vom UN-Sicherheitsrat verabschiedet. Es verpflichtet die Islamische Republik, auf Atomwaffen zu verzichten. Im Gegenzug lockert der Westen die Sanktionen gegen das Land. Trump war von Anfang an gegen das Abkommen, das sein Vorgänger Barack Obama abgeschlossen hatte. Schon in seiner ersten Rede vor der UN-Generalversammlung im September 2017 kritisierte er das Ergebnis als »Peinlichkeit« und schlechtes Geschäft für die USA.

Der Iran verstoße gegen den »Geist« des Deals. Teherans Versprechen, nicht weiter an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten, sei eine »Lüge«, so Trump. Der Iran habe auch nach dem internationalen Abkommen weiter an der Entwicklung ballistischer Raketen gearbeitet, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden könnten. Beweise legte der US-Präsident nicht vor. Dafür verhängte Washington ab sofort wieder weitreichende Sanktionen gegen Teheran. Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO, die das Abkommen regelmäßig überprüft, konnte keinen Verstoß feststellen.

Was das für die deutsche Wirtschaft bedeute, erklärt Trumps neuer Statthalter in der Bundeshauptstadt nur wenige Minuten später per Twitter. Deutsche Unternehmen sollten ihre Aktivitäten im Iran sofort einstellen, da auch sie von einem Boykott nicht ausgeschlossen seien. »Wie @realDonaldTrump sagt: US-Sanktionen werden kritische Sektoren der iranischen Wirtschaft treffen. Deutsche Firmen, die Geschäfte im Iran machen, sollten sich sofort zurückziehen.«

Eine Äußerung, die selbst einen Transatlantiker wie den ehemaligen deutschen Botschafter Wolfgang Ischinger zu einer direkten Antwort veranlasst: »Ric, mein Ratschlag … Erzähle deinem Gastland niemals, was es zu machen hat, wenn du keinen Ärger willst.«

Doch Richard Grenells Drohung hat Wirkung gezeigt. Zwischen Deutschland und dem Iran gibt es so gut wie keinen Handel mehr. Auch andere europäische Unternehmen haben sich zurückgezogen. Sie wollen ihre Geschäfte auf dem amerikanischen Markt nicht gefährden.

Bundesaußenminister Heiko Maas, dem der Spiegel »ein Übersoll an Freundlichkeit« der US-Politik gegenüber attestiert, verzichtete darauf, den Diplomaten einzubestellen, um ihm Grenzen aufzuzeigen. Grenells Operationen verstoßen massiv gegen die Regeln der internationalen Diplomatie, sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Landes einzumischen. Der neue US-Botschafter wird den ruppigen Stil zu seinem Markenzeichen machen. Grenell vergibt unermüdlich Haltungsnoten für die Bundesregierung und greift mit Drohungen ins politische Alltagsgeschäft ein. Auch direkt bei deutschen Firmen, die an Nord Stream 2 beteiligt sind.

In einem Schreiben, das Richard Grenell zur Jahreswende 2019 verschickte, droht der US-Botschafter den Unternehmen BASF und Uniper, die beide an dem Projekt beteiligt sind, mit konkreten Konsequenzen. »Firmen, die Exportpipelines für russische Energie betreiben«, unterliegen »einem erheblichen Sanktionsrisiko«, heißt es in seinem Schreiben. »Im Namen meiner Regierung ersuche ich Ihr Unternehmen daher, sich der Gefahr bewusst zu sein.« Grenell will in Europa prinzipiell eine andere politische Richtung durchsetzen, erklärte er gegenüber der rechten Nachrichtenwebsite Breitbart News: »Ich möchte unbedingt andere Konservative in Europa stärken. Andere Führer.«

Die Reaktion der Politiker auf dem Berliner Parkett zu Grenells Ausfällen beschreibt der Tagesspiegel: Der Botschafter gilt als »Totalausfall«, Umgang mit ihm zu pflegen, sei »toxisch«. Er sei ein »rechtsextremer Kolonialoffizier«, kurz: »ein kleiner Trump«, der meint, »nach Gutsherrenart bestimmen zu können«. Geschadet hat es Richard Grenell zu Hause nicht. Der US-Präsident ist mit dem Einsatz des Topdiplomaten zufrieden. Der neue Mann habe die USA »außergewöhnlich gut repräsentiert«, twitterte Trump und beförderte den Botschafter im Februar 2020 zum Geheimdienstkoordinator im Weißen Haus. Als Direktor der Nachrichtendienste (DNI) hat Grenell die Aufgabe, die verschiedenen Geheimdienste der USA zu koordinieren. Den Job des Botschafters in Deutschland erledigt er bis auf weiteres nebenbei. Einige Monate später nominiert Donald Trump einen ehemaligen Offizier für den Posten in Berlin. Der designierte Ex-Oberst und dekorierte Kriegsveteran Douglas Macgregor weiß schon von Berufs wegen, was es mit Befehl und Gehorsam auf sich hat.[50]

Putins Macht

Подняться наверх