Читать книгу Roses of Love: Band 1 bis 4 der romantischen Young Adult Serie im Sammelband! - Ilka Hauck - Страница 38
33 SUMMER
ОглавлениеIch sitze im Café und nehme einen Schluck von meinem Latte macchiato. Er schmeckt süß und cremig. Dabei muss ich an Dannys Küsse denken. Die waren eindeutig noch viel besser. Ich kann es nicht ändern, bei der Erinnerung an ihn gleitet ein glückliches Lächeln über mein Gesicht. Es war wunderschön mit ihm. Nie hätte ich geglaubt, so fühlen zu können. Ich drehe das Glas in meinen Händen und mein Lächeln verschwindet. Ich weiß, es war blöd von mir, einfach abzuhauen, aber ich konnte nicht anders. Ich wollte nicht weg, aber ich hatte solche Angst, bei ihm zu bleiben. Es hat sich so gut angefühlt dort in seinen Armen, und gleichzeitig ist mir plötzlich alles über den Kopf gewachsen. Ich weiß, wie verrückt das klingt, aber es war so. Also habe ich mich leise wie ein Dieb angezogen und bin gegangen.
Ich seufze. Danny war offenbar nicht erfreut darüber, denn bei seinem Anruf hat er echt angepisst geklungen. Ich bin so dämlich. Ich senke meinen Blick auf mein Buch und versuche, mich auf den Text zu konzentrieren - was mir nicht gelingen will.
Ich sehe hoch und halte den Atem an, als ich Danny erkenne, der mit einem Lächeln im Gesicht auf meinen Tisch zukommt. Mein Herz beginnt zu hämmern, und schlagartig wird mir klar, wie sehr er mir gefehlt hat.
Ich forsche in seinem Gesicht. Es ist das erste Mal seit unserer Nacht, dass wir uns begegnen. Nach seinem Anruf habe ich nichts mehr von ihm gehört, was mich nicht verwundert nach meinem bescheuerten Abgang. Plötzlich habe ich Angst. Angst, dass er mich verletzt. Dass er etwas sagt, was das, was zwischen uns war, in den Schmutz oder ins Lächerliche zieht. Angst, dass aus Danny wieder Moreno wird. Wobei, wenn ich ehrlich bin, weiß ich, dass diese Angst unbegründet ist. Er hat mich noch nie verletzt. Noch nie. Er reizt mich, fordert mich heraus bis zum Erbrechen. Aber er tut mir nie weh.
Er kommt näher. Sein Gang, geschmeidig, sexy. Ich sehe, wie ihm Blicke folgen. Es ist immer das Gleiche. Danny taucht auf und steht im Mittelpunkt. Jetzt erreicht er meinen Tisch und bleibt stehen.
„Hey, Sommerröschen.“
Er grinst und ich verdrehe leicht die Augen.
„Moreno. Auch schon wach?“
Er ist bekannt dafür, dass er gerne mal eine Vorlesung sausen lässt. Aber selbst die Professoren kommen gegen den Moreno-Charme nicht an und nehmen es hin. Er kann es sich leisten, er ist trotzdem einer der Besten.
„Danny“, sagt er leise mit einem schelmischen Lächeln. Er fläzt sich auf den freien Stuhl neben mir und mustert mich forschend. Ich habe das ungute Gefühl, dass er schon wieder meine Gedanken lesen kann. Hat der Kerl einen Röntgenblick?
„Was?“
Ich sehe ihn herausfordernd an und er grinst.
„Du hattest Angst, ich könnte dich verarschen und irgendwas Blödes sagen, stimmt´s?“
Bingo. In seiner unnachahmlich charmanten Art knallt er mir die Wahrheit mal wieder vor den Latz. Ich schaue ihn biestig an.
„Meinst du? Nimm dich nicht so wichtig, ich denke nicht den ganzen Tag lang nur an dich.“
Er grinst wieder und seine Schokoladenaugen blitzen amüsiert.
„Nein? Schade, aber okay, der halbe Tag reicht mir auch.“
Er lehnt sich zu mir, seine Stimme ist weich wie Samt und sündig wie perlender Champagner.
„Ich habe gestern den ganzen Tag an dich gedacht. Und die ganze Nacht. Und Fuck, mir war tierisch heiß dabei.“
Er zwinkert mir zu und ich werde rot. Ich würde ihm gerne die passende Antwort geben, doch mein Hirn ist wie leer gefegt. Stattdessen spüre ich wieder seine Hände auf meiner Haut. Seine Küsse. Spüre ihn tief in mir.
„Echt? Hm.“
Ich senke den Blick und er lacht leise. Es klingt schön. Seine Hand legt sich auf meine und drückt meine Finger. Ich sehe ihn wieder an, sein Blick ist warm.
„Ich fand´s übrigens sehr schade, dass du schon abgehauen warst, als ich wach wurde.“
Ich rutsche verlegen auf meinem Stuhl herum.
„Ehrlich? Hättest du mir sonst einen Kaffee gekocht und Frühstück ans Bett gebracht?“, versuche ich, mich in Spott zu retten.
„Das hätte ich tatsächlich gerne gemacht“, sagt er schlicht und nimmt mir damit mal wieder den Wind aus den Segeln.
Er erhebt sich lässig und sagt im Aufstehen: „Ein wenig mehr Vertrauen wäre wirklich ziemlich hilfreich für mein Projekt.“
Ich runzele die Stirn.
„Was für ein Projekt?“
Er sieht auf mich herunter.
„Dir zu zeigen, wer ich bin. Wer ich wirklich bin. Sodass du mich irgendwann genauso siehst wie ich dich.“
Er lächelt und mir wird ganz zittrig zumute.
Er beugt sich zu mir und küsst mich auf die Stirn.
„Summer und Danny“, murmelt er und streicht mir mit dem Daumen leicht über die Wange.
„Ich ruf dich nachher an, muss was mit dir besprechen. Bis dann.“
Er dreht sich um, schlendert davon. Ich starre ihm nach, senke meinen Blick schließlich wieder auf mein Buch, lese allerdings keine einzige Zeile. Stattdessen grübele ich über Dannys Worte nach. Summer und Danny? Dass ich ihn genauso sehe wie er mich? Wie genau sieht er mich denn? Vor allem, was sieht er in mir? Verdammt, Moreno, lass diese Spielchen. Entnervt sehe ich hoch, meine Augen suchen nach ihm. Er steht an der Theke, kauft sich einen Kaffee. Als würde er meinen Blick spüren, dreht er sich um und schaut zu mir herüber. Er lächelt und mir wird warm ums Herz. Warum ist dieser Kerl bloß so unwiderstehlich?
Ich klappe seufzend mein Buch zu, raffe meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg in die nächste Vorlesung.
Später am Nachmittag auf dem Nachhauseweg treffe ich Jake.
„Wo warst du am Samstag? Ich dachte, ich sehe dich auf der Party.“
Er sieht mich fragend an.
„Ich war nicht lange dort. Kennst mich doch, ist nicht so mein Ding“, murmele ich ausweichend.
„War aber gut, ging echt ab.“
Er betrachtet mich grübelnd.
„Danny habe ich komischerweise auch nicht gesehen. Lexi meinte, er sei dabei gewesen, dann ist er plötzlich verschwunden und nicht mehr aufgetaucht.“
„Hm, echt? Keine Ahnung.“
Ich fühle mich nicht gut dabei, ihm nicht zu sagen, dass ich mit Danny zusammen war, andererseits, es würde ihn nur kränken. Und eigentlich ist es nicht seine Sache, auch wenn er mein bester Freund ist.
Ich merke, wie jemand an meiner anderen Seite auftaucht. Danny. Jakes Miene verdüstert sich.
Ich bleibe stehen und wende mich zu Danny um.
„Hey. Gut, dass ich dich erwische. Sara hat am Samstag Geburtstag, sie hat mich gebeten, dich zu ihrer Feier einzuladen.“
„Oh, sie hat Geburtstag? Sie wird siebzehn, stimmt´s?“
Danny nickt lächelnd.
„Ja. Was ist, kommst du mit? Sie wäre sonst ziemlich traurig, sie freut sich nämlich sehr auf dich.“
Seine Augen blitzen, während ein freches Grinsen seinen Mund umspielt. Ich puste mir eine Strähne aus der Stirn. Der Kerl weiß eindeutig zu gut, wie er mich kriegen kann. Bilder von unserer gemeinsamen Nacht tauchen vor mir auf und ich spüre ein Kribbeln im Bauch. Gott, wie sehr ich ihn wollte, und wenn ich ehrlich bin, immer noch will. Ja, er weiß eindeutig, wie er mich kriegt, das steht mal fest.
Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, Saras Geburtstag mit Danny zu verbringen, andererseits habe ich seine Schwester ins Herz geschlossen und möchte sie nicht enttäuschen.
„Okay, ich komme mit. Wann?“
Bilde ich es mir ein, oder blitzt es triumphierend in Dannys Augen auf, als er Jake ansieht?
„Ich hole dich gegen zwei Uhr ab. Meine Mutter kocht, denn das kann sie, außer Partys zu planen, ziemlich gut, auch wenn man es ihr nicht zutraut. Es gibt italienisches Essen, bring also ordentlich Hunger mit. Auf alles, was du haben willst, du weißt schon.“
Der Blick seiner dunklen Augen bohrt sich in meinen, und ich merke, wie meine Hände anfangen zu zittern. Diese Augen verheißen wirklich alles. Zärtlichkeit, Lust, Hingabe. Vertrauen. Denn ob ich will oder nicht, ja, mein Vertrauen zu ihm kehrt allmählich zurück.
Ich sehe unsicher zu Jake, der stumm dasteht und Danny missmutig anstarrt. Wenn Danny weiter solche Anspielungen macht, wird Jake eins und eins zusammenzählen können.
„Mhm, ja. Was könnte ich Sara denn schenken?“
Ich versuche verlegen Dannys Blick auszuweichen. Irgendwie habe ich das Gefühl, er zieht mich in Gedanken gerade aus, so wie er mich ansieht. Und zu meiner Schande muss ich gestehen, ich mag es. Weil ich ahne, das ist längst nicht alles, was er von mir will, auch wenn ich noch nicht dahintersteige, was genau es ist, was er in mir sieht.
„Nichts, es reicht, wenn du kommst.“
Die letzten Worte betont er und grinst dabei anzüglich. Ich werde immer nervöser. Lass das, Moreno. Jake guckt schon komisch.
„Na ja, ich werde mir was überlegen. Nur zu kommen reicht mir nicht.“
Nun muss ich es ihm doch zurückgeben und er lacht leise.
„Nein? Da wird uns beiden sicher was einfallen, ganz bestimmt.“
Er zwinkert mir zu und ich muss wider Willen grinsen. Frecher Kerl.
„Ganz bestimmt.“
Das Funkeln seiner Augen beschert mir Schmetterlingsstürme im Bauch, und als er sich zu mir beugt und ich seine Lippen auf meinen spüre, möchte ich meine Finger in seinen Haaren vergraben. Seine samtweiche Haut an meiner spüren. Ich vergesse, wo wir sind, vergesse Jake, sehe und spüre nur Danny.
„Beim nächsten Mal haust du nicht ab, sonst kette ich dich in Zukunft ans Bett, klar?“
Ich spüre sein Lächeln an meinem Mund, bevor er sich von mir löst. Beim nächsten Mal? Alleine die Vorstellung löst ein heftiges Kribbeln in meinem ganzen Körper aus.
„Bis dann, Sommerröschen. Ich komme morgen bei dir vorbei, du kriegst noch eine Eislieferung von mir. Bloomie.“
Ich starre Danny mit wild klopfendem Herzen nach, als er lässig davonschlendert. Zum Glück hat er vorhin so leise gesprochen, dass nur ich ihn verstanden habe, dennoch sehe ich jetzt unsicher zu Jake hoch. Dessen Miene ist regelrecht versteinert.
„Wow, habe ich was verpasst?“
Beißender Spott klingt in seinen Worten, doch ich weiß, er meint es nicht witzig.
„Nein“, sage ich knapp und laufe weiter.
„Nein? Sah mir aber so aus. Er küsst dich?“
„Es war nur ein ganz kurzer Kuss, Jake.“
Er schweigt und stapft neben mir her.
„Wieso nennt er dich ständig Sommerröschen?“
Er klingt ungehalten.
„Keine Ahnung, frag ihn doch. Außerdem, ich finde es süß.“
„Süß? Oh Mann, der Typ hat dir so dermaßen das Gehirn vernebelt. Na dann. Melde dich bei mir, falls du irgendwann mal von deinem Danny-Trip runterkommst.“
Damit lässt Jake mich stehen und biegt in einen Seitenweg ab. Ich sehe ihm bekümmert hinterher. Er hat gesagt, er käme damit klar, dass ich Danny mag, aber das stimmt nicht. Er kommt überhaupt nicht damit zurecht, wie man gerade wieder gesehen hat. Ja, Danny provoziert ihn, das ist mir klar. Und durch seine Eifersucht ist Jake so dermaßen geladen, dass er auf Dannys Provokationen immer wieder hereinfällt. Diese zwei werden vermutlich keine Freunde mehr. Ich gehe weiter und grübele vor mich hin. Ich möchte Jake nicht verlieren, ihn nicht verletzen, weiß jedoch nicht, wie ich das anstellen soll. Er ist unglücklich in mich verliebt und eifersüchtig auf Danny, der ihm gegenüber nicht gerade ein Ausbund an Sensibilität ist.
Die Woche vergeht schnell, ich habe viel zu tun, und ehe ich mich versehe, ist Samstag. Ich stehe vor meinem Wohnheim und warte auf Danny. Für Sara habe ich das neue Parfum von One Direction gekauft. Es duftet himmlisch, und ich hoffe, Sara wird es mögen. Ich bin ganz in Gedanken und zucke zusammen, als sich von hinten zwei Arme um mich legen und warme Lippen über meine Schläfe streichen.
„Hey, kleine Rose. Sorry, wartest du schon lange auf mich?“, murmelt eine verdammt sexy Samtstimme direkt an meinem Ohr.
Ich schüttele den Kopf und bin versucht, mich einfach in Dannys Umarmung hineinfallen zu lassen. Aber so leicht will ich es ihm nicht machen. Es tut immer noch weh, an ihn und dieses Mädchen zu denken, daran hat auch unsere Nacht nichts geändert. Und ich kann nicht so tun, als ob das nicht so wäre.
„Nein, schon okay.“
Ich versuche, möglichst kühl zu klingen, während ich mich aus Dannys Armen schäle. Er sieht mich aufmerksam an, dann lächelt er leicht und nickt.
„Okay. Dann komm.“
Auf der Fahrt schweigen wir die meiste Zeit, während ich aus dem Fenster schaue. Ich vermisse die Leichtigkeit zwischen uns, so wie es vor der Sache mit Sue war. Aber im Moment schaffe ich es nicht, komplett unbeschwert mit ihm umzugehen. Offenbar spürt Danny das, und ich bin ihm dankbar, dass er mir Zeit lässt.
Mit einem etwas beklommenen Gefühl im Bauch betrete ich eine halbe Stunde später Dannys Elternhaus. Zum Glück kommt Sara gleich auf uns zugewirbelt und vertreibt alle Bedenken. Sie freut sich wahnsinnig über mein Geschenk, drückt und küsst mich, als ob sie mich ein Jahr nicht gesehen und wahnsinnig vermisst hätte. Edoardo ist da, und ich freue mich, ihn wiederzusehen. Auch Dannys Vater ist heute anwesend, ebenso wie Deacon und zwei Freundinnen von Sara.
Jillian sieht umwerfend aus, sie trägt ein elegantes Kleid in einem zarten Apricot und wirkt wie aus dem Ei gepellt. Der Tisch im Esszimmer ist hübsch gedeckt und die Torte, die in der Mitte prangt, sieht unwiderstehlich aus.
„Das ist mein Lieblingskuchen. Es ist ein Rezept aus Deutschland, Schwarzwälder Kirschtorte. Meine Mutter war vor Jahren als Au-pair-Mädchen in München und hat diesen Kuchen dort gegessen.“
Sara strahlt, und ich kann nicht anders, als mitzulächeln. Dieses Mädchen strahlt eine solch übersprudelnde Herzlichkeit und Lebensfreude aus, dass man sie einfach gernhaben muss. Ich werfe einen Blick zu Danny, der auf der anderen Seite des Zimmers steht und mich beobachtet. Seine Augen sind fest auf mich geheftet und der Ausdruck darin macht mich nervös. Aus den Augenwinkeln sehe ich Saras Freundinnen, die beide verstohlen in Dannys Richtung starren. Offenbar hat er auch hier seine Verehrerinnen.
„Setzt euch doch bitte. Wir können anfangen.“
Jillian stellt einmal mehr ihre Qualitäten als Gastgeberin unter Beweis, denn alles schmeckt hervorragend. Die Torte ist ein Traum, ich könnte darin baden. Außerdem gibt es noch Schokoladencupcakes und Himbeerschnitten mit Vanillecreme. Danny beugt sich zu mir und raunt mir zu: „Lass noch etwas Platz, du weißt schon, für alles, was du sonst noch haben willst.“
Er zwinkert mir zu und ich werde rot.
„Meinst du, dass ich dafür Platz in meinem Magen bräuchte?“
Er zuckt mit den Schultern.
„Keine Ahnung, was dein Herz begehrt.“
Ich versinke in seinen Augen und bin mir sicher, er weiß genau, was es ist, was ich begehre. Beziehungsweise, wen. Seine Hand streift wie zufällig meinen Oberschenkel und ich zucke zusammen. Er lächelt und ich beiße die Zähne zusammen. Oh nein, Mr. Moreno, so einfach mache ich es dir nicht.
Nach dem Kaffee setze ich mich mit Sara und ihren Freundinnen auf die Couch, während Danny sich zu seinem Großvater gesellt. Ich muss lächeln. Es ist süß, wie rührend er sich um den älteren Herrn kümmert und wie offensichtlich es ist, dass die beiden einander von Herzen lieb haben. Das sind die Momente, da fliegt ihm auch mein Herz komplett zu und ich kann absolut nichts dagegen tun.
Ich merke, dass Danny den Kopf hebt und zu mir herübersieht. Unsere Blicke treffen sich und halten sich einen Moment lang fest, bevor ich verlegen wegschaue.
Der Nachmittag vergeht schnell und es sind schöne, entspannte Stunden. Auch Fabio bleibt heute die ganze Zeit dabei, worüber Sara sich offensichtlich freut. Dannys Vater ist ein zurückhaltender Mensch, den ich schlecht einschätzen kann. Er ist höflich und freundlich, aber auf eine vollkommen andere Art als sein Vater und seine Kinder.
Es ist schon fast dunkel, als ich aus dem Gästebad komme, das ich aufgesucht habe. Ich erschrecke mich fast zu Tode, als jemand neben mir auftaucht, mich am Arm packt und eine Stimme mir zuraunt: „Mitkommen.“
Ich stolpere hinter Danny die Treppe nach oben, während er meine Hand fest im Griff hält. Er dirigiert mich zu seinem Zimmer und schließt die Tür ziemlich unsanft hinter uns. Bevor ich auch nur einen Ton von mir geben kann, hat er mich an sich gezogen. Der Ausdruck in seinen schönen Augen fährt mir direkt ins Herz. Zärtlich, liebevoll, aber auch ein bisschen missmutig. Er beugt sich zu mir herunter und seine Lippen streichen über meine Wange.
„Warum machst du das mit mir, hm?“, murmelt er und ich schlucke.
„Was meinst du?“
Er schnaubt leise.
„Ach komm schon. Du ignorierst mich schon den ganzen Nachmittag über. Weißt du, ich kann das nicht, so eng mit dir in einem Raum sein und du beachtest mich weniger als einen alten Stuhl.“
Wider Willen muss ich grinsen.
„Kratzt das etwa an deinem leicht übersteigerten Ego?“
Er hebt den Kopf und sieht mich an.
„Ein wenig, ja.“
Seine Augen funkeln schelmisch und ich muss lachen.
„Du wirst es überleben, Moreno.“
„Danny.“
Sein Mund ist viel zu nah vor meinem und in mir kribbelt alles vor Spannung. Ich hebe die Hand und streiche sanft über sein Kinn. Die Bartstoppeln seines verflixt sexy Dreitagebartes kratzen leicht an meiner Haut. Ich kann nicht anders, stelle mich auf die Zehenspitzen und küsse ihn zart auf den Mund. Dannys Griff um meine Taille verstärkt sich und er zieht mich näher zu sich. Es ist so verlockend, ihm nachzugeben. Sein hinreißender Duft umschmeichelt meine Sinne, seine Nähe verwirrt mich und gleichzeitig fühlt es sich so gut und richtig an hier in seinen Armen. Als ob ich hierhergehören würde. Zu ihm.
Unser Kuss wird schnell heftiger, leidenschaftlicher, und für Minuten vergesse ich völlig, wo wir sind. Meine Hand gleitet unter Dannys Shirt, streichelt die samtweiche Haut an seinem Rücken. Sein Atem geht schneller, vermischt sich mit meinem. Es scheint nur ihn und mich zu geben. Zumindest so lange, bis Sara nach uns ruft. Erschrocken zucke ich zurück, während Danny leise „Fuck“ murmelt. Seine Augen sind dunkler als sonst. Ich küsse ihn noch einmal schnell und er lehnt seine Stirn an meine.
„Kann man Siebzehnjährige noch zur Adoption freigeben?“, murrt er und ich muss kichern. Mein Herz klopft heftig in meiner Brust und mir ist schummrig. Gott, was hätten wir getan, wenn Sara nicht gerufen hätte? Unten sitzt Dannys komplette Familie und wartet vermutlich mit dem Essen auf uns.
„Ich glaube nicht. Du wirst sie wohl behalten müssen.“
„Leider. Mann, ich kann so jetzt nicht runtergehen.“
Er sieht mich so vorwurfsvoll an, als ob ich uns gerade unterbrochen hätte, dabei geht es mir nicht viel besser als ihm. Ich muss lachen und versuche mit beiden Händen seine zerzausten Haare zu bändigen, in denen ich gerade noch meine Finger vergraben hatte.
„Soll ich dir schnell ein Glas kaltes Wasser über den Kopf kippen, damit du wieder familientauglich wirst?“
Er sieht mich finster an.
„Ein Glas? Sommerröschen, du unterschätzt mich.“
Ich kichere, kann nicht aufhören, während Sara wieder ruft.
„Ja, wir kommen gleich“, antworte ich ihr und Danny knurrt: „Nein, tun wir leider nicht.“
Ich haue ihn leicht an die Schulter.
„Jetzt reg dich ab.“
„Ja, was denkst du, was ich gerade versuche?“
Wir müssen ob dieses unfreiwilligen Wortspiels beide grinsen.
„Soll ich schon mal runtergehen? Dann wird es vielleicht leichter für dich, wieder runterzukommen, du weißt schon?“
Ich klimpere mit den Wimpern und er verzieht das Gesicht.
„Lach du nur. Weißt du, ich glaube ja, dir geht es genauso wie mir, nur bist du eindeutig in der besseren Position.“
Er schaut an sich herunter und ich folge seinem Blick zu seiner Körpermitte.
„Da könntest du sogar recht haben. Eine kleine ausgleichende Gerechtigkeit, denn immerhin müssen wir Frauen ja schon genug andere Dinge übernehmen. Siehe die allmonatliche Plage, von der ihr keine Ahnung habt. Die Kinder gebären. Also beschwer dich nicht.“
Ich lege ihm kurz den Zeigefinger auf die Lippen, bevor ich mich umdrehe und die Tür öffne.
„Ich hebe dir was vom Essen auf, bis du dann in zwei Stunden nachkommst.“
Er verzieht das Gesicht und sieht mir mit einem leicht gequälten Lächeln nach, wie ich das Zimmer verlasse und die Treppe nach unten eile.
„Wo steckt ihr denn? Wo ist Danny? Mama will mit der Vorspeise anfangen, und sie findet es nicht witzig, wenn ihr Essen warten muss.“
Sara steht am Fuß der Treppe und sieht mich fragend an. Bei meinem Anblick grinst sie breit und ich streiche mir unsicher durch die Haare.
„Was denn?“
„Nichts. Schon klar, was ihr gemacht habt.“
Ich starre sie an, merke, wie meine Wangen heiß werden.
„Ach ja?“
Sie lacht.
„Na klar, schau mal in den Spiegel. Du siehst ziemlich erhitzt aus, wenn ich mal so sagen darf.“
Sie mustert mich neugierig.
„Bist du in Danny verliebt?“
Ich halte inne, bleibe abrupt stehen. Bin ich in Danny verliebt? Tief in mir flüstert mein Herz mir die Antwort zu, aber ich habe mir bisher nie gestattet, darüber nachzudenken. Saras simple Frage verwirrt mich und ich hebe hilflos die Schultern.
„Ich … ich weiß nicht. Ich glaube schon.“
Sie lächelt und hakt mich unter.
„Schon gut. Musst du mir nicht beantworten, reicht ja, wenn du es ihm sagst. Und du es weißt.“
Sie zieht mich mit sich.
„Außerdem ist es sowieso mehr als eindeutig. Weißt du, wie das bei dir normalerweise so ist, weiß ich ja nicht. Aber bei meinem Bruderherz ist das die Sensation, glaub mir. Der war noch nie verliebt. Aber bei dir, wow, so habe ich ihn echt noch nicht erlebt.“
Ich sehe sie verlegen an.
„Ehrlich?“
„Na klar. Er ist total verknallt in dich, das sieht doch jeder. Ich freue mich total drüber, ich mag dich so gerne.“
Sie klingt so ehrlich, dass ich schlucken muss.
„Ich dich auch.“
Wir lächeln uns zu, in dem Moment kommt Danny die Treppe herunter und Sara sieht ihm anzüglich grinsend entgegen.
„Auch schon da? Tut mir leid, wenn ich euch bei was unterbrochen habe, aber Mama wartet mit dem Essen.“
Danny mustert sie mit zusammengekniffenen Augen.
„Was? Uns bei was unterbrochen? Davon hast du noch gar keine Ahnung zu haben, bei was man Erwachsene unterbrechen kann. Wo ist Deacon? Ich glaube, ich muss mal ein paar Takte mit dem Bürschchen reden.“
Er grinst breit und Sara zeigt ihm einen Vogel.
„Spinner. Kommt jetzt, sonst gibt es gleich einen Anpfiff.“
Jillians Essen ist der Hammer. Danny hat maßlos untertrieben, als er sagte, seine Mutter könne „ziemlich gut“ kochen. Es gibt Bruschetta, Vitello Tonnato, eingelegte Zucchiniröllchen, selbst gebackene Focaccia und als Hauptgang selbst gemachte Tagliatelle, wahlweise mit Bolognese oder Basilikumpesto. Als Dessert reicht sie eine Käseplatte mit Früchten, da für die Süßschnäbel noch genug Kuchen vom Nachmittag da ist. Irgendwann habe ich das Gefühl, gleich zu platzen, und ich beginne, Jillian mit anderen Augen zu sehen. Vielleicht ist sie in mancherlei Hinsicht oberflächlich und legt Wert auf Dinge, die Danny nicht wichtig sind. Aber ihre Familie muss ihr wichtig sein, sonst würde sie nicht solch einen Aufwand betreiben. Meine Mutter wäre nie auf die Idee gekommen, sich für mich solche Mühe zu geben und so viel Zeit in ein Essen zu investieren.
Ich muss zugeben, ich fühle mich hier wohler, als ich vielleicht sollte. Dennoch ist es so, und gleich, wohin das mit Danny und mir führen wird, im Moment bin ich glücklich über diese kostbaren Stunden im Kreise seiner Familie.