Читать книгу Mein Speck kommt von eurem Dreck! - Imre Kusztrich - Страница 25
ОглавлениеKörpersysteme auf Sparflamme
Die Allgemeinheit glaubt heute noch an ein einfaches Rezept gegen Korpulenz: Es braucht nur ein Kaloriendefizit, um Gewicht zu reduzieren, und anschließend eine Beherrschung der künftigen Kalorienmenge. Der Mensch als Sparschwein. Endokrinologen, Spezialisten auf dem Gebiet der inneren Organe und Drüsen, wussten schon lange, dass die Wissenschaft vom Körpergewicht komplex ist und über Kalorienaufnahme und Energieaufwand weit hinausgeht. Aber eine im Jahre 2016 abgeschlossene Studie mit 14 amerikanischen Kandidaten der Abnehmshow „The Biggest Loser“ öffnete ihnen erst richtig die Augen. Von den durchschnittlich verlorenen 58 Kilo kehrten in sechs Jahren 41 zurück.
Das war noch nicht alles. Es gab eine weitere, viel größere Überraschung. Die Testpersonen hatten einen viel schwächeren Stoffwechsel als die meisten Menschen ihrer Größe. Ihre Körpersysteme arbeiteten auf Sparflamme.
Jede unserer Abermilliarden Zellen benötigt eine winzige Menge Energie nur zum Überleben ohne weitere Aktivität, und diese Summe ergibt den Grundumsatz. Das ist der Aufwand für Funktionen wie Kreislauf, Atmung, Stoffwechsel und Temperatur, würden wir einen ganzen Tag in völliger Ruhe verbringen. Zentral ist dabei die Frage, wie viel Kalorien ein Organismus braucht und verbraucht. In verschiedenen Prozessen werden die verfügbaren verzehrten Stoffe zerlegt, absorbiert und entweder in Energie umgewandelt – das hält schlank – oder für später gespeichert – das macht dick. Jeweils eigene Stoffwechselprogramme befassen sich mit Fetten, Kohlenhydraten, Eiweißen und Mikronährstoffen. Auch Vitalstoffe wie Hormone und Enzyme entstehen aus unserem Essen.
Die wissenschaftliche Bezeichnung für Stoffwechsel ist Metabolismus. Es ist das System der Aufnahme, des Transports und der Verarbeitung von Stoffen durch chemische Umwandlung. Während wir Substanzen auch über die Haut – denken Sie an Kosmetika und Medikamente – und die Atmung aufnehmen, ist bei Gewicht Ernährung der dominierende Faktor. Verzehrte Substanzen füttern den Baustoffwechsel, beispielsweise für die Erneuerung von Zellen, und den Energiestoffwechsel für alle Funktionen des Körpers. Der Organismus sorgt rund um die Uhr, auch nachts, für sich selbst und verwendet dabei entweder neue Nährstoffe, Vitamine, Spurenelemente und andere Vitalstoffe oder er greift auf Reserven zurück. Die passenden Entscheidungen werden von Hormonen und den Nervensystemen gefällt, und die Leber ist ihr wichtigstes Instrument.
Als Richtlinie gilt ein Verbrauch von 1.800 Kalorien für die Frau und von 2.000 bis 2.200 Kalorien für den Mann bei moderat aktivem Lebensstil, was zum Beispiel täglich zweieinhalb bis fünf Kilometer Gehen einschließt. Muskeln in Ruhe verbrauchen mehr Energie als Fettgewebe. Muskelaufbau erhöht deshalb langfristig den Grundumsatz. Er steigt auch durch körperliche und geistige Produktivität, bei hohen oder niedrigen Temperaturen und bei großer Anstrengung etwa Schwangerschaft, Stillen oder durch Krankheit. Die Glücklicheren erben einen fleißigen Stoffwechsel, und Männer verbrauchen mehr Energie als Frauen, auch im Ruhezustand. Für die meisten schwächt sich der Grundumsatz ab dem 40. Geburtstag ab.
• Jedes halbe Kilo mehr Muskeln verbrennt sechs Kalorien am Tag;
• Der Stoffwechsel benötigt Wasser und bremst sich ab, wenn wir ihm Wasser entziehen. Acht Glas Wasser am Tag lieferten bessere Ergebnisse als nur vier Glas. Auch die Flüssigkeit in Obst und Gemüse zählt.
• Gewürze schalten den Stoffwechsel einen Gang höher. Tipp: Speisen öfter mit einem Esslöffel Chilli pfeffern.
• Eiweiß fordert den Stoffwechsel. Beste Quellen: mageres Rindfleisch, Geflügel, Tofu, Nüsse, Bohnen, Eier und Milchprodukte.
• Kaffee steigert kurzfristig den Energieumsatz. Grüner Tee und Oolong-Tee versorgen zusätzlich zu Koffein auch mit Catechinen. In Kombination mit leichtem Fitnesstraining wurde der Kalorienverbrauch um 17 Prozent gesteigert. Koffein und Taurin in Energiedrinks regen ebenfalls an. Manche erleben durch sie jedoch Bluthochdruck, Angstzustände, Schlafstörung.
Zusätzlich zum Aufwand für die Basisversorgung ist der Leistungsumsatz oder Arbeitsumsatz erforderlich. Er kann durch mehr Bewegung und mehr Sport nach oben getrieben werden. Dabei ist Verblüffendes nachgewiesen. Für alle Aufwände zusammen verbrauchen Menschen fast unerklärlich unterschiedlich viel Sprit. Schon der Grundumsatz im Ruhezustand variiert erheblich. In weit mehr als 1.000 Untersuchungsreihen wurde im Tagesverbrauch nur zur Energiegewinnung und für den Erhaltungsmetabolismus eine extreme Schwankungsbreite von 800 bis 4.700 Kalorien täglich ermittelt. Wer an überflüssiges Gewicht heran geht, muss durch Grundumsatz und Leistungsumsatz mehr verbrauchen, als er in Form von Nahrung verzehrt. Nach acht bis zehn Tagen negativer Kalorienbilanz passt der Organismus den Grundumsatz und den Leistungsumsatz an den Nährstoffmangel an. Kohlenhydrate, Fett und vor allem in den Muskeln Eiweiße werden abgebaut.
Überschüssige Kohlenhydrate werden überwiegend in den Fettgeweben und in der Leber als Energiereserve gespeichert. Das so genannte Leberglykogen versorgt das Gehirn und die Nervenzellen mit Zucker. In der Regel kann ein Grundumsatz halbiert werden. Ein solcher nennenswerter Hungerstoffwechsel, auch Hungeradaption genannt, leitet jedoch umfassende Veränderungen ein. Alle sind schlecht in Bezug auf eine Gewichtsreduktion. Einmal wird als Ersatz jede Muskelart zur Versorgung herangezogen und verstoffwechselt, also reduziert, auch lebenswichtige wie im Herzen. Auch die Herzfrequenz, der Blutdruck und die Körpertemperatur sinken. Die Abwehrkräfte werden schwächer. Gewichtsabnahme wird etwa zu einem Viertel durch abgebaute Muskeln erzielt. Damit gehen Zellen verloren, die relativ hungrig sind, und der benötigte Grundumsatz nimmt ab.
Auch die Hormonsysteme werden durch Hunger gestört. Frauen merken das besonders deutlich. Weitere Faktoren, die unbewusst den Stoffwechsel mitbestimmen, können ihn ebenfalls verlangsamen, etwa eine Insulinresistenz, eine Unterfunktion der Schilddrüse und eine ganze Reihe von häufig verschriebenen hormonwirksamen Medikamenten wie Steroide bei Herzproblemen, Antidepressiva und die Antibabypille.
Etwa jeder fünfte Deutsche leidet unter einer Stoffwechselerkrankung. Jede beginnt mit einer Störung. Gewisse Prozesse der Aufbereitung, Verarbeitung und Umwandlung von Nahrung sowohl in Energie, als auch in lebenswichtige Substanzen wie Vitamine und Hormone funktionieren nicht so, wie sie sollten. Sie verlangsamen oder sie laufen beschleunigt ab. Diabetes, Fehlfunktionen der Schilddrüse oder Gicht gelten als unheilbar. Die Anti-Aging-Medizin oder Präventionsmedizin jedoch eruiert auch bei ihnen die Voraussetzungen und befasst sich intensiv mit ihnen.
Das häufigste Stoffwechselleiden ist Diabetes mellitus mit Umständen, unter denen der Blutzuckerspiegel nicht mehr reguliert werden kann. Auch Fehlfunktionen der Schilddrüse sind zahlreich. Bei einer Überfunktion setzt sie zu viele von ihr produzierte Hormone frei. Bei einer Unterfunktion werden zu wenige Botenstoffe gebildet, beispielsweise wegen Jodmangel.
Die Prozesse des Stoffwechsels begründen viele der wichtigsten Funktionen im Organismus. Jede einzelne hat Auswirkungen auf unser Wohlbefinden, körperlich und mental. Wie sich Milliarden Zellen ernähren, wie sie sich erneuen und absterben, was die Organe tagsüber und was sie nachts erledigen, wird vom Metabolismus geprägt. Gesteuert werden die einzelnen Maßnahmen durch Hormone, die überwiegend in der Bauchspeicheldrüse, in der Schilddrüse, in der Nebennierenrinde und im Gehirn entstehen. Appetit, Sattheit und das Schlafbedürfnis fallen ebenfalls unter die Aufgaben des Stoffwechsels. Auch und gerade beim Abnehmen darf der Organismus nicht durch unsere einschränkenden Maßnahmen verunsichert werden. Stets sollte durch genügend Energiezufuhr der Grundumsatz zur Gänze gedeckt sein.
Gerade bei einer Abmagerungskur sollten die Frau nicht 1.200 Kalorien und der Mann nicht 1.500 Kalorien unterschreiten. Der Körper würde sich rächen. Als Regel gilt: 500 bis 1.000 Gramm Körpersubstanz pro Woche lässt sich ein Organismus noch auf friedliche Weise abringen. Mehr wohl nicht. Das entspräche 3.500 bis 7.000 Kalorien, die ihm in einem solchen Zeitraum vorenthalten werden.