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Dem Stoffwechsel ausgeliefert

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Kalorienrechner gaukeln uns vor, dass wir alle mit einem normalen Grundumsatz und Leistungsumsatz leben. Häufig weicht die Stoffwechselrate eines Menschen jedoch fünf oder zehn Prozent vom Durchschnitt ab, wie eine Studie 2004 in „Clinical Nutrition and Metabolic Care“ erläuterte. Diese Kleinigkeit macht einen großen Unterschied aus.

Ein Beispiel für eine Frau von 40 Jahren, 165 Zentimeter groß, 70 Kilogramm schwer. Entsprechend ihrem Lebensstil verbraucht sie täglich 2.354 Kalorien. Sie beschließt, ein halbes Kilo pro Woche zu verlieren. Theoretisch muss sie ihrem Organismus dafür in jeweils sieben Tagen 3.500 Kalorien schuldig bleiben, 500 pro Tag. Denn etwa 7.000 Kalorien entsprechen einem Kilo Körpergewicht mehr oder weniger.

Das ist die Theorie: Sobald sie weniger isst und weiterhin gleich viel verbrennt, wird der entstehende Mangel durch eine langsame Reduzierung der Fettspeicher ausgeglichen. Mit dieser Erwartung reduziert die Testperson ihre Kalorienaufnahme von 2.354 auf 1.854. Tatsächlich führt das bei ihr in sieben Tagen zu einer Gewichtsreduktion von 500 Gramm. Jedoch eine andere Frau mit den gleichen Körpermaßen, mit der gleichen Kalorienaufnahme von 2.354 und einem vergleichbaren Lebensstil verbrennt nur einen Gesamtumsatz von 2.119 Kalorien. Das summiert sich zu 7.000 Kalorien in 30 Tagen und bedeutet: wieder ein Kilo mehr. Und sie kann nichts dafür … Auch sie isst jetzt weniger, ebenfalls 1.854 Kalorien am Tag. Das stoppt die Gewichtszunahme. Ihrem Körper fehlen aber nur 265 Kalorien. Sie wird wegen des schwächeren Stoffwechsels länger als 13 Tage brauchen, bis sie ein Defizit von 3.500 Kalorien schafft.

Wie entstehen solche Differenzen? Medizinische Probleme können den Stoffwechsel verlangsamen. Das ist in erster Linie eine Angelegenheit des Zustands der Schilddrüse. Sie braucht vor allem Jod, und da der Körper dieses chemische Element nicht selbst produzieren kann, muss er es aufnehmen. Reichlich jodhaltig sind Produkte aus dem Meer, Kelp, Algen, Kabeljau, Miesmuscheln, Thunfisch, auch Baked Potato mit Schale, gekochtes Ei und mit Jod angereichertes Salz.

Deutschland ist wegen seiner Böden eine der jodärmsten Regionen Europas. Das Robert Koch-Institut hat im Rahmen eines wissenschaftlichen Jod-Monitorings Kinder und Jugendliche untersucht und Anfang September 2019 Alarm geschlagen. Offensichtlich nehmen immer mehr Menschen in Deutschland zu wenig Jod auf. Bei einer früheren Untersuchung wurde 2008 für dieses chemische Element ein Mittelwert von 116 Mikrogramm pro Liter Urin gemessen. Elf Jahre später waren es nur noch 88,8 Mikrogramm. Die W.H.O. hält im Alter von zwölf bis 14 Jahren 180 Mikrogramm für notwendig, für Erwachsene 200 Mikrogramm.

Hat die Schilddrüse zu wenig Jod, leiden darunter Tausende Steuerungsprozesse, denn ein Mangel wirkt sich problematisch auch gleich auf die Funktionen der Mineralstoffe Zink, Kupfer, Mangan, Eisen und Selen aus. Ein Pfirsichverzehr kann die Verarbeitung von Jod hemmen.

Die optimal funktionierende Schilddrüse produziert mehrere Hormone und spielt mit diesen Botenstoffen eine außerordentlich wichtige Rolle im Stoffwechsel. Sie wird viel zu selten untersucht, häufig zum ersten Mal weit über der Lebensmitte bei Aufnahme in ein Krankenhaus. Produziert das kleine Organ nicht genug Hormone, kommt es zu einer folgenschweren Unterfunktion. Verschiedene Nährstoffe können nicht richtig verwendet werden. Unterm Strich verbrauchen deshalb die Organe weniger Energie. Diese Störung mündet in schnellem Frieren, in Abgeschlagenheit und – frustrierend! – zu unerklärlicher Gewichtszunahme. Auch Gedächtnisschwäche, Haarausfall, Wassereinlagerung in den Geweben und Depression treten auf. Aber wer denkt da sofort an die Schilddrüse?

Auch körpereigene Hormone und verschreibungspflichtige Tabletten können Ursachen eines gebremsten Stoffwechsels sein. Das ist häufig erst Wochen oder Monate später der Fall, so dass wiederum Zusammenhänge nicht erkannt werden. Aber es ist unbestritten: Medikamente gegen Depression und die Anti-Baby-Pille greifen ungünstig in den Stoffwechsel ein, besonders, wenn sie über die Leber ins Blut übergeführt werden. Eine Gewichtszunahme ist fast nicht zu vermeiden, denn sie ist das wichtigste Stoffwechselorgan. Daneben kann auch die Verdauung eine Rolle spielen, denn eine Nahrungsmittelunverträglichkeit wird den Organismus vermutlich veranlassen, mit seiner Energie hauszuhalten.

Was den Organismus der Kandidaten von „The Biggest Loser“ betraf, half es nicht einmal, wenn die von vielen bewunderten Helden des erfolgreichen Abspeckens bis zu vier Jahre lang sich wirklich diszipliniert ernährten … am Ende näherten sie sich unweigerlich ihrem Ausgangsgewicht. Nicht besser erging es übrigens ihren deutschen Schicksalskollegen. Der Finalist Pierre der Sat.1-Staffel von 2013 nahm in acht Jahren 88 Kilogramm wieder zu. Dieses Los droht aller Voraussicht nach auch dem deutschen Sieger Mario vom April 2019, seinem spektakulären Ergebnis zum Trotz. Er reduzierte sein Ausgangsgewicht von 196 Kilogramm um 95 auf 101, fast 50 Prozent.

Sie reduzierten offensichtlich Kalorien, aber vielleicht nicht die Wirkstoffe, die einen Stoffwechsel ins Chaos stürzen.

Immer mehr problematische Substanzen rücken ins Bewusstsein, wenn auch langsam. Von einer bis heute unterschätzten und heimtückisch gefährlichen Gruppe haben die wenigsten schon gehört: advanced glycated end-products, fortgeschrittene glykierte Endprodukte. Sie werden auch Zuckergifte, Glykotoxine, genannt. Ursprünglich waren es Eiweiße oder Fettmoleküle, die im Blutstrom auf Zuckermoleküle stießen und unter Einwirkung von aggressiven Sauerstoff-Radikalen verschmorten. Hoher Blutzucker und oxidativer Stress wurden zum gefährlichen Duo. Die entstandenen Teilchen sind fast nicht mehr zu trennen.

Diese Fremdkörper im Blut müssen durchaus in einem Atemzug mit anderen, chemisch oder giftig ungünstig agierenden Stoffen genannt werden, mit denen der Organismus konfrontiert wird. Sie greifen jeden Zelltyp an, nicht nur Gefäßinnenwände. Studien deuten auch auf eine Rolle bei der Entwicklung einer Zuckerkrankheit mit oder ohne Übergewicht hin. AGEs lassen Gefäße erstarren und arretieren LDL-Cholesterine in den Gefäßwänden, außerdem bewirken sie die Oxidation dieser Fettmoleküle.

Die Anti-Aging-Medizin stuft advanced glycated end-products, abgekürzt AGEs, als warnende Bio-Marker ein, denn wo sie vermehrt gemessen werden, häufen sich degenerative Erkrankungen, Insulinresistenz, Diabetes, Arteriosklerose, Herzerkrankung, Nierenfunktionsstörungen und Alzheimer. Für viele Betroffene sind es verfrühte Veränderungen, die sonst erst mit dem Alter kommen. Moderne industriell produzierte Nahrung bildet diese Substanzen nicht erst im Blut, sondern enthält generell bereits hohe Mengen an AGEs, die sich während der Produktion bilden. Durch Maillardprozesse entstehen Farbstoffe, meistens mit Bräunungseffekt, und bestimmte Geschmacksrichtungen, wie frisch gebackenes Brot, getrocknete Frucht oder Kaffee. Immer sind Zuckermoleküle mitbeteiligt, wobei laut mehreren Studien Fructose acht bis zehn Mal intensiver reagiert und zur Entstehung von AGEs beiträgt.

AGEs bilden sich auch in der Küche, wenn Nahrungsmittel mit hohen Temperaturen verändert werden. Verglichen werden diese Prozesse mit der Maillardreaktion, dem Bräunungseffekt von Hitze auf Zucker in einer Pfanne. Wir produzieren AGEs beim Toasten, Grillen, Frittieren und Braten. Höchste Temperatur erzeugt das Zehnfache bis Hundertfache der Menge von AGEs in rohen, gedämpften oder bei Niedrigtemperatur gegarter Nahrung. Nachdem AGEs erstmals im Blut entdeckt und als Auslöser von Entzündungen identifiziert worden waren, begannen Forscher nach Geweben zu suchen, die an diesen ungünstigen Prozessen beteiligt sein konnten. So wurden 1992 erste Andockstellen entdeckt und als receptors for advanced glycation end-products, RAGEs, bezeichnet. Zuerst wenige in den Nieren, dann sehr viele in der Lunge. Später stellte sich heraus, dass auch Fresszellen passende Rezeptoren aufweisen und auf Impulse durch AGEs reagieren.

Im weiteren Verlauf wurde nachgewiesen, dass eine Zunahme von AGEs in Geweben und Organen eine Verbindung zur Zuckerkrankheit und zur Blutvergiftung durch nicht entsorgte Harnstoffe hat. Nieren sind wichtige Ausscheidungsorgane für AGEs, die von der Krankheitsabwehr zerlegt wurden. Diabetes und eine Nierenfunktionsstörung gehen oft Hand in Hand. Immer spielen chronische Entzündungen eine Rolle.

Eine sehr junge Studie in der Zeitschrift „Nutrients“ vom August 2019, „Die moderne westliche Nahrung reich an advanced gycation end-products“, stellt konkret die Frage: Tragen AGEs zu Übergewicht und Fettleibigkeit bei? [26].

Je mehr industriell prozessierte Nahrung verzehrt wird, umso mehr AGEs befinden sich schließlich im Körper. Diese Art von Essen fördert Entzündungen und die Insulinresistenz. Gleichzeitig wurde erkannt: Nur Übergewichtige mit gleichzeitigen Symptomen des Metabolischen Syndroms wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzerkrankung und Arteriosklerose haben auffallend hohe AGEs-Werte. Gesunde Dicke nicht. Also sind nicht die Kalorien entscheidend, sondern den Ausschlag macht jene Nahrung, die Entzündungen hervorruft. Die Kombination von hohem Gewicht und hoher Belastung durch advanced gycation end-products lenkte das Interesse auf die Fettgewebe. Dabei wurden Unterschiede in Bezug auf Andockstellen für AGEs entdeckt. Sie heißen auf Englisch receptors for advanced gycation end-products, RAGEs.

Zellen von Bauchfett haben eine höhere Anzahl von Andockstellen für advanced gycation end-products als beispielsweise das Fett direkt unter der Haut. Das entsprach der Beobachtung, dass viszerales Bauchfett rund um die Eingeweide wie eine riesige Drüse etwa 50 Substanzen freisetzt. Viele von ihnen starten und unterstützen gutgemeinte Entzündungsprozesse. Der daraus resultierende chronische inflammatorische Stress stört oder unterbricht jede vernünftige Kommunikation zwischen den Bereichen, in denen wir Energie als Reserve speichern, und dem Gehirn, das diese Reserven bei Bedarf abruft. Das heißt: Unter Entzündungen wird der Inhalt von Fettzellen nicht verbrannt. Sie bleiben prall. Jede Verschwendung wird vermieden. Sobald verzehrte Nahrung übrigbleibt, wird sie in Fett umgewandelt und in Fettzellen aufbewahrt.

Fortgeschrittene glykierte Endprodukte addieren sich in tierischen Fetten und Eiweißen, konkret im gegrillten Rindersteak, im Spiegelei, in der gebräunten Butter, in manchen Käsen, in Margarine, Mayonnaise, Ölen und gerösteten Nüssen. Die Erhitzung mit Mikrowellen vervielfacht die Effekte. So werden plötzlich gesunde Lebensmittel ungesund.

Diese Fremdkörper im Blut müssen durchaus in einem Atemzug genannt werden, mit denen der Organismus konfrontiert wird. Sie greifen jeden Zelltyp an, nicht nur Gefäßinnenwände. Studien deuten auch auf eine Rolle bei der Entwicklung einer Zuckerkrankheit mit oder ohne Übergewicht hin. AGEs lassen Gefäße erstarren und arretieren LDL-Cholesterine in den Gefäßwänden, außerdem bewirken sie die Oxidation dieser Fettmoleküle.

Durch die Zerstörung von Gefäßfunktionen werden AGEs mit der Behinderung der Durchblutung des Gehirns in Verbindung gebracht, mit Schlaganfall mit Alzheimer. Auch das Auge und Muskelgewebe können betroffen sein. In einer Studie mit 559 Frauen war die Sterberate durch Herzversagen bei denen mit den meisten AGEs doppelt so hoch wie bei jenen mit den wenigsten.

Unterm Strich muss damit gerechnet werden, dass große Mengen von advanced glycated end-products den oxidativen Stress durch Sauerstoff im Blut und den inflammatorischen durch Entzündungen erhöhen. Beide schädigen auf lange Sicht jedes Organ im Körper. Menschen mit Diabetes riskieren durch die hohe Konzentration an Zuckermolekülen und Sauerstoff-Radikalen im Blut die Entstehung von besonders vielen AGEs.

Entzündungen durch AGEs zerstören gemeinsam mit Sauerstoff-Radikalen empfindliche Gewebe und sie fördern das Zunehmen. Das wurde bereits 1996 erkannt. Menschen mit Diabetes haben dadurch häufig stark angegriffenes Zahnfleisch.

Die Endokrinologin Ann Marie Schmidt an der New York University School testete Möglichkeiten der Hilfe in Versuchen mit zuckerkranken Mäusen. Sie schützte eine Hälfte mit antioxidativen Vitaminen und Enzymen, während alle Tiere fettreich überernährt wurden. Bei den Nagern mit der Nahrungsergänzung blieb der Stoffwechsel weitgehend normal, das Zahnfleisch auch. Sie nahmen um 70 Prozent weniger Gewicht zu als die nicht vor Schäden bewahrten Tiere (Quelle: „Advanced glycation endproducts (AGEs) induce oxidant stress in the gingiva: a potential mechanism underlying accelerated periodontal disease associated with diabetes“. Journal of Periodontal Research. 1996).

Niedrige Spiegel sind harmlos. Jedoch bei zu hoher Zufuhr durch die falschen Nahrungsmittel oder durch zu schnelle Entstehung im Blutstrom schafft der Körper den Ausgleich nicht. Hohe Werte fördern oxidativen und inflammatorischen Stress. Beide sind Gift für die Gefäße. Der Körper kann solche Schadstoffe entfernen. Mit pflanzlicher Nahrung, mit Früchten, Gemüse und Vollkornprodukten sinken die Spiegel von AGEs. Günstig sind auch Dampfgaren, Suppen und Eintopfgerichte.

In Tierversuchen traten bei verringerter AGEs-Belastung weniger Herzprobleme und Fälle von Nierenversagen auf.

138 Personen erzielten eine bessere Insulinwirkung, weniger Stressbelastung und etwas weniger Gewicht. Eine Kontrollgruppe ohne Essensbeschränkung in Bezug auf advanced glycated end-products hatte deutliche stärkere Entzündungsprozesse. Obwohl gesundheitliche Effekte durch eine Reduzierung der AGEs dokumentiert sind, gibt es keine einzige Richtlinie für eine sichere Dosis. Experten empfehlen auch gesündere Methoden der Zubereitung. Kochen mit Essig, Zitronensaft und Tomatensaft kann die Entstehung von AGEs halbieren. Fleisch, das in der Mittelmeerdiät mit diesen beigaben mariniert wird, kommt nur noch auf die halbe Menge AGEs. Der elektrisch beheizte Schongarer, Slow Cooker oder Crockpot genannt, gart unabhängig vom Herd in Zeitlupe und ohne Umrühren und lässt diesen Schadstoffen wenig Chancen.

Mein Speck kommt von eurem Dreck!

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