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Die Brüder

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Genesis 42

Bald darauf traf ein,

was Josef vorhergesagt hatte.

Sieben Jahre lang brachten

die Felder Frucht in Fülle hervor.

Es gab reiche Ernten wie nie zuvor.

Im ganzen Land häufte sich

das Korn auf den Feldern.

Da ließ Josef in allen Städten

große Kornspeicher errichten

und sammelte darin so viel Korn,

dass es nicht mehr zu zählen war,

Korn wie Sand am Meer.41,47ff

Aber nach sieben Jahren

trat eine lange Trockenzeit ein.

Die Ernte blieb aus.

Die Früchte auf den Feldern verdorrten.

Und eine schwere Hungersnot

suchte das Land heim.

Da kamen die Ägypter in Scharen

zu Pharao und baten verzweifelt:

„Gib uns Brot! Wir sterben vor Hunger.“

Doch Pharao schickte sie alle zu Josef.

Der öffnete seine Kornspeicher

und verkaufte das Korn an die Ägypter.

Diese gaben dafür ihr letztes Geld her.

Und als sie kein Geld mehr hatten,

verkauften sie ihr Vieh und ihre Felder

und zuletzt sogar sich selbst

und wurden Leibeigene des Pharao.41,53ff

So groß war der Hunger im Land.47,13ff

Bald sprach es sich auch

in den Nachbarländern herum:

In Ägypten gibt es noch Brot.

Da kamen sie von überall an,

um Korn bei Josef zu kaufen.

Denn die Hungersnot

war in allen Ländern sehr groß.41,57

In jenen Tagen traf bei Josef

auch eine Gruppe aus Kanaan ein.

Josef traute seinen Augen nicht.

Vor ihm standen –

seine eigenen Brüder!

Wie vor einem König,

so warfen sie sich vor ihm nieder.

Genauso hatte er es einst

im Traum vorhergesehen.

Aber seine Brüder

erkannten ihn nicht.42,5f

Da beschloss Josef,

seine Brüder auf die Probe zu stellen.

„Wer seid ihr?“, fragte er streng.

„Und woher kommt ihr?“

„Aus dem Land Kanaan“, antworteten sie.

„Wir sind gekommen,

um Korn zu kaufen.“

Doch Josef fiel ihnen ins Wort.

„Nein, ihr lügt! Spione seid ihr!

Ihr wollt nur unser Land ausspionieren.“

„Aber nein! Wir sind ehrliche Leute

und gehören alle zu einer Familie.

Zwölf Brüder sind wir.

Doch zwei sind nicht hier.

Der jüngste Bruder ist zu Hause

bei unserem Vater geblieben.

Und der zweitjüngste –

lebt schon lange nicht mehr.“

Doch Josef unterbrach sie:

„Nein, ich glaube euch nicht.

Bringt euren jüngsten Bruder zu mir!

Dann will ich euch glauben.“42,7ff

Darauf ließ er sie alle einsperren.

Drei Tage lang warteten die Brüder

bange hinter verschlossenen Türen.

Am dritten aber ging die Tür auf.

Josef kam herein.

„Hört, Leute!“, sprach er.

„Diesmal lasse ich euch laufen.

Denn ich fürchte Gott.

Aber ich warne euch:

Wollt ihr am Leben bleiben,

dann tut, was ich sage:

Zieht jetzt heim zu euren Familien

und bringt ihnen das Korn,

damit dort niemand verhungert.

Aber danach bringt schleunig

euren jüngsten Bruder hierher.

Dann will ich euch glauben,

dass ihr ehrliche Leute seid.

Einer von euch

bleibt so lange als Geisel hier.“41,17ff

Die Brüder sahen sich entsetzt an.

„Seht“, flüsterten sie erschrocken,

„das ist die Strafe für alles,

was wir Josef angetan haben.

Wisst ihr noch, wie er uns anflehte,

als wir ihn in die Zisterne warfen?

Aber wir hörten nicht auf ihn.“

„Ja“, meinte Ruben, der älteste Bruder.

„Habe ich euch nicht damals gesagt:

Vergreift euch nicht an eurem Bruder.

Aber ihr habt nicht auf mich gehört.

Nun müssen wir dafür büßen.“42,21f

Aber die Brüder ahnten nicht,

dass Josef alles verstand, was sie sagten.

Die Tränen rollten ihm über das Gesicht,

als er die Brüder so reden hörte.

Schnell wandte er sich von ihnen ab

und wischte sich heimlich die Augen.

Niemand sollte merken,

was in ihm vorging.

Danach nahm er Simeon als Geisel,

ließ ihn fesseln und sperrte ihn ein.

Aber die anderen Brüder

ließ er ziehen mitsamt dem Korn,

das sie gekauft hatten.42,23f

Als aber unterwegs einer der Brüder

seinen Kornsack öffnete,

da sah er zu seinem Entsetzen:

Obenauf lag der Beutel mit dem Geld,

das er dem Ägypter gezahlt hatte.

Auch die anderen fanden ihr Geld wieder,

als sie ihren Kornsack aufmachten.

Und bestürzt fragten sie sich:

„Wer hat das getan?

Warum tut Gott uns das an?

Am Ende glaubt der Ägypter,

wir hätten ihn bestohlen.“42,27f

Aber niemand wusste,

dass der Ägypter befohlen hatte,

das Geld in ihren Kornsack zu legen.

Und niemand ahnte, dass dieser Ägypter

in Wahrheit ihr eigener Bruder war.42,25

Mit dieser Geschichte beginnt der 3. Akt der Josefsgeschichte, der die beiden Erzählstränge – Jakobs Familie in Kanaan und Josef in Ägypten – zusammenführt und am Ende zur Aussöhnung zwischen den Brüdern führt. Aber Aussöhnung wird nur möglich, wenn zuvor die eigene Schuld erkannt und bekannt wird. Erst in der Begegnung mit dem Bruder, den sie noch gar nicht als Bruder erkennen, wacht die Erinnerung an die alte Schuld auf, die längst verjährt und vergessen schien. Es ist ein langer Weg, der durch immer neue Ängste führt, bis die Brüder schließlich ihre eigene Schuld bekennen und bereit sind, dafür einzustehen (44,16ff).

Und Josef? Warum stellt er seine Brüder so lange auf die Probe? Auch Josef muss einen langen Weg zurücklegen, bis er es wagen kann, all seine erworbenen Sicherheiten zu riskieren und sich öffentlich zu seiner Familie zu stellen. Der lange Weg, den beide Seiten zurücklegen müssen, bis Gott sie zur Aussöhnung bereit macht, spiegelt sich äußerlich in den langen Wegstrecken, die die Brüder in dieser Geschichte zurücklegen müssen.

Neukirchener Bibel - Das Alte Testament

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