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Die Versöhnung

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Genesis 43–45

Zehn Säcke voll Korn

hatten Jakobs Söhne

in Ägypten gekauft.

Aber es dauerte nicht lange,

da war alles Korn wieder verzehrt.

Und immer noch hielt die Dürre an.

Da sagte Jakob zu seinen Söhnen:

„Zieht noch einmal nach Ägypten

und kauft dort Korn für eure Familien.“

Aber Juda entgegnete:

„Wir gehen nur,

wenn Benjamin mit uns geht.

Denn der Ägypter schärfte uns ein:

Bringt euren jüngsten Bruder zu mir.

Sonst seid ihr umsonst gekommen.“43,1ff

„Nein!“, rief Jakob entsetzt.

„Warum habt ihr mir das angetan?

Warum habt ihr dem Ägypter verraten,

dass ihr noch einen Bruder habt?“

„Er hat uns danach gefragt“,

erklärten die Brüder.

„Auch nach dir hat er gefragt.

Wie konnten wir ahnen,

dass er Benjamin sehen will?“

„Bitte, vertrau mir!“, bat Juda.

„Ich sorge dafür,

dass Benjamin nichts geschieht.

Ich selbst bürge dafür.

Mein Ehrenwort gebe ich dir.“43,6ff

Schweren Herzens willigte Jakob ein.

„Gut, wenn es nicht anders geht,

dann muss es so sein.

Aber bringt dem Ägypter

Geschenke von hier!

Und nehmt genug Geld mit,

auch das Geld,

das in eurem Sack lag.

Bringt es wieder zurück!43,11f

Vielleicht war es ein Irrtum.

Und nun geht mit Gott!

Der Allmächtige sei mit euch.

Er gebe euch Gnade vor dem Ägypter,

dass ihr mit Simeon und Benjamin

wieder heil zurückkehrt.“43,14

Da machten sich die Brüder

mit Benjamin auf den Weg

und zogen wieder nach Ägypten,

wo Josef sie schon erwartete.

Als er sie kommen sah,

befahl er seinem Verwalter:

„Führ die Männer ins Haus.“

Sie aber fürchteten sich,

Josefs Haus zu betreten.

Denn sie sagten sich:

„Sicher glaubt dieser Ägypter,

wir hätten sein Geld gestohlen.

Nun will er uns dafür bestrafen.

Wer weiß, vielleicht will er uns

sogar zu Sklaven machen.“43,18

Aber Josefs Verwalter

sprach ihnen Mut zu:

„Fürchtet euch nicht

und sorgt euch nicht

wegen des Geldes!

Es ist ein Geschenk eures Gottes.“43,23

Darauf führte er Simeon

zu ihnen heraus

und lud sie alle ein in Josefs Haus.

Dort reichte er ihnen Wasser

für ihre staubigen Füße

und gab ihren Eseln zu trinken.

Wie hohe Gäste, so bediente er sie.43,24

Die Brüder aber wussten nicht,

wie ihnen geschah.

Warum wurden sie plötzlich

so fürstlich empfangen?43,15ff

Da erschien Josef.

Als die Brüder ihn sahen,

warfen sie sich vor ihm nieder.

Doch Josef begrüßte sie freundlich:

„Sagt, wie geht es eurem alten Vater,

von dem ihr erzählt habt?

Lebt er noch?“43,26ff

„Ja, es geht ihm gut!“, antworteten sie

und fielen erneut vor ihm nieder.

Plötzlich entdeckte Josef

Benjamin, seinen geliebten Bruder!

Da war es um seine Fassung geschehen.

„Ist das euer jüngster Bruder?

Gott sei dir gnädig, mein Sohn!“

Er eilte hinaus, lief in seine Kammer

und weinte sich aus.43,30

Als er sich wieder gefasst hatte,

kehrte er zu den Brüdern zurück.

„Nun tragt das Essen auf!“,

befahl er den Dienern.

Seine Brüder aber ließ er so sitzen,

wie es ihrem Alter entsprach.

Benjamin saß am Ende der Tafel.

Er bekam fünfmal so viel auf den Teller

wie die anderen Brüder.

Die aber fragten sich verwundert:

„Woher weiß der Ägypter,

wie alt wir sind?

Und warum bekommt Benjamin

fünfmal so viel zu essen wie wir?“43,31ff

Aber Josef ließ sich nichts anmerken.

Heimlich befahl er seinem Verwalter:

„Fülle den Männern die Säcke mit Korn

und leg das Geld wieder hinein,

das sie gezahlt haben!

Doch in Benjamins Sack leg noch

meinen silbernen Becher dazu!“44,1f

Die Brüder aber ahnten nichts Böses.

Am nächsten Morgen

standen sie früh auf,

luden die vollen Säcke auf ihre Esel

und zogen fröhlich davon.44,3f

Aber es dauerte nicht lange,

da holte sie Josefs Verwalter

auf seinem Pferd ein.

„Halt!“, schrie er zornig.

„Bleibt stehen, ihr Diebe!

Was fällt euch ein?

Ihr habt meinem Herrn

den silbernen Becher gestohlen.“

Die Brüder aber riefen erschrocken:

„Das ist nicht wahr!

Wir sind keine Diebe.

Wir haben nicht den Becher gestohlen.

Nie würden wir so etwas tun.

Schau selbst nach!

Du wirst ihn nicht finden.

Doch wenn einer von uns

ihn gestohlen hat, muss er sterben.

Wir aber wollen euch dann

für immer als Sklaven dienen.“

„Recht so!“, sagte der Verwalter.

„Aber nur der Dieb

soll unser Sklave werden.

Die anderen sind frei.“44,4ff

Danach durchsuchte Josefs Verwalter

alle Säcke, auch Benjamins Sack.

Und wirklich: Der silberne Becher

steckte in Benjamins Sack!

Da war es um die Brüder geschehen.

Sie zerrissen ihre Kleider

vor Entsetzen und Schmerz.

Und bestürzt fragten sie sich:

„Was soll nun aus Benjamin werden?“

Sofort ritten alle zu Josef zurück,

warfen sich vor ihm nieder

und stammelten:

„Wir alle tragen Schuld.

Gott hat sie aufgedeckt.

So mach uns alle zu deinen Sklaven!“

Aber Josef fiel ihnen ins Wort.

„Nein, nur der soll mein Sklave werden,

der den Becher gestohlen hat.“44,11ff

Da trat Juda vor und bat:

„Mein Herr, gewähre mir eine Bitte!

Mach mich zum Sklaven

an Benjamins Stelle!

Denn ich gab dem Vater mein Ehrenwort:

Ich bringe Benjamin heil zu ihm zurück.

Wenn nicht, will ich die Schuld tragen,

solange ich lebe.

Wenn aber Benjamin nicht mit uns käme,

wie könnte ich dann

vor unserem Vater bestehen?

Er hat schon einen Sohn verloren.

Ich könnte nicht mit ansehen,

wie er sich vor Kummer verzehrt.“44,18ff

Als aber Josef das hörte,

konnte er nicht länger an sich halten.

Schnell schickte er alle Diener hinaus.

Nur seine Brüder blieben zurück.

„Seht her!“, rief Josef.

„Seht, wer vor euch steht!

Ich bin Josef, euer Bruder,

den ihr als Sklaven verkauft habt.

Sagt, wie geht es dem Vater?

Lebt er noch?“45,1ff

Die Brüder aber starrten Josef entsetzt an.

Sie brachten vor Schreck

kein einziges Wort heraus.

Der mächtige Ägypter war ihr Bruder?

Derselbe Bruder, den sie einst

als Sklaven verkauft hatten?

Nun war es um sie geschehen.

Sie waren in Josefs Hand.

Er konnte mit ihnen machen,

was er wollte.45,3

Doch Josef redete ihnen zu:

„Steht auf! Kommt näher!

Seht mich an!

Ich bin wirklich Josef, euer Bruder.

Und habt keine Angst vor mir!

Ich bin nicht mehr zornig auf euch,

weil ihr mich hierher verkauft habt.

Denn nun weiß ich:

Nicht ihr habt mich hierher gesandt,

sondern Gott hat es getan,

damit er euch alle jetzt

vor dem Verhungern bewahren kann.

So zieht nun schnell

zu unserem Vater zurück!

Grüßt ihn von mir

und richtet ihm aus:

Josef, dein Sohn, bittet dich:

Komm nach Ägypten!

Dort wird er für dich

und deine ganze Familie sorgen,

solange die Hungersnot anhält.“45,4ff

Aber die Brüder waren

immer noch starr vor Schreck.

Doch Josef fiel ihnen um den Hals,

küsste sie und weinte vor Freude.

Da kam auch wieder Leben in sie.

Und voller Freude

erzählten sie Josef von ihrem Vater,

der immer noch um ihn trauerte.45,14f

Als aber Pharao hörte,

wer zu Josef gekommen war,

ließ er den Brüdern sagen:

„Kommt mit eurem Vater hierher

und siedelt euch bei uns an!

Ich will euch das beste Land geben,

damit es euch niemals an Nahrung fehlt.“45,16ff

Da machten sich die Brüder

sogleich auf den Weg, um dem Vater

die gute Nachricht zu bringen:

„Josef, dein Sohn, lebt!“

„Gott hat unsere Schuld aufgedeckt.“ In diesem Schuldbekenntnis gipfelt die hoch dramatisch erzählte Begegnung Josefs mit seinen Brüdern, die gekennzeichnet ist durch ein Wechselbad der Gefühle. Sie beschreibt die Angst der Brüder vor der Begegnung mit dem Ägypter, aber auch ihr Staunen über die gastliche Aufnahme und am Ende ihr Entsetzen und ihre Verzweiflung, als sie Benjamin ausliefern sollen. Aber auch Josef wird in dieser Szene geschildert als einer, der seine Rührung nicht verbergen kann, als er seinen Bruder Benjamin sieht und als Juda sich vor Benjamin stellt und bereit ist, sein Leben als Bürge für ihn einzusetzen.

Damit steht der Weg zur Versöhnung offen und mit ihr wird offenbar: Gott macht seinen Heilsplan durch diese verworrene Familiengeschichte hindurch wahr! Was anfänglich als Infragestellung göttlicher Verheißung erschien, erweist sich nun als weise Führung Gottes, der dieser Familie Zukunft und Hoffnung gewährt. Josef ist es, der gegenüber den Brüdern seinen (unfreiwilligen) Weg nach Ägypten als Teil des göttlichen Heilsplans aufweist. Dies wird in der folgenden Geschichte zusätzlich durch das Wort Gottes bestätigt, das in Beerscheba an Jakob ergeht. So führt am Ende die menschliche Geschichte von Josef und seinen Brüdern wieder auf den übergreifenden Kontext der Geschichte Gottes mit seinem Volk und seinem Stammvater Jakob zurück und gewinnt in diesem heilsgeschichtlichen Horizont ihre eigentliche Tiefenschärfe.

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