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Durch das Schilfmeer

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Exodus 14–15

Und Gott sprach zu Mose:

„Zieht in die Wüste

und lagert euch am Schilfmeer.

Dort wird Großes geschehen.

Die Ägypter sollen

mit eigenen Augen sehen,

was Gott an euch tut.“14,1ff

Als aber der Pharao hörte:

Die Israeliten sind

in die Wüste geflohen,

rief er empört: „Wie?

Dieses Volk kehrt nicht mehr zurück?

Sie wollen keine Sklaven mehr sein?

Warum haben wir sie gehen lassen?

Auf, spannt die Wagen an!

Wir holen sie mit Gewalt zurück.“

Und sogleich bestieg er

seinen königlichen Wagen

und jagte den Israeliten nach,

gefolgt von seinen besten Reitern

und 600 Streitwagen.14,5ff

Inzwischen hatten die Israeliten

ihr Lager am Schilfmeer aufgeschlagen.

Doch plötzlich sahen sie:

Pferde und Wagen jagten heran,

Pharao allen voran.

Sie kamen näher und näher.

Die Israeliten schrien vor Angst.

Vor ihnen lag das Meer

und hinter ihnen brauste

Pharaos Streitmacht heran.

Wohin sollten sie fliehen?

Sie liefen zu Mose, schrien

und klagten ihn an:

„Warum hast du uns das angetan?

Gab es in Ägypten nicht Gräber genug?

Warum hast du uns hierher geführt,

dass wir hier sterben?

Haben wir dir nicht damals gesagt:

‚Lass uns in Ruhe!

Lieber bleiben wir Sklaven,

als hier in der Wüste zu sterben.‘“14,10ff

Doch Mose antwortete ihnen:

„Fürchtet euch nicht!

Bleibt standhaft und seht,

was Gott an euch tut.

Nicht ihr braucht zu kämpfen.

Gott tut es für euch.

Haltet nur stil

und zieht ruhig weiter!“14,13f

Die Israeliten blickten sich um.

Doch weit und breit

war kein Weg zu sehen.

Da hielt Mose seinen Stab

über das Wasser,

wie Gott ihm geboten hatte.

Und das Wunder geschah:

Ein starker Ostwind teilte das Wasser.14,21

Vor ihnen tat sich ein Weg auf,

mitten im Meer.

Auf trockenem Weg

zogen sie durch das Meer.

Wie eine Schutzmauer,

so umgab sie das Wasser

zu beiden Seiten.

Die Wolke aber trat hinter sie

und verhüllte sie vor ihren Verfolgern.

So zogen sie durch die Nacht,

Männer, Frauen und Kinder,

mit all ihrem Hab und Gut

und all ihrem Vieh.14,17ff

Und als endlich der Morgen anbrach,

hatten alle heil das andere Ufer erreicht.

Nur die Ägypter waren noch

mitten im Meer.

Doch ihre schweren Streitwagen

blieben im Schlamm stecken.

Wilde Panik brach aus.

Die Ägypter schrien vor Angst:

„Zurück! Zurück!

Lasst uns fliehen vor ihnen!

Denn ihr Gott kämpft für sie.“14,24f

Und Mose hob noch einmal

seine Hand über das Meer.

Da kehrte das Wasser zurück.

Alle Ägypter ertranken im Meer.

mitsamt ihren Wagen und Pferden.14,26ff

So rettete Gott an diesem Tag

sein Volk vor den Ägyptern.

Die Israeliten sahen staunend das Wunder,

das Gott vor ihren Augen getan hatte.

Da hörten sie auf einmal hellen Gesang.

Mirjam, Moses Schwester, stimmte

zur Handpauke ein neues Lied an.

Jubelnd fielen die anderen Frauen

in ihr Lied ein.

Sie sangen und tanzten im Reigen

und steckten mit ihrem Gesang

das ganze Volk an:

„Singt dem Herrn!

Denn hoch und erhaben ist er.

Ross und Reiter warf er ins Meer.“15,20f

– – –

Dies ist das Lied Moses,

das Gottes Rettungstat

mit eigenen Worten besang:

Ich will dem Herrn singen,

denn er hat eine große Tat getan.

Meine Hilfe und Heil ist der Herr.

Ihm singe ich meinen Lobgesang.

Pharaos Wagen warf er ins Meer.

Seine besten Kämpfer

versanken im Schilfmeer.

Herr, du tust mächtige Wunder!“15,1–19

Das Schilfmeerwunder ist das zentrale Heilsereignis, das Israel in unzähligen Lobliedern besingt und feiert, nicht nur am Pessachfest. Es ist die Geburtsstunde des Volkes Israel. Gott hat sein Volk, wie einst das Kind Mose, „aus dem Wasser gezogen“ und aus dem Tod ins Leben gerufen. „Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn, der vom Tod errettet“ (Ps 68,21). Das ist die Grunderfahrung, die Israel mit diesem Datum verbindet. Im Kontext des Exodusbuchs wird die Bedeutung dieses Ereignisses noch zusätzlich durch seine exponierte Stellung in der Mitte des Buches hervorgehoben. Gleich dreifach wird es in Kap 14 und 15 bezeugt:

(1) Das älteste Zeugnis ist das Lied der Mirjam (15,20f). Es erinnert an die Siegeslieder, die in Israel traditionell von den Frauen angestimmt wurden (vgl. 1. Sam 18,6f).

(2) Das Lied Moses (15,1ff) lässt auf einen Wechselgesang schließen. Die Frauen stimmen ein neues Lied an, die Männer antworten darauf mit einem eigenen Lied. Dieses Lied wurde in späterer Zeit mehrfach erweitert und aktualisiert.

(3) Die einleitende Erzählung vom Schilfmeerwunder (14,1ff) beschreibt Gottes Rettungstat als Schluss- und Höhepunkt der Exodusperikope. Mit ihr wird definitiv der Schnitt zwischen Israels Vergangenheit als Sklavenvolk und seiner künftigen Identität als Volk Gottes markiert. In dieser Erzählung liegt die Betonung nicht primär auf den Wunderzeichen an sich, sondern auf der Erfahrung, die Israel mit seinem Gott auf dem Weg durch das Meer gemacht hat: Er schafft einen Weg, wo kein Weg ist (vgl. Jes 43,16). Er macht das bedrohliche Wasser zur schützenden Mauer und bewahrt es durch die Wolke, ein Zeichen seiner Gegenwart, vor der Aggression seiner Feinde. Dabei wird deutlich: Das Volk kann selbst nichts zu seiner Rettung beitragen. Es kann nur „stillhalten“, im Vertrauen auf Gottes Zusage den Weg wagen und am Ende als Augenzeuge des Geschehens seine Macht und Größe preisen. Es ist dies die Erfahrung, die Israel im Verlauf seiner Geschichte immer wieder machen wird: „Es soll nicht durch Heeresmacht oder (menschliche) Kraft(akte) geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr“ (Sach 4,6).

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