Читать книгу Das Geheimnis von Sunderley - Isa Piccola - Страница 13
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ОглавлениеNachdem die Hausführung beendet war, kehrten wir in den Salon zurück. Hier berichtete Louis LeFroy bei einem Glas Whiskey für die Herren und Sherry für die Damen von seinem nächtlichen Abenteuer nach dem Ball. Wir, das heißt vor allem meine Frau und Helena, ergingen uns in Mutmaßungen über den Tatablauf, den dieser Monsieur Hugues bereits einleuchtend rekonstruiert hatte, und über den möglichen Täter. Ein mißgünstiger ehemaliger Kamerad der Marine? Das wäre so ganz nach Mrs Devanes Geschmack gewesen. Eifersucht und Neid, da konnte sie Geschichten erzählen!
Louis wollte jedoch nicht glauben, daß er sich bei den guten Kameraden Feinde gemacht haben sollte. Ein Widersacher der Familie aus früheren Tagen? Mit dieser Mutmaßung wollte meine Frau etwas mehr über die Vergangenheit der Familie LeFroy erfahren, aber es wurde nicht näher auf diesen Einwurf eingegangen. Schließlich wurde nur Helenas Idee von einem simplen Dieb, der aus dem Kreis der weniger bekannten Ballgäste stammen mußte, nicht verworfen, weil keiner der Herren ein Gegenargument fand. Dennoch war man nicht ganz zufrieden.
Plötzlich erhellte sich die Miene meiner Frau. Ich glaubte, sie hätte einen weiteren Gedanken zum Thema, doch dem war nicht so.
„Mr LeFroy! Ist es nicht so, daß wir uns schon… sagen wir, kennen? Und uns nur für ungefähr dreißig Jahre… aus den Augen verloren haben?“
Der Angesprochene sah sie etwas erstaunt, ja beinahe erschrocken an. Er warf einen kurzen Blick zu seinem Sohn. Dann entspannte sich seine Miene.
„Mrs Devane, ich glaubte nicht, daß jemand ein so gutes Personengedächtnis besitzt. Wie kommen Sie so plötzlich auf diesen Gedanken?“
Catherine triumphierte, das sah ich genau. Sie hatte selbst mich mit ihrer Behauptung überrascht. Als ich daraufhin Mr LeFroy genauer betrachtete, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wie sehr sich ein Mensch in dreißig Jahren verändern konnte! Vielleicht lag es aber auch daran, daß wir uns damals nur ein oder zwei Mal gesehen hatten. Catherine führte nun ihre Erkenntnisse aus:
„Sie waren damals unsere Nachbarn. Die Nachbarn, die niemals etwas mit uns zu tun haben wollten. Bis Sie Stonehall verkauft haben. Aber Sie haben auch den Namen geändert. Deswegen konnte ich Sie nicht auf den ersten Blick einordnen. Aber ich habe noch auf dem Ball zu William gesagt, daß ich Sie schon einmal gesehen habe. Wir waren damals sehr verwundert, daß Sie so plötzlich Stonehall verlassen hatten… “
LeFroy seufzte tief und erklärte etwas ausweichend:
„Ja, nun… Wir sind damals nach Paris gegangen. Nach dem Tod meiner Frau hielt es mich nicht mehr in Stonehall. Jeder Raum, jedes Möbelstück atmete ihren Geist. Es war unerträglich für mich. Daher verkauften wir den Besitz an einen Mr Berket, der ihn uns vor fünf Jahren – für viel zu teures Geld – wieder überlassen hat.“
Meine Frau war noch nicht zufrieden mit dieser Auskunft:
„Bitte, Mr LeFroy, ich überlege seit Tagen, welchen Namen Sie damals trugen. Es will mir einfach nicht einfallen.“
LeFroy runzelte ein wenig mißbilligend die Stirn, antwortete aber schließlich:
„Sie wissen den Namen wirklich nicht mehr?“ Catherine schüttelte den Kopf. „Nun, er lautete Deveux. Wir haben französische Vorfahren. LeFroy ist der Mädchenname meiner verstorbenen Frau.“
Offensichtlich wollte er nicht erklären, warum er den Geburtsnamen seiner Frau angenommen hatte, und es ging uns ja auch nichts an. Doch Catherines Neugier war geweckt, und dann ließ sie nicht so schnell von ihrem Untersuchungsgegenstand ab. So setzte sie das Gespräch in ihrer unnachahmlich aufdringlichen Weise fort:
„Ah, ich erinnere mich! Natürlich, der Name lautete Deveux… Ich hatte ihn schlichtweg über die Jahre vergessen. Sehr interessant, Mr LeFroy. Wissen Sie, was ich mich all die Jahre gefragt habe? Weshalb bestand zwischen unseren Familien diese jahrhundertealte Fehde? Mein Onkel Robert, der nach dem frühen Tod meiner Mutter mein Vormund wurde, warnte mich stets vor den Deveux. Er nannte aber nie einen Grund! Er sagte nur, daß die Deveux uns nicht wohlgesinnt wären. Was ist da nur vorgefallen?“
LeFroys Miene hatte sich etwas verdüstert. Er bemühte sich zwar um ein unverbindliches Lächeln, doch es erreichte nicht seine Augen:
„Mrs Devane… es wird Ihnen albern erscheinen, aber auch ich kenne den Grund für diese Fehde nicht mehr. Er muß über all die Generationen vergessen worden sein. Mein Vater war zwar auf Ihre Familie überhaupt nicht gut zu sprechen - er meinte stets, daß uns Deveux durch die Devanes vor Jahrhunderten ein großes Unrecht geschehen wäre. Aber was genau damals vorgefallen war, konnte – oder wollte – er mir nicht sagen. Doch ist das nicht im Grunde genommen gut so? Damit können wir sozusagen von vorne beginnen. Alles ist vergessen, und damit auch vergeben. Was auch immer es gewesen sein mag. Lassen Sie uns auf gute Nachbarschaft anstoßen!“
Er erhob sein Glas und brachte einen Toast aus, in den alle Anwesenden einstimmten. Wieder versuchte er, das Thema zu wechseln - er wandte sich diesmal an mich mit einer überraschenden Frage:
„Verzeihen Sie die indiskrete Frage, Mr Devane, wir kennen uns schließlich erst seit kurzer Zeit, aber... haben Sie schon Pläne für die Zukunft Ihrer reizenden Töchter?“
Mrs Devane war unerhört erfreut über diesen Vorstoß, das sah ich an ihrem umwerfenden Lächeln, welches sie unserem neuen und alten Nachbarn schenkte. Sie ließ mich nicht zu Wort kommen, sondern antwortete an meiner statt:
„Mr LeFroy, Sie sind wahrlich sehr direkt. Ich will ebenso offen sein: im Vertrauen gesagt, nein. Bislang hat sich noch kein konvenabler junger Mann gefunden. Allerdings muß ich gestehen, daß ich dabei bin, eine engere Wahl zu treffen.“
In diesem Moment nahm ihr glücklicherweise ein unerhört heftiger Donnerschlag die Möglichkeit, ihre weiteren Pläne darzulegen. Ein Blitz mußte irgendwo eingeschlagen haben. Alle sahen sich erschrocken an.
„Mein Gott,“ stotterte Catherine, „das klang so nah… und so heftig, als ob…“
Ihr Blick wanderte zum Fenster, und unwillkürlich folgten ihr aller Augen. Ganz entfernt konnte man einen hellen Schein sehen. Ein jeder war wie erstarrt. LeFroy faßte sich als erster und eilte zum Fenster. Er blickte eine Weile hinaus in die Dunkelheit und rief dann:
„Mein Gott!! Das ist unser Haus! Es brennt!!“
Er wandte sich kreidebleich an seinen Sohn. Das blanke Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Louis, wir müssen sofort heim. Deine Tante!“
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