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Der Ball der LeFroys wurde für mich so demütigend, wie ich es erwartet hatte.

Wohin ich auch ging, ich spürte die meist abwertenden, selten auch mitleidigen Blicke der anderen Gäste. Einzig der Gastgeber, Edward LeFroy, schien sich nicht an meinem Aussehen zu stören und behandelte mich zuvorkommend. Doch das war nur ein Moment unter vielen, die grausam waren. Deswegen versuchte ich, allen aus dem Weg zu gehen und mich in eine unbeobachtete Ecke zurückzuziehen.

Doch irgendwann hielt ich es drin nicht mehr aus und floh in den Garten. Er war zwar kaum beleuchtet, aber der Mond schien, so daß ich einen Weg finden konnte, der vom Haus und von den vielen selbstgefälligen Menschen wegführte. Vorsichtig begab ich mich in einen etwas abgelegeneren Teil und fand dort einen kleinen Teich. Hier würde ich meine Ruhe haben und könnte dennoch das Haus gut beobachten. So würde ich bemerken, falls mich jemand suchte – was sicherlich nicht der Fall wäre.

Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich ganz in der Nähe des Teiches eine kleine Marmorbank. Ein idealer Platz, um ein wenig zu träumen. Sie schien sauber zu sein und so setzte ich mich und betrachtete die ruhige Oberfläche des Wassers. Der Mond spiegelte sich darin. Es war fast Vollmond. Meine Gedanken schweiften zurück zu meiner Begegnung mit dem unbekannten jungen Mann vom Vortag. Wer war er? Wenn er im Dorf wohnte, warum war ich ihm noch nie begegnet? Und warum war er auf einmal so schweigsam geworden? Er hatte gesagt, er lebte etwas außerhalb des Dorfes. Soviel ich wußte, gab es nur ein einziges Haus, das etwas abseits stand – die alte Hütte von Maud Emmerane. Sollte sie gestorben sein, und ein Fremder hatte die Hütte gekauft?

Allmählich begann ich zu frösteln. Die Nachtluft war doch schon kühler als erwartet. Warum hatte ich mir auch nicht meinen Umhang mitgenommen? Gerade überlegte ich, ihn aus der Garderobe zu holen, als neben mir eine bekannte Stimme sagte:

„Bemühen Sie sich nicht. Ich leihe Ihnen meinen Mantel.“ Erschrocken drehte ich mich um. Er war es tatsächlich. An meinem entsetzten Gesichtsausdruck schien er meine Gedanken zu erraten, denn er trat einen Schritt zurück und stotterte plötzlich: „Bitte, ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich war nur zufällig hier in der Gegend und wollte einmal schauen, wer auf diesem Ball ist… Da sah ich Sie und dachte, daß Ihnen kalt sein mußte…“

Stumm nickte ich und wartete darauf, daß er mir den Mantel umlegte, was er nach kurzem Zögern auch tat.

„Danke.“

In meinem Kopf drehte sich alles. Wie nur konnte ich das Gespräch aufrecht erhalten? Wie konnte ich verhindern, daß er wieder ging? Was sagte man in einer solchen Situation?

„Sie… Sie sind also zufällig hier vorbeigekommen?“

Er kam wieder einen Schritt auf mich zu und sah mir mit diesen blauen Augen so durchdringend ins Gesicht, daß ich den Blick senken mußte. Dann sagte er:

„Ja, nun… mehr oder weniger. Ich wollte einfach sehen, wer auf diesen Ball kommt. Und… ich habe gehofft, einmal einen Blick auf die mysteriösen Eigentümer von Stonehall werfen zu können. Sie sagten ja gestern selbst, daß wohl kaum ein Mensch sie bisher zu Gesicht bekommen hat. Ich frage mich, weshalb sie so zurückhaltend sind… Wissen Sie, ich kannte die früheren Besitzer…“ Plötzlich brach er ab, als ob er fühlte, zu viel gesagt zu haben. Erstaunt hakte ich dennoch nach: „Sie kannten die früheren Besitzer? Sie meinen nicht Mr Berket, sondern die Familie, von welcher er Stonehall erworben hat? Die vorher hier gewohnt hat?“

„Ja.“

„Aber … ich erinnere mich nicht mehr an den Namen der Familie… doch ich weiß, daß sie von hier fortgegangen sind, als ich noch nicht einmal geboren war. Sie kannten sie demnach noch aus Ihrer Kindheit? Bevor Sie nach Paris gegangen sind?“

„In der Tat.“ Er schien nicht viel über seine Vergangenheit sagen zu wollen und wurde wieder so einsilbig wie am Vortag. Also versuchte ich es mit einer Platitüde, um das Gespräch in Gang zu halten:

„Paris muß eine faszinierende Stadt sein. Eines Tages möchte ich sie sehen.“

Er schüttelte den Kopf.

„Ich muß Sie enttäuschen, Miss. Paris ist eng und schmutzig. Keine Stadt, in der man gern leben möchte, außer, man ist dazu gezwungen.“

Bei seinen Worten zuckte ich zusammen, doch nicht wegen seiner Einschätzung von Paris, sondern wegen seiner Verwendung des Wortes „Miss“:

„Wir haben uns einander noch nicht einmal vorgestellt.“

Er lächelte, doch ein wenig traurig, wie mir scheinen wollte, trat einen Schritt zurück, verneigte sich leicht und sagte:

„In der Tat. Verzeihen Sie bitte diesen Fauxpas. Mein Name ist Jean.“

„Jean…. ?“

„Einfach Jean.“

„Ein ungewöhnlicher Name.“

„Ja. Meine Mutter mochte die französische Sprache.“

„Ihre Mutter? Sie lebt noch in der Gegend?“

„Ja. Und wie ist Ihr werter Name?“

„Elizabeth Devane.“

Er griff nach meiner Hand und hauchte einen Kuß darauf. Mir wurde seltsam heiß.

„Miss Devane, ich freue mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.“

Wir unterhielten uns eine Zeitlang weiter über belanglose Dinge. Wir tauschten uns aus über Paris, kamen von da zur Kunst und zur Literatur. Wie ich mochte er französische Autoren wie Balzac und Hugo; er bewunderte Delacroix und Ingres, deren Werke er in Paris studiert hatte. Er gab mir das Gefühl, sich wirklich für das zu interessieren, was ich sagte, und ich hing an seinen Lippen, wenn er über die Welt da draußen sprach, die ich so wenig kannte. So viel wie in diesen Minuten hatte ich in der vergangenen Woche nicht mit meiner Familie geredet. Wer war dieser mysteriöse Mann, der in mir unbekannte Gefühle weckte? Gern hätte ich mehr über ihn selbst erfahren, doch wagte ich nicht, das Thema noch einmal anzusprechen.

Plötzlich merkte ich, wie er nervös wurde. Seine Augen wanderten unruhig umher. Dann sagte er hastig:

„Ich sehe jemanden kommen. Bitte entschuldigen Sie mich. Ich… ich möchte nicht, daß man mich hier sieht. Leben Sie wohl.“

Schon war er im Dunkel der Nacht verschwunden, so, wie er gekommen war.

Dieser Abend sollte der Beginn meines Lebens werden.

***

Das Geheimnis von Sunderley

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