Читать книгу Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl - Jan Quenstedt - Страница 78
Оглавление1.2 Formale Hinweise
Mit der avisierten Vorgehensweise ist eine Vielzahl von methodologischen und strukturellen Herausforderungen verbunden, die eine vorausgehende Reflexion erforderlich machen.1 Alle Problembereiche sind unter der Trias Zeit – Raum – Grenzen greif- und behandelbar.
1.2.1 Zeit
Unter dem Begriff der Zeit ist zu fragen, aus welchem Zeitraum die zu betrachtenden Quellen sinnvollerweise stammen müssen bzw. stammen sollten. Die bereits zitierte Monographie von Udo Schnelle skizziert z.B. den Weg des Christentums im Zeitraum zwischen 30 und 130 n. Chr. Als Ausgangspunkt seiner Darstellung wählt er das Todesjahr Jesu, das er als Startpunkt der „neuen Bewegung der Christusgläubigen“1 beschreibt. Markus Öhler hingegen beendet seine Darstellung der Geschichte des frühen Christentums mit dem Jahr 135 n. Chr., in dem der „2. Judäische[…] Aufstand“2 endete. Für die vorliegende Fragestellung kann dieser Zeitraum noch weiter ausgezogen werden und muss auf kein absolutes Datum begrenzt werden. Vielmehr ist der Gedanke im Blick zu behalten, dass die christliche Auseinandersetzung mit dem antiken Vereinigungs- und Verbandswesen sowie sozial-fürsorglichen Vollzügen nur plausibel erscheint, wenn den genannten Vollzügen und Vereinigungen auch eine weitgehende gesamtgesellschaftliche Anerkennung zukommt und sie einen gewissen geographischen Verbreitungsgrad erreicht haben.3 Vor diesem Hintergrund ist ein verlängerter Zeitraum der Betrachtung vorzuschlagen und als konkreter heuristischer Untersuchungszeitraum eine Periode von 400 Jahren zu nennen – angefangen im zweiten vorchristlichen Jahrhundert bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts nach Christus.4 Dieser Zeitraum nimmt den o.g. Gedanken der gesellschaftlichen Etablierung auf, sodass auch eine Auseinandersetzung der frühen christlichen Gemeinden mit verschiedenen Phänomenen des antiken VereinigungswesensVereinigungswesen denkbar erscheint. Zugleich umfasst er notwendigerweise den Entstehungszeitraum der neutestamentlichen Schriften, die als Vergleichscorpus zu den Zeugnissen der Vereinigungen dienen. Eine weitere Ausdehnung des Untersuchungszeitraumes bis in das dritte Jahrhundert nach Christus ist darum als nicht sinnvoll zu erachten, insofern keine Untersuchung des Einflusses der antiken Umwelt auf die neutestamentlichen Schriften mehr durchführbar ist. Ab diesem Zeitpunkt wäre vice versa die Fragestellung auf die Frage nach christlichen Einflüssen auf die griechisch-römische Gesellschaft zu stellen. Den Quellen muss mithin eine temporäre Plausibilität eigen sein.
1.2.2 Raum
Mit dem Begriff des Raumes werden mehrere Problemhorizonte und Frageperspektiven angesprochen: Im engen Verständnis des Worts ist zu reflektieren, aus welchen geographischen Gebieten die untersuchten Quellen stammen und ob sie aufgrund ihrer geographischen Lokalisation einen Einfluss auf die Gemeinden der neutestamentlichen Schriften bzw. ihrer Autoren haben konnten. Dieses Kriterium wird nachfolgend mit dem Begriff der geographischen Plausibilität beschrieben. Der Nachweis einer vorhandenen MobilitätMobilität wird zuvor im Rahmen der historischen Problemskizze erbracht.1
Weiterhin ist zu fragen, ob sich die Art der in den Quellen beschriebenen sozialen Vollzüge eignet, um mit den christlichen Gemeinden in einen Vergleich einbezogen zu werden. Für die Bestimmung der situativen Plausibilität ist zu fragen, ob sich anhand des Programms und der Ausrichtung der jeweiligen Vereinigung bzw. des jeweiligen Zusammenschlusses Motive sozial-fürsorglichen HandelnsHandeln, sozial-fürsorglich erkennen lassen können.
1.2.3 Grenzen
Unter dem Begriff der Grenzen sind mehrere Problemfelder subsumiert, die sich im Kern auf die MitgliederMitglied antiker Vereinigungen und Verbände fokussieren. Zunächst ist zu fragen, wer Mitglied der jeweiligen Vereinigung werden konnte und welche Bedingungen an einen Beitritt geknüpft waren. Da bereits oben situative Plausibilität als Kriterium festgehalten wurde, kann an dieser Stelle geprüft werden, welche Bedingungen zu erfüllen waren, um die FürsorgeFürsorge der Vereinigung genießen zu können. Ferner die Frage, ob die Vereinigung nur für ihre eigenen MitgliederMitglied sorgte oder auch Außenstehende zu Nutznießern werden konnten. Letztlich ist das interne hierarchische Gefüge in den Blick zu nehmen, das unter Umständen einen Einfluss auf die Kultur der FürsorgeFürsorge haben könnte. Die Darstellung dieser Grenzen geschieht unter dem Begriff der soziologischen Plausibilität.
1.2.4 Methodischer Leitfaden
Die Untersuchung der Quellen entspricht den oben dargestellten methodischen Vorbemerkungen und vollzieht die Überprüfung der Plausibilitäten implizit in folgender Reihenfolge:
1 Temporäre Plausibilität
2 Geographische Plausibilität
3 Situative Plausibilität
4 Soziologische Plausibilität
Die Durchführung dieser Untersuchung anhand ausgewählter Quellentexte ermöglicht eine Antwort auf die Frage, ob Wechselwirkungen zwischen antikem VereinigungswesenVereinigungswesen und christlichen Gemeinden nachweisbar sind. Fokussiert ist die Untersuchung in der vorliegenden Studie aber nur auf die paganen Einflüsse auf christliche Kontexte und Denkhorizonte. Weiterführend könnte die Frageperspektive auch wechselseitige Einflüsse untersuchen. Die Betrachtung der skizzierten Plausibilitäten ist als Zwischenschritt zu verstehen, der zunächst ein grundlegendes Verständnis für die konkreten Quellen eröffnen soll. Die genannten Plausibilitätskriterien helfen bei der Einschätzung der vermeintlichen Bedeutung der Quellen für die vorliegende Forschungsfrage.