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Schlussbetrachtung

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Zwischen 2000 und 2010 modernisierte sich der Fußball grundlegend und wirkte sich ebenso grundlegend auf die Situation der traditionell eingestellten Fans aus. Dies hatte sowohl positive als auch negative Auswirkungen. Die flächendeckende Erneuerung der Stadionlandschaft, die Steigerung des Zuschauerkomforts, die Verbreiterung des Informationsangebots und die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit standen gegen die Ausweitung der Kommerzialisierung, die Zunahme von „Retortenvereinen“, die Veränderung von Anstoßzeiten und den Verlust von Tradition.

Auffallend ist, dass sich trotz der Einengung der Spielräume für Hooligans in den beiden obersten Spielklassen und einer Verringerung ihres Personenpotenzials die Anzahl der Strafverfahren zum Ende des Jahrzehnts erheblich erhöhte. Die Gesamtzahl eingeleiteter Strafverfahren stieg von 4.577 in der Saison 2007/08 auf 6.030 in der Spielzeit 2008/09, um in der Folgesaison mit 6.043 Taten auf diesem Niveau zu verweilen.34 Diese Zahlen lassen jedoch unterschiedliche Sichtweisen zu, denn die Zunahme der Strafverfahren bedeutete nicht automatisch, dass sich die Gefährdung für den durchschnittlichen Stadionbesucher erhöht hatte. Eine Ursache für den Anstieg könnte auch darin gelegen haben, dass die Polizei stärker gegen vermehrt Pyrotechnik einsetzende Ultras vorging und es dabei zu Widerstandshandlungen kam. So erhöhte sich zum Ende des Jahrzehnts die Zahl der wegen des Einsatzes von Pyrotechnik eingeleiteten Verfahren stark, was das ohnehin konfliktträchtige Verhältnis von Polizisten und Ordnern zu Ultras weiter verschlechterte. Die Bewegung der Ultras entfaltete sich parallel zur Modernisierung des Fußballs, möglicherweise auch aufgrund dieser, und ihr auf Hingabe zu ihren Klubs beruhender Anspruch musste zwangsläufig mit den Interessen derer kollidieren, die in den Vereinen vor allem mittelständische Wirtschaftsbetriebe sahen. Auf die zunehmende Kommerzialisierung reagierten insbesondere Ultras mit einer Haltung gegen den „modernen Fußball“.

Die Veränderungen des deutschen Fußballs im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends führten nicht nur zu erheblichen Verbesserungen für Stadionbesucher, sondern verdeutlichten, dass sich die Interessen von Funktionären, Wirtschaftsakteuren, Medienschaffenden und Polizisten von denen vieler traditionell eingestellter Fans unterschieden, wodurch sich Konfliktfelder ergaben, die einen Einfluss auf die Zunahme von Straftaten gehabt haben dürften. Seitdem müssen insbesondere traditionsbewusste Vereinsanhänger individuell für sich entscheiden, ob und wie sie auf diese Situation reagieren.

Ultras im Abseits?

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