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Entstehung von Fanidentität in England

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In England kam es Mitte des 19. Jahrhunderts zu bedeutenden demografischen Veränderungen. Die ländliche Bevölkerung zog es mehr und mehr in die Stadt. Die Folge war die Entkopplung traditioneller kultureller Manifestationen, wie z. B. der auf dem Land üblichen regelmäßigen Feste, die den sozialen Austausch und Zusammenhalt förderten. Die nun entstandenen Löcher im sozialen Netz mussten, wie Brändle und Koller feststellen, geflickt werden:35

„Hier bot und bietet der Fußball auch heute noch ein leicht zugängliches und vor allem unverbindliches Identitätsangebot. Denn man kann sich sicher sein, im Stadion die ‚Anderen‘ zu treffen.“36

Hier begegnet man gleichgesinnten Menschen und weiß, dass dies am nächsten Spieltag wieder der Fall sein wird.37

Der primäre Grund für den Massenboom im englischen Fußball liegt aber in der Arbeitszeitverkürzung und den sinkenden Lebenshaltungskosten. Diese brachten dem Großteil der englischen erwerbstätigen Bevölkerung, der damals ca. 80 Prozent betrug, mehr Freizeit und Geld ein, und so strömten die Arbeiter in bestehende Vereine oder gründeten eigene Arbeitersportvereine.38 Während die Dominanz der Arbeitervereine immer deutlicher wurde, fanden sich Freunde und Arbeitskollegen am Spielfeld ein, um sie anzufeuern.39

Brändle und Koller machen noch zwei weitere Gründe für den Siegeszug des Fußballs aus, indem sie weitere Hintergründe der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte beleuchten. So beschreiben sie die Affinität des Sports zur Industriearbeit, welche von Einsatz, Kondition und Robustheit geprägt war. Genau diese Eigenschaften wurden auch auf dem Rasen benötigt. Des Weiteren ließ der Fußball Platz für Kreativität und Eigensinn in der so stark reglementierten Industriearbeit.

Den Arbeitern stand, wie oben gezeigt, nun mehr Freizeit zur Verfügung, die es sinnvoll zu nutzen galt. Unternehmen sowie verschiedenste Konfessionen förderten die Gründung von Vereinen, denn es wurde befürchtet, dass die gewonnene Freizeit mit Herumlungern und Sichbetrinken gefüllt werden würde. Hier sehen Brändle und Koller den zweiten wichtigen Faktor zur Entstehung des Massenphänomens Fußball.40

Ultras im Abseits?

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