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c) Die Entstehung des Titelschutzes durch Titelschutzanzeige

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Nach hM kann der Werktitelschutz auch durch eine branchenübliche Ankündigung des Werktitels in Form einer Titelschutzanzeige und damit unabhängig von einer namensmäßigen Ingebrauchnahme auf einen Zeitpunkt verlegt werden, welcher der tatsächlichen Veröffentlichung des Werkes vorgelagert ist (Ingerl/Rohnke § 5 Rn 88; Fezer § 15 Rn 322–326; BGH NJW 1989, 3014 f – Titelschutzanzeige; BGH GRUR 2001, 1054 – Tagesreport; BGH GRUR 2009, 1055 Rn 43 – airdsl; OLG Köln GRUR 1989, 690, 691 – High Tech; OLG München NJW-RR 1994, 556 – Die da; OLG Hamburg WRP 1996, 322; OLG Hamburg WRP 2002, 337 – Bremer Branchen). Neben der förmlichen Titelschutzanzeige (vgl ein entsprechendes Muster bei Deutsch/Ellerbrock Anhang IV.1.) können auch andere Titelankündigungen genügen, etwa dann, wenn in einer bestimmten Branche einschlägige Fachzeitschriften als Veröffentlichungsmedium für Anzeigen nicht existieren (vgl Ingerl/Rohnke § 5 Rn 89). Die Ankündigung muss jedoch immer in branchenüblicher Art und Weise erfolgen, um die Nachforschungspflicht der Mitbewerber nicht über Gebühr zu strapazieren (BGH NJW 1989, 3014, 3016 – Titelschutzanzeige). Bloße Pressemitteilungen, etwa im redaktionellen Teil einer Tageszeitung, reichen jedenfalls nicht aus (BGH NJW 1989, 3014, 3016 – Titelschutzanzeige). Auch Werbemaßnahmen (BGH WRP 1998, 877, 880 – WINCAD; OLG Köln GRUR 1989, 690, 692 – High Tech) oder die Registrierung einer Internet-Domain (OLG München GRUR 2001, 522, 524 – Kuecheonline) können die Titelschutzanzeige nicht ersetzen.

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Die Rechtswirkungen der Titelschutzanzeige treten dann nicht ein, wenn das entsprechende Werk nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach der Veröffentlichung der Anzeige fertiggestellt wird (BGH NJW 1989, 3014, 3015 – Titelschutzanzeige; zu dieser Frist im Einzelnen unten Rn 101) oder wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Titelschutzanzeige veröffentlicht wird, noch nicht mit ernsthaften Vorbereitungshandlungen zur Herstellung des Werks begonnen worden ist (wohl hM, vgl Heim AfP 2004, 19, 20 f mwN). Der BGH ordnet das Schalten einer Titelschutzanzeige als Ausnahme von der Schutzentstehung durch Ingebrauchnahme ein (BGH NJW 1989, 3014, 3015 – Titelschutzanzeige). Die Vorverlegung des Werktitelschutzes erklärt sich im Falle der Titelschutzanzeige nicht damit, dass die Titelankündigung rechtlich bereits als Benutzung gewertet wird; sie beruht vielmehr auf einer aus Gründen des Verkehrsbedürfnisses angenommenen fingierten Ingebrauchnahme (BGH NJW 1989, 3014, 3015 – Titelschutzanzeige). Nach wohl überwiegender Auffassung soll das Tagesreport-Urt des BGH (GRUR 2001, 1054) so zu verstehen sein, dass sich diese Fiktion nur auf den Prioritätszeitpunkt des Werktitelrechts bezieht (Deutsch GRUR 2002, 308, 313; Heim AfP 2004, 19). Ein Ausschließlichkeitsrecht am Titelzeichen entsteht also nicht bereits durch die Titelschutzanzeige, sondern erst mit der konkreten Benutzungsaufnahme, dann aber bereits ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Titelschutzanzeige (OLG Hamburg WRP 2002, 337 – Bremer Branchen). Die Beschränkung der Fiktion auf die prioritätswahrende Wirkung entspricht dem generellen Wunsch der hM, die Grenzen der rechtsbegründenden Wirkung der Titelschutzanzeige aufgrund ihres Ausnahmecharakters eng zu ziehen (Fezer § 15 Rn 325; OLG Köln GRUR 1989, 690, 692 – High Tech). Zur Rechtfertigung der Fiktionswirkung der Titelschutzanzeige verweist der BGH auf die Interessen des den Titel ankündigenden Unternehmers, der zwecks Absicherung seiner Investitionen die Mitbewerber zum einen zur raschen Geltendmachung ihrer besseren Rechte durch Widerspruch veranlassen, diese zum anderen aber auch von der Wahl identischer oder ähnlicher Titel abhalten will (BGH NJW 1989, 3014, 3015 – Titelschutzanzeige; OLG Köln GRUR 1989, 690, 691 – High Tech). Die Titelschutzanzeige muss den Namen des anzeigenden Unternehmens nicht nennen („anonyme“ Titelschutzanzeige; so BGH NJW 1989, 3014, 3015 – Titelschutzanzeige; aA Görden 235 f, 252, 399).

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Die Vorverlagerung des Prioritätszeitpunkts des Werktitelrechts durch Titelschutzanzeige ist im Hinblick auf die immaterialgüterrechtlichen Grundlagen des Kennzeichenschutzes fragwürdig. Die rechtsbegründende Wirkung der Ingebrauchnahme eines Kennzeichens ergibt sich im Allgemeinen daraus, dass der Vermögenswert, der einer von Anfang an kennzeichnungskräftigen Bezeichnung innewohnt, auch von Beginn an durch verwechslungsfähige Gegnerzeichen gefährdet ist, welche die individualisierende Wirkung der Erstbezeichnung abschwächen oder aufheben können (zur Individualisierungskraft der geschäftlichen Bezeichnungen, die diese zu einem vermögenswerten Immaterialgut werden lässt, vgl oben Rn 5 f). Die vom BGH für die Vorverlegung des Titelschutzes aufgrund Titelschutzanzeige gegebene Begründung ist – im Unterschied zur schutzbegründenden Ingebrauchnahme – von dem Schutz einer geschäftlichen Bezeichnung als Immaterialgut unabhängig und damit im Hinblick auf die dogmatischen Grundlagen des Kennzeichenrechtes systemwidrig. Die Titelschutzanzeige will nicht den in der geschäftlichen Bezeichnung verkörperten Vermögenswert schützen, sondern Investitionen des Unternehmers, die der Werkherstellung vorangehen und damit zu einem Zeitpunkt erfolgen können, zu dem noch kein Werk existiert und der angezeigte Titel deshalb noch keine (vermögenswerte) individualisierende Wirkung entfalten kann. Darüber hinaus setzt die Schutzbegründung durch Titelschutzanzeige auch keine Situation voraus, in der es zu Verwechslungen kommen kann, da sie sich nicht an die Verbraucher, sondern an die Mitbewerber richtet (vgl BGH NJW 1989, 3014, 3016 – Titelschutzanzeige). Die Gefährdung eines Kennzeichens als vermögenswertes Immaterialgut beruht darauf, dass ein Gegnerzeichen aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise – bei Werken in erster Linie das Publikum – mit der Erstbezeichnung verwechslungsfähig ist. Ist schon fraglich, ob die Mitbewerber überhaupt zu den beteiligten Verkehrskreisen zu zählen sind, da sie nicht zu den Abnehmern des Werkes gehören (vgl BGH NJW 1993, 1466, 1467 – Verschenktexte II), werden Mitbewerber aufgrund ihrer größeren Sachkenntnis auch weit seltener als das große Publikum Verwechslungen unterliegen. Die Voraussetzungen einer Titelschutzanzeige entsprechen daher nicht der Situation einer Gefährdung des Werktitels durch verwechslungsfähige Zweitbezeichnungen.

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Die Bedenken gegenüber der schutzbegründenden Wirkung einer Titelschutzanzeige verstärken sich noch, wenn der BGH sog Sammeltitelschutzanzeigen akzeptiert, also die Anzeige mehrerer Titel, von denen dann regelmäßig nur einer tatsächlich verwendet wird (BGH NJW 1989, 3014 f – Titelschutzanzeige; ausf zur Sammeltitelschutzanzeige GK/Teplitzky § 16 Rn 102). Der BGH lässt bei der Sammeltitelschutzanzeige, wenn nicht schon mit dem von einem konkreten Werk unabhängigen vorverlegten Titelschutz aufgrund Titelschutzanzeige allg, die Entstehung eines Titelschutzes ohne Werk zu, obwohl zumindest bei der Entstehung der Titelrechte ein isolierter Titelschutz von der ganz hM abgelehnt wird (Deutsch GRUR 1994, 673, 678). Wird die Titelschutzanzeige in Rspr und Schrifttum auch allg akzeptiert, regt sich gegen die Sammeltitelschutzanzeige im Schrifttum jedoch zu Recht Widerstand (Heim AfP 2004, 19, 24 f mwN; Görden 228 ff, 253 ff, 399 f).

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Das Titelschutzanzeige-Urt des BGH (NJW 1989, 3014) wirft – abgesehen von den genannten grundlegenden Einwänden – im Hinblick auf die weiteren Voraussetzungen der prioritätswahrenden Wirkung der Titelschutzanzeige Fragen auf, die der BGH bisher nicht beantwortet hat. So trifft der BGH weder eine Aussage darüber, in welchem Stadium sich das Werk befinden muss, wenn die Titelschutzanzeige erscheint, noch wird zu der Frage Stellung genommen, welcher Zeitraum zwischen dem Erscheinen der Anzeige und der Veröffentlichung des Werkes als angemessen anzusehen ist (vgl GK/Teplitzky § 16 Rn 100; OLG Hamburg WRP 1996, 322 f). Beide Fragen lässt der BGH offen, da der Zeitraum zwischen Ankündigung und Benutzungsaufnahme im konkreten Fall mit 2 1/2 Monaten auf jeden Fall angemessen gewesen sei (BGH NJW 1989, 3014, 3016 – Titelschutzanzeige; ähnlich OLG Köln GRUR 1989, 690 f – High Tech, das beim Vorliegen einer angemessenen Frist von einer „faktischen Vermutung“ dafür ausgeht, dass sich das Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige in einem hinreichenden Herstellungsstadium befunden habe). Nach der instanzgerichtlichen Rspr ist ein Zeitraum zwischen Anzeige und Werkveröffentlichung von 2–5 Monaten auf jeden Fall angemessen (vgl Ingerl/Rohnke § 5 Rn 88 mwN; vgl auch OLG Hamburg WRP 2002, 337 – Bremer Branchen; zum entspr Zeitraum bei Sammeltitelschutzanzeigen vgl OLG Hamburg WRP 1996, 322, 323 f). Als Anhaltspunkte für die Angemessenheit nennt das Schrifttum für Druckschriften 6 Monate und für Filmwerke 12–18 Monate (Görden 356 mwN). Im Hinblick auf den notwendigen Bearbeitungszustand des Werkes zum Zeitpunkt der Anzeige fordert die wohl überwiegende Auffassung den Beginn ernsthafter Vorbereitungshandlungen (GK-Teplitzky § 16 Rn 100; Heim AfP 2004, 19, 20 f mwN; OLG Köln GRUR 1989, 690, 691 – High Tech). Ist das Werk jedoch schon ernsthaft in der Entstehung begriffen, bedarf es der fingierten Ingebrauchnahme durch die Titelschutzanzeige dann nicht mehr, wenn man – wie die wohl hL (so etwa Deutsch GRUR 1994, 673, 678; weitere Nachweise bei Heim AfP 2004, 19 Fn 3) – auch bereits konkretisierte Werkkonzepte als taugliche Bezeichnungsobjekte anerkennt. Dagegen lehnt die Rspr einen vorgelagerten Titelschutz ohne Titelschutzanzeige offenbar überwiegend ab (zum Meinungsstand von Gierke FS Ullmann [2006], S 207, 214 ff).

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