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§ 6 Vorrang und Zeitrang

(1) Ist im Falle des Zusammentreffens von Rechten im Sinne der §§ 4, 5 und 13 nach diesem Gesetz für die Bestimmung des Vorrangs der Rechte ihr Zeitrang maßgeblich, wird der Zeitrang nach den Absätzen 2 und 3 bestimmt.

(2) Für die Bestimmung des Zeitrangs von angemeldeten oder eingetragenen Marken ist der Anmeldetag (§ 33 Abs. 1) oder, falls eine Priorität nach § 34 oder nach § 35 in Anspruch genommen wird, der Prioritätstag maßgeblich.

(3) Für die Bestimmung des Zeitrangs von Rechten im Sinne des § 4 Nr. 2 und 3 und der §§ 5 und 13 ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem das Recht erworben wurde.

(4) Kommt Rechten nach den Absätzen 2 und 3 derselbe Tag als ihr Zeitrang zu, so sind die Rechte gleichrangig und begründen gegeneinander keine Ansprüche.

Kommentierung

I.Vorrang älterer Marken1

II.Maßgeblichkeit des Anmeldetages2

III.Keine Zeitrangverschiebung im Löschungsverfahren3

IV.Zeitrang bei nicht registrierten Kennzeichen4

V.Gleichrangigkeit bei gleichem Zeitrang5, 6

Literatur:

Knaak Der Schutz der nicht eingetragenen Kennzeichenrechte im vereinigten Deutschland, GRUR 1991, 891; Kock Abschied von der Unterscheidung zwischen warenzeichenmäßigem und firmenmäßigem Gebrauch, GRUR 1992, 667; Schöne/Wüllrich Das Prioritätsprinzip im Markenrecht am Beispiel der Kollision von älterer Marke und jüngerer geschäftlicher Bezeichnung, WRP 1997, 514; Schultz-Süchting Kennzeichnungsrecht im vereinigten Deutschland, GRUR 1992, 481.

I. Vorrang älterer Marken

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In Abs 1 ist der beim Aufeinandertreffen von Marken maßgebliche Grundsatz der Priorität verankert. Da vom Zusammentreffen von Rechten nach §§ 4, 5 und 13 die Rede ist, kommt hierin der Grundsatz der Gleichwertigkeit unterschiedlicher Kennzeichenrechte zum Ausdruck. Deshalb gibt es ein kennzeichenübergreifendes Prioritätsprinzip: So muss eine jüngere Marke einer älteren Firma weichen (BGH GRUR 1955, 299, 300 – Koma) und umgekehrt eine jüngere Firma einer prioritätsälteren Marke (BGH GRUR 1954, 123 – Auto-Fox; Kock GRUR 1992, 667, 668 f). Demgemäß sind Geschäftsbezeichnungen und Marken gleichwertige Schutzrechte, so dass es im Kollisionsfall auf die Priorität, nicht aber darauf ankommt, ob es sich um eine eingetragene oder um eine nicht registrierte, erst durch Verkehrsgeltung Schutz erlangende Marke handelt (vgl OLG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 106, 108 – GVP). Allerdings erhält die Grundregel, dass der Zeitrang über den Vorrang bestimmt, soweit es für die Bestimmung des Vorrangs nach diesem Gesetz auf den Zeitrang ankommt, auch Ausnahmen (vgl amtl Begr, Sonderheft, BlPMZ 1994, 62). So kann aus einem prioritätsälteren Kennzeichen einem Dritten nicht untersagt werden, im geschäftlichen Verkehr den gleichen Namen zu benutzen (§ 23 Nr 1). Auch können Gegenansprüche auf Löschung der Marke wegen Bösgläubigkeit (§ 50 Abs 1) einredeweise nach § 51 Abs 4 Nr 2 geltend gemacht werden (vgl BGH GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000). Darüber hinaus kann die Interessenabwägung – insb im Rahmen von § 1 UWG – dazu führen, dass keine Rechte aus dem prioritätsälteren Kennzeichen geltend gemacht werden können (amtl Begr, Sonderheft BlPMZ 62; vgl auch Schöne/Wüllrich WRP 1997, 514). Eine Ausnahme ergibt sich auch aus § 30 Abs 1 ErstrG für Markenkollisionen, bei denen eine Marke in dem Gebiet, auf das sie erstreckt wird, mit einer jüngeren Marke verwechselbar ist. Die prioritätsältere erstreckte Marke darf in dem Erstreckungsgebiet grds nur mit Zustimmung des Inhabers der kollidierenden Marke benutzt werden (BGH GRUR 2003, 1047, 1048 – Kellogg's/Kelly's). Entsprechendes gilt nach § 31 ErstrG für die Gefahr von Verwechslungen erstreckter Marken mit einem Namen, einer Firma oder sonstigen Kennzeichenrechten (vgl im Einzelnen Knaak GRUR 1991, 891, 898 ff; Schultz-Süchting GRUR 1992, 481, 484 f).

II. Maßgeblichkeit des Anmeldetages

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Für angemeldete oder eingetragene Marken ist der Anmeldetag iSv § 33 Abs 1 grds als kleinste Zeiteinheit maßgeblich. Auch das Unionsrecht untersagt es im Übrigen, Stunde und Minute der Einreichung der Unionsmarkenanmeldung nach nationalem Recht zu berücksichtigen, um über den zeitlichen Vorrang einer Unionsmarke gegenüber einer am selben Tag angemeldeten nationalen Marke zu entscheiden, wenn nach der nationalen Regelung für die Anmeldung der nationalen Marke Stunde und Minute der Einreichung der Anmeldung zu berücksichtigen sind. Deshalb ist der Anmeldetag auch die kleinste zeitliche Einheit iSv Art 27 GM (EuGH GRUR 2012, 613 – Génesis/Boys Toys). Ausnahmen von der Priorität des Anmeldetages ergeben sich in den Fällen, in denen eine vor Inkrafttreten des MarkenG (1.1.1995) angemeldete Marke nach den Bestimmungen des WZG schutzunfähig, aber nach der Neuregelung eintragungsfähig ist. IF des Einverständnisses mit der Verschiebung des Zeitrangs gilt der 1.1.1995 als Anmeldetag (§ 156 Abs 3). Eine derartige Verschiebung des Anmeldetages kann auch geboten sein, wenn ein zunächst nicht – nach § 7 – markenrechtsfähiger Anmelder die Anmeldung einreicht und später markenrechtsfähig wird (BPatG BlPMZ 2005, 457 – Courage). Nicht der Anmeldetag ist nach § 6 Abs 2 maßgeblich, wenn die Priorität einer früheren ausl Anmeldung gem § 34 in Anspruch genommen wird (zur Prüfungsbefugnis des DPMA vgl BPatG Mitt 1998, 309 – SMP). Eine weitere Ausnahme ergibt sich für den Fall des § 35, wenn unter der angemeldeten Marke auf einer amtl oder amtl anerkannten internationalen Ausstellung oder sonstigen inländischen/ausl Ausstellung Waren oder Dienstleistungen zur Schau gestellt werden. Hierfür ist erforderlich, dass die Anmeldung innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit der erstmaligen Zurschaustellung der Waren oder Dienstleistungen unter der angemeldeten Marke eingereicht wird (vgl auch § 35 Rn 1).

III. Keine Zeitrangverschiebung im Löschungsverfahren

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Eine Zeitrangverschiebung, wie sie nach § 156 Abs 3 möglich ist, kommt nicht in Betracht bei Marken, deren ursprüngliche Schutzunfähigkeit zum Anmeldetag sich in einem Löschungsverfahren nach § 50 Abs 1 herausstellt. Da nach § 50 Abs 2 eine Löschung nur zulässig ist, wenn die Marke auch im Zeitpunkt der Entsch schutzunfähig ist, bleibt die Marke im Register mit der Priorität des Anmeldetages (Ströbele/Hacker/Thiering/Miosga § 50 Rn 23; vgl BPatG MarkenR 2002, 357 – Farbige Arzneimittelkapsel). Dies ist insb von Bedeutung für anhängige Verletzungsverfahren und dort angegriffene jüngere Marken, die bei einer späteren Erlangung der Schutzfähigkeit – etwa durch Nachweis der Verkehrsdurchsetzung – gleichwohl mit der ursprünglichen Priorität konfrontiert sind. Damit sind Zwischenrechte, die vor Wegfall des Eintragungshindernisses entstanden sind, nicht prioritätsälter (BPatG MarkenR 2002, 348 – Farbige Arzneimittelkapsel). Allerdings kann nach § 51 Abs 4 Nr 2 nicht die Löschung der prioritätsjüngeren Marke verlangt werden.

IV. Zeitrang bei nicht registrierten Kennzeichen

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Bei den Kennzeichen, die nicht durch Eintragung Schutz erlangen (§§ 4 Nr 2 und 3, §§ 5, 13), ist für die Priorität der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem das Recht entstanden ist. Insoweit gelten unterschiedliche Schutzvoraussetzungen; die Entstehung des Kennzeichenschutzes hängt im Wesentlichen von der Benutzungsaufnahme oder dem Erwerb der Verkehrsgeltung ab. Anders als bei registrierten Marken, bei denen der Zeitrang durch den Anmeldetag ohne weiteres feststellbar ist, bereitet die Bestimmung des Zeitrangs bei den Kennzeichen iSv § 6 Abs 3 in der Praxis Schwierigkeiten (vgl Fezer § 6 Rn 12). Insb die Benutzungsaufnahme wird nicht selten im Verletzungsverfahren str sein. Problematisch ist auch das Fortbestehen des Kennzeichenschutzes mit der ursprünglichen Priorität. Theoretisch könnte die Beendigung der Benutzung von Unternehmenskennzeichen iSv § 5 Abs 2 und der Benutzungsmarke iSv § 4 Nr 2 – sogar bei noch fortbestehender Verkehrsgeltung – den Markenschutz sofort erlöschen lassen. Für Unternehmenskennzeichen ist indes eine vorübergehende Unterbrechung unschädlich (BGH GRUR 1961, 420, 422 – Cuypers; BGH GRUR 1962, 419, 420 – Leona). Entscheidend ist, dass es sich nur um eine vorübergehende Stilllegung handelt und die Absicht sowie die Möglichkeit gegeben sind, das Unternehmen nach einem gewissen Zeitraum fortzuführen, und dass der Verkehr hierin nur eine vorübergehende Unterbrechung sieht (BGH GRUR 2002, 967, 969 – Hotel Adlon; GRUR 2002, 972, 974 – FROMMIA; GRUR 2005, 871, 872 – Seicom). Entsprechendes gilt bei der Benutzungsmarke, wenn die Marke bei Wiederaufnahme der Benutzung noch Verkehrsgeltung hatte (BGH GRUR 1957, 25 – Hausbücherei), so dass auf die ursprüngliche Priorität und nicht auf den Zeitpunkt der erneuten Benutzungsaufnahme abzustellen ist.

V. Gleichrangigkeit bei gleichem Zeitrang

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Aus Abs 4 folgt, dass bei – möglicherweise auch unterschiedlichen – Kennzeichen mit demselben Prioritätstag keine Rechte gegeneinander begründet werden können. In der Praxis kommt dieser Bestimmung Bedeutung dadurch zu, dass Bestandteile registrierter Marken, die – wie Buchstaben- unter Geltung des WZG schutzunfähig waren, für eine selbstständig kollisionsbegründende Gegenüberstellung erst mit Wirkung vom 1.1.1995 in Betracht kommen (BPatG GRUR 1996, 413, 414 – ICP/ICPI; BPatG PAVIS PROMA– 26 W (pat) 179/00 – MTV/MPV). Sind demgegenüber Buchst oder Buchstabenkombinationen noch vor Inkrafttreten des MarkenG angemeldet worden und hat sich der Anmelder mit einer Prioritätsverschiebung (§ 156 Abs 3) einverstanden erklärt, hat diese später angemeldete Marke ebenfalls den Zeitrang 1.1.1995, so dass der selbstständig kollisionsbegründende Bestandteil der prioritätsälteren Kombinationsmarke in ihrer Gesamtheit Rechte ebenfalls erst mit dem 1.1.1995 erlangt und damit einen gleichen Zeitrang hat (vgl BPatG GRUR 1996, 413 f – ICP/ICPI; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 106, 108 – GVP).

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Trotz gleichen Zeitrangs, der keine Sperrwirkung der Marke gegen die andere Marke zu entfalten vermag, kann der Vorbenutzer vom bösgläubigen Markenanmelder gem § 50 Abs 1 iVm § 8 Abs 2 Nr 10 die Löschung verlangen (BPatGE 43, 233, 243 – S 100). Insoweit ist für die nach § 50 Abs 1 zur Löschung erforderliche Besitzstandsstörung nicht zwingend die mit der Ausübung von proritätsälteren Verbotsrechten verbundene Sperrwirkung erforderlich, sondern vielmehr, dass die Antragstellerin gezwungen ist, den Vertrieb von Konkurrenzware mit der zeitranggleichen identischen Marke hinzunehmen (BPatG GRUR 2001, 744 – S 100).

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