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1. Die Beauftragungssituation
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Als Regel ohne Ausnahme gilt: Der Mandant geht auf den Verteidiger zu, nicht umgekehrt. Gegen diesen Grundsatz wird anscheinend oft verstoßen. So soll es Verteidiger geben, die einem Mandanten Gebührenfreiheit anbieten für die Vermittlung weiterer Mandate; die bei der Verteidigung von Untersuchungsgefangenen großzügig mit Mitbringseln, der Vermittlung privater Nachrichten und stundenlangen Besuchen verfahren; die sich bei Gericht anbieten ein konkretes Pflichtmandat zu übernehmen, welches bei Gericht noch nicht bekannt ist; die Beamte in Haftanstalten durch kleine Aufmerksamkeiten geneigt zu Empfehlungen machen etc.[1] All das ist berufsrechtswidrig. Es verstößt insbesondere gegen das in § 43b BRAO festgelegte Werbeverbot, da es sich insoweit um gezielte Mandatswerbung handelt.[2]
§ 43b BRAO lautet:
Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Antrags im Einzelfall gerichtet ist.
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Der Auftrag zur Verteidigung kann von dem Beschuldigten direkt oder von dritten Personen kommen. Im letzteren Fall muss der Verteidiger sorgfältig prüfen, wer der Auftraggeber ist und welche Ziele er möglicherweise verfolgt. Unproblematisch sind Beauftragungen durch Rechtsschutzversicherungen. Ebenso verhält es sich in der Regel mit nahen Angehörigen eines Beschuldigten, zumal wenn sich dieser in Untersuchungshaft befindet. Vorsicht ist aber bereits geboten bei sonstigen Dritten. Ihrer Beauftragung liegt oft eine nicht immer uneigennützige Motivation zugrunde. Sie sollte der Verteidiger herauszubekommen versuchen. Denn die Interessen des Auftraggebers und des Mandanten können durchaus verschieden sein. So kann der Verteidiger in erhebliche Konflikte kommen; zumal solche Auftraggeber in den meisten Fällen das Honorar bezahlen. Nimmt der Anwalt den Auftrag eines Dritten an, so wird er zum Verteidiger jedoch erst durch die Vereinbarung mit dem Beschuldigten. Äußerste Skepsis ist auch geboten bei einem Brief aus der Haftanstalt, in dem der Absender den Verteidiger mit der Verteidigung eines Mithäftlings beauftragt.
Besondere Schwierigkeiten bieten sich, wenn ein Dritter den Verteidiger bittet, ein Verteidigungsmandat zu übernehmen und der potentielle Mandant sich in Untersuchungshaft befindet. Diese Sondersituationen ergeben sich regelmäßig, wenn Beschuldigte verhaftet werden und noch bei der Verhaftung Angehörige bitten, sich um einen Verteidiger zu bemühen oder aber im Rahmen des ersten Besuchs die entsprechende Bitte äußern. Den nicht überwachten Zugang zum inhaftierten Mandanten in der JVA erhält der (künftige) Verteidiger in der Regel ausschließlich über einen von dem Ermittlungsrichter oder von den Staatsanwaltschaften ausgestellten „Sprechschein“ (auch „Sprecherlaubnis“ genannt), da ein privilegiertes Verteidigungsverhältnis i.S.d. § 148 StPO erst besteht, wenn ein Verteidigungsverhältnis besteht.[3] Die JVA verwehren in der Praxis ohne einen entsprechenden Sprechschein oder eine Vollmacht in der Regel jeden Zugang zum inhaftierten potentiellen Mandanten.[4] Der Sprechschein für ein nicht überwachtes Gespräch muss gesondert beantragt werden. Um dem angeblichen Missbrauch der Mandatshascherei und des unkontrollierten überwachungsfreien Besuchs zum Beschuldigten einzudämmen, widersetzen sich Staatsanwaltschaften und Gerichte immer wieder einer Zustimmung zur Erteilung von Sprecherlaubnissen, wenn keine explizite Aufforderung des inhaftierten Beschuldigten vorliegt, aus welcher dessen eindeutiger Wille zu erkennen ist, mit dem speziellen Verteidiger zur Begründung eines Verteidigungsverhältnisses ein unüberwachtes Gespräch führen zu wollen (sog. Besuchskarte). Zu rechtfertigen ist dies mit dem elementaren Recht des Beschuldigten auf den ungehinderten Zugang zu einem Verteidiger allerdings nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch vorliegen.[5] Denn mit dem eigentlichen Haftzweck und den Vorgaben des § 119 Abs. 1 StPO hat dies nichts zu tun.[6] Deswegen wird der Verteidiger gegebenenfalls auf einen Sprechschein drängen müssen, um dem Recht des Beschuldigten (vgl. § 148 StPO) und auch Art. 12 GG zum Durchbruch zu verhelfen.[7] Gegebenenfalls bietet sich ein Gespräch mit dem zuständigen Staatsanwalt oder aber – wenn dieser unnachgiebig ist – mit dessen Vorgesetzten an. Teilweise bemühen sich mittlerweile sogar die Rechtsanwaltskammern im jeweiligen Oberlandesgerichtsbezirk, praktische Umgangsregeln mit den Staatsanwaltschaften und Gerichten zu finden, um eine Beschneidung der Rechte des Beschuldigten vorzubeugen und einen pragmatischen Weg der Umsetzung des elementaren Rechts des Beschuldigten nach § 137 StPO zu gewährleisten.[8]
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass die schriftliche Vollmacht keine Voraussetzung für ein wirksames Verteidigungsverhältnisses ist. Die StPO setzt keine schriftliche Vollmacht voraus.[9] Erhält der Verteidiger von jemandem das Angebot der Übernahme eines Verteidigungsmandates (bspw. von einem Angehörigen als Vertreter des inhaftierten Mandanten), entscheidet er selbst, ob er das Angebot annimmt und das Mandat übernimmt, ohne den Mandanten selbst persönlich gesprochen zu haben.[10] Diese Annahmeerklärung kann er auch – soweit nicht auf sie verzichtet wird – wirksam dem Vertreter des Beschuldigten übermitteln (§§ 151, 164 BGB). In diesen Fällen kann er sich auch direkt als Verteidiger des Beschuldigten bestellen, wenngleich der übliche Weg über das persönliche Gespräch und die anschließende Bestellung nach außen erfolgt.[11]
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Nimmt der Anwalt den Auftrag eines Dritten (aber auch des Beschuldigten selbst) nicht an, muss er dies lt. § 44 BRAO unverzüglich erklären.
§ 44 BRAGO lautet:
Mitteilung der Ablehnung eines Auftrags. Der Rechtsanwalt, der in seinem Beruf in Anspruch genommen wird und den Auftrag nicht annehmen will, muss die Ablehnung unverzüglich erklären. Er hat den Schaden zu ersetzen, der aus einer schuldhaften Verzögerung dieser Erklärung entsteht.
Teil 1 Die Übernahme des Mandats › IV › 2. Die schriftliche Vollmacht