Читать книгу Verteidigung im Ermittlungsverfahren - Jens Bosbach - Страница 36

d) §§ 185 ff. StGB

Оглавление

41

Das geschriebene und das gesprochene Wort sind die „wichtigsten Berufswaffen“[32] des Verteidigers. Immer wieder wird der Verteidiger mit der Frage konfrontiert, was er sagen bzw. schreiben darf und was nicht. Ab wann wird das gesprochene Wort des Strafverteidigers zur Ehrverletzung und damit zur Beleidigung des ermittelnden Beamten? Es wird immer wieder vorkommen, dass der Verteidiger über die Maßnahmen der Ermittlungsbehörden den Kopf schüttelt. Nichts anderes geschieht auf Seiten der Ermittlungsbehörden mit Blick auf die Handlungen des Verteidigers. In solchen Situationen wird sich auch der Verteidiger zuweilen in seinen Worten zu zügeln haben und mit Bedacht agieren müssen. Welchen Stil ein Verteidiger wählt, wird er selbst herausfinden und für sich entdecken müssen. Um dabei nicht die Grenzen des § 185 StGB zu erreichen und sich dem Verdacht der Beleidigung auszusetzen, bietet es sich an, die Aufgabe des Verteidigers historisch zu beleuchten. Hilfreich ist dabei die Kenntnis wichtiger Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welches unseren Berufsstand auch gestärkt hat. Während 1974 in einer Entscheidung noch davon die Rede war, dass der Beruf des Rechtsanwalts ein staatlich gebundener Vertrauensberuf ist, der ihm eine auf Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtete amtsähnliche Stellung zuweist,[33] so wurde dieser Standpunkt in der Folgezeit aufgegeben und dem Begriff „Organ der Rechtspflege“ eine freiheitliche Dimension vermittelt. Im Jahr 1983 hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt:[34]

„Die Herauslösung des Anwaltsberufs aus beamtenähnlichen Bindungen und seine Anerkennung als ein vom Staat unabhängiger freier Beruf kann als ein wesentliches Element des Bemühens um rechtsstaatliche Begrenzung der staatlichen Macht angesehen werden, dass der Verfassungsgeber vorgefunden und in seinen Willen aufgenommen hat. Es entspricht dem Rechtsstaatsgedanken und dient der Rechtspflege, dass dem Bürger … Rechtskundige zur Verfügung stehen … die seine Interessen möglichst frei und unabhängig von staatlicher Einflussnahme ausüben können“.

Aus dem geltenden Recht lasse sich nichts dafür herleiten, dass der Anwalt „entgegen der rechtsstaatlichen Tradition der freien Advokatur an die Staatsorganisation herangeführt, beamtenähnlichen Treuepflichten unterworfen oder berufsrechtlich der Stellung von Richtern und Staatsanwälten angeglichen werden sollte“.

Im Gegenteil:„Die Anerkennung als Organ der Rechtspflege bringt zum Ausdruck, dass im freiheitlichen Rechtsstaat die Rechtsanwälte als berufene Berater und Vertreter der Rechtssuchenden neben Richtern und Staatsanwälten eine eigenständige wichtige Funktion im „Kampf um das Recht“ ausüben und dass ihnen des halb weitergehende Befugnisse als ihren Mandanten zukommen.“[35]

Der Anwalt darf deswegen insbesondere

„auch starke, eindringliche Ausdrücke … gebrauchen, Urteilsschelte üben oder „ad personam“ argumentieren“.[36]

Allerdings wird das bewusste Verbreiten von Unwahrheiten und die – nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckte – strafbare Beleidigung selbstverständlich nicht hingenommen und verfolgt. Der Verteidiger wird also – unter der Ägide der effektiven Verteidigung – abwägen müssen,

was er (gegen-)über Strafverfolgungsorganen oder Dritten
wie äußert und
inwieweit sein Verhalten im Rahmen der Strafverteidigung gerechtfertigt sein kann.[37]

Erst jüngst hatte das Bundesverfassungsgericht beispielsweise darüber zu urteilen, ob etwa ein Staatsanwalt von einem Journalisten als „durchgeknallt“ bezeichnet werden dürfe. Eine solche Bezeichnung hat es für erlaubt erklärt, wenn im Kontext der Äußerung die Sachaussage transportiert wird, dass ein als verantwortlich angesehener Staatsanwalt im Zuge der Strafverfolgungstätigkeit die gebotene Zurückhaltung und Rücksichtnahme auf das Persönlichkeitsrecht eines Beschuldigten in unsachgemäßer und übertriebener Weise habe vermissen lassen.[38] Eine solche Meinungsäußerung kann vor allem auch dann geschützt sein, wenn die geübte Kritik die Ausübung staatlicher Gewalt zum Inhalt hat.[39] Diese Entscheidung wird auch für den Strafverteidiger als Maßstab zu gelten haben.

Allerdings wird der Strafverteidiger auch europäische Einflüsse zu beachten haben. Mit seinem Urteil vom 11.7.2013 hat der EGMR die Beschwerde eines französischen Rechtsanwaltes gegen seine Verurteilung wegen öffentlicher Verleumdung einer Ermittlungsrichterin verworfen und festgestellt, dass die Verurteilung Art. 10 EMRK nicht verletze. Dieses Urteil erstaunt, da die Kritik an der Richterin in der Sache geführt wurde und die Grenze der „Schmähkritik“ nicht überschritt.[40] Den Grundsätzen der Entscheidung des BVerfG vom 9.8.2013[41] hätte die Sichtweise der französischen Gerichte jedoch wohl kaum standgehalten.[42]

Teil 1 Die Übernahme des MandatsV › 2. Zivilrechtliche Risiken

Verteidigung im Ermittlungsverfahren

Подняться наверх