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b) § 203 StGB

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Das Gebot anwaltlicher Verschwiegenheit wird von den berufsrechtlichen Vorgaben besonders geschützt und wird dabei durch § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafrechtlich flankiert.

Das strafrechtliche Verbot geht weiter als mancher denkt. Der Verteidiger hat hiernach nicht nur über alles zu schweigen, was ihm in Wahrnehmung des Mandats anvertraut worden ist oder was er aus Anlass des Mandats oder der Mandatsanbahnung wahrgenommen hat. Die Verschwiegenheitsverpflichtung betrifft vor allem auch die Frage, ob ein Mandatsverhältnis überhaupt besteht. Gerade dieser Punkt wird allzu häufig übersehen und ist deswegen besonders geeignet, die Grenzen der anwaltlichen Verschwiegenheit zu überschreiten. In diesem Punkt wirkt es sich auch aus, ob und inwieweit der Verteidiger seine eigene Kanzlei gut organisiert hat oder nicht. Wenn ein Anrufer etwa fragt, ob in der Kanzlei ein bestimmter Mandant vertreten werde, zeigt sich prompt, wie ernst die anwaltliche Verschwiegenheitsverpflichtung genommen und gelebt (!) wird. Dabei kann die telefonische Auskunft, dass eine bestimmte Person von einem Rechtsanwalt aus der angerufenen Kanzlei vertreten wird, z.B. gegenüber einem Pressevertreter oder einem Angehörigen des Mandanten, schon deswegen fatal sein, weil es in einer Kanzlei mit ausschließlich Fachanwälten für Strafrecht auf der Hand liegt, dass diese Person strafrechtlichen Rat in Anspruch nimmt. Schon das kann ausreichen, um im privaten oder geschäftlichen Umfeld des Mandanten für ein Lauffeuer zu sorgen. Aber nicht nur die Büroorganisation, sondern auch der Verteidiger selbst wird seine Integrität und seine anwaltliche Verschwiegenheitsverpflichtung selbst ständig prüfen und sich an ihr messen lassen müssen. Berichtet er am Stammtisch oder aber im Familien- und Freundeskreis, welch bedeutsames Mandat er führt und ist hieraus erkennbar, wen er vertritt, stellt dies ein klar berufswidriges und rechtswidriges Verhalten dar. Dass sich solches Hervortun auch langfristig nicht positiv auf die Integrität und den Ruf des Verteidigers auswirkt, liegt auf der Hand. So ist es nicht verwunderlich, dass bestimmte Mandanten gerade derjenigen Anwaltsempfehlung folgen, die auf Vertraulichkeit ausgerichtet ist. Dasselbe gilt selbstverständlich im „vertrauten“ Kollegenkreis. Ohne eine entsprechende Schweigepflichtentbindungserklärung ist der Anwalt nicht befugt, mit Kollegen „im Vertrauen“ darüber zu plaudern, wen man vertritt. Diese Überlegungen machen deutlich, dass die Verschwiegenheitsfähigkeit des Strafverteidigers nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten und vertrauten Umfeld ständig gelebt und unter Beweis gestellt werden muss und die von § 203 StGB geschützte Verschwiegenheitsverpflichtung allenfalls die äußerste Grenze darstellt.

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Dies gilt selbstverständlich auch nach Beendigung des Mandats. Hat ein Mandant dem Verteidiger auch noch so übel mitgespielt und kam es deswegen zur Mandatsniederlegung, hat sich der Verteidiger durch seine Berufswahl in der Vergangenheit selbst dazu entschieden, über solche Umstände auch nicht im Kollegenkreis sprechen zu dürfen; jedenfalls nicht ohne Schweigepflichtentbindungserklärung.

Eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht ist nur in Ausnahmefällen denkbar und gerechtfertigt. Solche Fälle liegen etwa vor, wenn eine vorzunehmende Güterabwägung ergibt, dass einem anderen geschützten Rechtsgut eine gesteigerte Bedeutung zukommt.[23] Die Ausnahmen sind selten! So liegt es etwa, wenn es um die Wahrnehmung eigener besonderer berechtigter Interessen des Verteidigers geht. Klagt er beispielsweise offene Honorarpositionen bei dem ehemaligen Mandanten ein, liegt es auf der Hand, dass er für einen schlüssigen Vortrag tatsächliche Umstände darlegen muss.[24] Allerdings wird er diese nur insoweit darlegen dürfen, wie sie zur Schlüssigkeit erforderlich sind. Alles darüber Hinausgehende ist wiederum von § 203 StGB geschützt.[25] Ähnlich verhält es sich, wenn gegen ihn aus dem Mandat Vorwürfe erhoben werden. Selbstverständlich wird er zur Verteidigung Tatsachen aus dem Mandat vortragen dürfen. Dabei gilt allerdings das vorher Gesagte entsprechend, da es um die Wahrung eigener Interessen geht.[26] Eine Ausnahme kann ebenfalls etwa bei geplanten Straftaten nach § 138 StGB vorliegen. Dabei sind allerdings die Tatbestandsvoraussetzungen der Straflosigkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten nach § 139 StGB, insbesondere § 139 Abs. 3 StGB genauestens zu prüfen, um nicht ohne Not wiederum den geschützten Bereich des § 203 StGB zu verletzen.[27]

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