Читать книгу Verteidigung im Ermittlungsverfahren - Jens Bosbach - Страница 33

a) § 258 StGB

Оглавление

36

Weil der Beruf des Strafverteidigers im Erfolgsfall mitunter eine vollständige Verhinderung von Bestrafung mit sich bringen kann, auf „Entlastung des Beschuldigten gerichtet“[12] und er „der Sand im Getriebe“[13] der Ermittlungsbehörden ist, liegt es auf der Hand, dass er fast schon berufsmäßig Strafen vereitelt. Nicht selten wird deswegen von unbelesenen und/oder unerfahrenen Staatsanwälten der Vorwurf der Strafvereitelung nach § 258 StGB schnell erhoben. Dem Verteidiger muss das klar sein. Umso wichtiger ist es, dass er sich mit dieser Norm besonders gut auskennt, was bedeutet, dass er in objektiver Hinsicht sowohl die Grenzen zwischen zulässiger und unzulässiger Verteidigung kennt und in subjektiver Hinsicht darüber im Klaren ist, welche Voraussetzungen die Rechtsprechung für eine Tatbestandsverwirklichung fordert. Die Lektüre der Norm alleine genügt nicht.[14] Auch bietet die bloße Abgrenzung zwischen berufswidrigem und/oder ordnungswidrigkeitsrechtlich relevantem Verhalten keine hinreichende Sicherheit, um in objektiver Hinsicht zu bestimmen, welche Handlung den Tatbestand erfüllen kann bzw. welche Verteidigerhandlung zulässig und welche unzulässig ist.

Über die Jahre hat sich herauskristallisiert, dass auf objektiver Ebene mit Blick auf die Stellung des Verteidigers in einem Strafprozess als Organ der Rechtspflege auf der einen Seite und als Interessenvertreter des Mandanten auf der anderen Seite zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten unterschieden wird. Soweit der Strafverteidiger vor diesem Hintergrund prozessual zulässig handelt, soll sein Verhalten schon deswegen objektiv nicht tatbestandsmäßig i.S.d. § 258 Abs. 1 StGB sein. Hierbei findet eine gewisse akzessorische Bewertung des Prozessrechts statt. Eine Auslegung des Standesrechts kann in diesem Zusammenhang auch von Bedeutung sein. Denn standesrechtlich zulässiges Verhalten wird in der Regel auch prozessual kaum zu beanstanden sein. Umgekehrt führt standesrechtlich unzulässiges Verhalten nicht ohne Weiteres zu einem prozessual rechtswidrigem Verhalten oder gar zu einer Strafbarkeit nach § 258 StGB.[15]

Unerlässlich ist vor allem die Lektüre der beiden wegweisenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 1.9.1992 sowie vom 9.5.2000,[16] mit welcher der Bundesgerichtshof die Gelegenheit wahrgenommen hat, sich intensiv mit dem Tatbestand der Strafvereitelung durch den Verteidiger und dessen Position im Strafprozess auseinanderzusetzen. Hiernach darf der Verteidiger jedenfalls grundsätzlich alles tun, was in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise seinem Mandanten nützt. Er hat auch die Aufgabe, zur sachgerechten Entscheidungsfindung beizutragen und dabei das Gericht gerade vor Fehlentscheidungen zu Lasten seines Mandanten zu bewahren. Er soll die Verfahrensgarantien achten und sich bei seinem Vorgehen auf verfahrensrechtlich erlaubte Mittel beschränken. Nach dem BGH muss er sich jeder bewussten Verdunklung des Sachverhalts und jeder sachwidrigen Erschwerung der Strafverfolgung enthalten. Ihm ist es insbesondere untersagt, durch aktive Verdunklung und Verzerrung des Sachverhalts die Wahrheitserforschung zu erschweren, insbesondere Beweisquellen zu verfälschen. Auf der anderen Seite soll er gerade solche Tatsachen und Beweismittel einführen dürfen, die ein von ihm lediglich für möglich gehaltenen Sachverhalt belegen können. Das ist nicht nur gestattet, sondern kann sogar geboten sein. Beispielsweise darf er keine Zeugen benennen, von denen er positiv weiß, dass sie eine Falschaussage machen werden. Auch darf er einen Zeugen nicht absichtlich in einer vorsätzlichen Falschaussage bestärken.[17] Gleiches gilt hinsichtlich der Vorlage von Urkunden.[18] Stellt das Verhalten des Verteidigers in objektiver Hinsicht ein nicht mehr zulässiges Verhalten dar, entscheidet sich auf der subjektiven Tatbestandsseite, ob er sich strafbar gemacht hat oder nicht. Gerade auf der subjektiven Tatbestandsseite kommt seine Stellung als Organ der Rechtspflege jedoch besonders zum Ausdruck, da in den Beruf des Strafverteidigers nicht nur von der Strafprozessordnung, sondern auch von den Gerichten ein erhöhtes Vertrauen gesetzt wird. Daher genügt zwar für die Kenntnis der Vortat bedingter Vorsatz, hinsichtlich der Tathandlung und des Vereitelungserfolges wird allerdings Absicht oder Wissentlichkeit gefordert. Es müsste dem Strafverteidiger darauf ankommen, die Verhängung (oder Vollstreckung) einer Strafe mindestens zum Teil zu vereiteln. Der direkte Vorsatz muss sowohl die Tathandlung als auch den sich aus ihr ergebenden Erfolg zum Inhalt haben. Die billigende Inkaufnahme des tatbestandlichen Erfolgs genügt insoweit nicht.[19] Der Bundesgerichtshof verlangt mit Blick auf den Verteidiger sogar erhöhte Beweisanforderungen zum Nachweis des voluntativen Elements der Vereitelungsabsicht, da gerade bei dem Verteidiger in der Regel davon auszugehen sei, dass der Verteidiger strafbares Verhalten nicht billigt; vielmehr wird der Verteidiger hiernach einen entsprechenden Beweis im Regelfall mit dem inneren Vorbehalt verwenden, das Gericht werde die Glaubhaftigkeit der Aussage seinerseits einer kritischen Prüfung unterziehen und ihre Fragwürdigkeit nicht übersehen.[20]

37

Es wird nicht immer leicht sein, die schwierigen Situationen (ex ante!) zu erkennen. In keinem Fall sollte sich der Verteidiger auf die erhöhten Anforderungen im subjektiven Bereich verlassen. Denn ist erst einmal ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des § 258 StGB gegen den Verteidiger eingeleitet, wird im Zweifel erst der Richter über das sog. subjektive Element entscheiden. Zudem fehlt es den meisten Staatsanwälten (leider) an der notwendigen Kenntnis zu einzelnen Vorgaben der Berufsausübung des Strafverteidigers, seiner Stellung und den entsprechenden Vorgaben der Rechtsprechung über zulässiges und unzulässiges Verhalten. Erhebt ein unerfahrener Staatsanwalt entsprechende Vorwürfe, fehlt ihm auch noch gerade in diesen Fällen das so entscheidende Fingerspitzengefühl. Aus diesem Grund ist es durchaus nicht unklug, wenn es der Verteidiger schon vermeidet, an die Grenze des zulässigen Verhaltens auf Verteidigerseite heranzutreten. Bei Unklarheiten empfiehlt sich gerade in diesem Bereich das vertrauensvolle Gespräch mit erfahreneren Kollegen oder das vertrauensvolle Gespräch mit der zuständigen Rechtsanwaltskammer; selbstverständlich im Vorhinein.

Der Verteidiger hat schließlich zu bedenken, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen § 258 StGB auch ganz erhebliche Konsequenzen auf das Mandat selbst haben kann. Denn üblicherweise führt das entsprechende Ermittlungsverfahren nicht nur zur Beeinträchtigung prozessualer Privilegien (z.B. das Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 2 StPO). In der Regel folgt dem Ermittlungsverfahren auch das Ausschlussverfahren nach § 138c StPO auf dem Fuße, so dass das betroffene Mandatsverhältnis, aus welchem der Vorwurf resultiert, kaum mehr aufrechtzuerhalten ist.[21] Es empfiehlt sich deswegen eine vertiefte Auseinandersetzung mit den aktuellen Entwicklungen bei diesem Tatbestand.[22]

Verteidigung im Ermittlungsverfahren

Подняться наверх