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3. Haftungsmilderung bei der Verletzung von Nebenpflichten?

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Nebenpflichten sind stets in dem Sinne nichtsynallagmatisch, dass ihre Verletzung den Anspruch auf die Gegenleistung grundsätzlich unberührt lässt[127]. Bei ihrer Verletzung kann es darauf ankommen, ob sie im konkreten Fall mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers zusammenhängen (leistungsbezogene Nebenpflichten) oder das Integritätsinteresse betreffen (nicht leistungsbezogene Nebenpflichten). Das wird neben den angesprochenen Fällen[128] der Abgrenzung von § 281 zu § 282 auch bei der Frage relevant, ob Haftungsmilderungen eingreifen. Das kann wiederum zum Folgeproblem der Anwendbarkeit derartiger Privilegierungen auf den konkurrierenden deliktischen Anspruch führen.

Das illustriert unser Fall 6: Der Warenhausinhaber W schenkt seinen Kunden Elektrogeräte, die bei nicht fachgerechter Anwendung Gesundheitsschäden hervorrufen können. Leicht unachtsam vergisst er aber, die erforderlichen Bedienungsanleitungen beizulegen. Der Kunde K verletzt sich infolge einer unrichtigen Bedienung. Dem Stammkunden S lässt W das Gerät samt Anleitung durch seinen sorgsam ausgewählten Gehilfen G vorbeibringen. G zerstört bei dieser Gelegenheit leicht fahrlässig eine Vase im Hause des S. Welche Ansprüche haben K und S gegen W?

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I. W könnte dem K aus Vertrag und aus Delikt haften.

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1. Zu prüfen ist zunächst ein Anspruch des K aus § 280 I 1. Das erforderliche Schuldverhältnis besteht hier in einem Schenkungsvertrag. Indem W es unterlassen hat, dem potenziell gefährlichen Elektrogerät die nötige Bedienungsanleitung beizulegen, hat er eine Pflichtverletzung begangen. Die Pflicht zum Schadensersatz ist jedoch ausgeschlossen, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, § 280 I 2. Grundsätzlich hat W als Schuldner gemäß § 276 I 1 Vorsatz und jede Form von Fahrlässigkeit zu vertreten. Hier könnte aber eine mildere Haftung bestimmt sein. In Betracht kommt insoweit § 521, da W dem K das Gerät geschenkt hat. Danach würde W, dem nur leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt, hier nicht haften. Die Anwendbarkeit dieser Haftungsmilderung ist jedoch zweifelhaft, weil § 521 in erster Linie auf Leistungspflichten zugeschnitten ist. Da bei der Schenkung keine Gegenleistung geschuldet ist, soll die Privilegierung daher grundsätzlich nur bezüglich der unentgeltlichen Hingabe des Vermögensgegenstandes gelten[129].

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Hier besteht indes die Besonderheit darin, dass die verletzte Pflicht – Aufklärung über Gefahren durch Aushändigung einer Bedienungsanleitung – im Zusammenhang mit dem Vertragsgegenstand steht. Es handelt sich mithin um eine leistungsbezogene Nebenpflicht (Nebenleistungspflicht). Wie § 434 II 2 im Zusammenhang mit § 433 I 2 zeigt[130], kann die Pflicht zur Aushändigung einer Anleitung auch Hauptpflicht sein. Da hier jedoch nur die Bedienung selbst und nicht der Zusammenbau problematisch ist, liegt nur eine Nebenleistungspflicht vor. In derartigen Fällen geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass die Haftungsmilderung auch für die Verletzung einer mit dem Vertragsgegenstand zusammenhängenden Nebenpflicht gilt[131]. Das bedeutet, dass W die Pflichtverletzung hier wegen § 521 nicht zu vertreten hat, § 280 I 2, und folglich nicht nach § 280 I 1 haftet.

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2. W könnte dem K jedoch aus § 823 I verpflichtet sein. Verletztes Rechtsgut ist die Gesundheit. Zwar liegt kein zum Schadensersatz verpflichtendes positives Tun vor, sondern lediglich ein Unterlassen. Das Unterlassen steht der Erfolgsherbeiführung durch positives Tun, also einem „Verletzen“ i. S. d. § 823 I, jedoch gleich, wenn eine Pflicht zum Tätigwerden mit dem Zweck der Erfolgsabwendung im Sinne einer Verkehrssicherungspflicht besteht[132]. Eine solche Pflicht des W bestand hier deshalb, weil er Geräte verschenkte, die ohne die erforderliche Bedienungsanleitung potenziell gefährlich für die Beschenkten waren. Aus diesem Grund oblagen ihm entsprechende Verkehrssicherungspflichten, denen er nur durch die Beilegung der Bedienungsanleitung entsprechen konnte. Indem er dies unterließ, hat er eine Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 823 I begangen. Diese war auch rechtwidrig[133].

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Fraglich ist, ob W auch schuldhaft handelte. Leichte Fahrlässigkeit, die grundsätzlich für die Haftung aus § 823 I genügt, lag vor. Möglicherweise wirkt sich aber auch hier die Haftungsmilderung des § 521 zugunsten des W privilegierend aus. Die Rechtsprechung hat dies in einem vergleichbaren Fall angenommen[134]. Auch wenn § 521 nach seiner systematischen Stellung in den vertraglichen Schuldverhältnissen primär auf den vertraglichen bzw. vertragsähnlichen Anspruch zugeschnitten ist, lässt der Wortlaut die Ausweitung auf den deliktischen Anspruch zu, zumal dem Schenker andernfalls die Haftungsmilderung wenig helfen würde, wenn er deliktisch ungemildert haften müsste. Legt man dies zugrunde, scheidet auch ein Anspruch aus § 823 I aus.

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3. Ein Anspruch aus § 823 II wegen der Verletzung von Verkehrspflichten kommt nach h. M.[135] schon deshalb nicht in Betracht, weil Verkehrspflichten keine Schutzgesetze i. S. d. Vorschrift darstellen. Hingegen ist der Tatbestand der §§ 229, 13 I StGB verwirklicht. Allerdings scheidet eine Haftung aus § 823 II i. V. m. §§ 229, 13 I StGB aufgrund der auch auf diesen Anspruch anzuwendenden Privilegierung des § 521 aus.

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II. Auch für S kommen (quasi-)vertragliche und deliktische Ansprüche in Betracht.

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1. Einem Anspruch aus § 280 I 1 auf Schadensersatz wegen der zerstörten Vase könnte entgegenstehen, dass W die Pflichtverletzung des G womöglich nicht zu vertreten hat, § 280 I 2. Er muss sich jedoch die Pflichtverletzung und das Verschulden des Erfüllungsgehilfen G nach § 278 S. 1 zurechnen lassen. Indes könnte auch insoweit die Haftungsmilderung des § 521 eingreifen, da G nur leicht fahrlässig gehandelt hat. Im Unterschied zum ersten Teil des Falles hängt die Pflichtverletzung des G hier jedoch nicht mit dem Vertragsgegenstand zusammen. Vielmehr ist allein das Integritätsinteresse des S beeinträchtigt. Eine Ausdehnung der Haftungsbeschränkung auf die Verletzung nicht leistungsbezogener Nebenpflichten (Schutzpflichten) ginge jedoch zu weit. W haftet also aus § 280 I 1[136].

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2. Ein Anspruch aus § 831 I 1 scheitert daran, dass sich W für seinen Verrichtungsgehilfen G exkulpieren kann, § 831 I 2. Die Exkulpation kann nach dem Wortlaut zwar keinesfalls ohne weiteres vermutet oder gar unterstellt werden (häufiger Fehler!), doch ergibt sie sich hier daraus, dass G sorgsam ausgewählt worden ist.

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