Читать книгу Coyote - Jens-Uwe Sommerschuh - Страница 13

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Das war phänomenal.«

Sie juchzte und streckte sich wohlig. Dann beugte sie sich, um Luft zu schnappen, aus dem Fenster und wandte mir ihren zufrieden lächelnden Hintern zu.

Ich zündete mir eine Gitane an. Nicht dieser verlockende, unantastbare Arsch brachte mich auf die Palme, nicht die sich unablässig wiederholende Situation, die nur Schwule und Eunuchen kaltgelassen hätte. Nein, das machte mir nicht allzu viel aus. Ich gönnte ihr das, ich war längst nicht mehr der Typ, der mit hängender Zunge seinem Schwanz hinterherrannte, zumindest redete ich mir das ein. Was mich aufregte, war dieser stereotype Satz. Es gab Leute, die sagten ständig dementsprechend oder ebend, und es wäre nichts dabei, wenn es nicht wiederum Leute gäbe, die sich das immer und immer wieder anhören mussten. Ich hatte mal von einem Kerl gelesen, der nach sieben Jahren krisenfreier Ehe seine Frau erschlug, weil er von einer Sekunde auf die andere nicht mehr ausgehalten hatte, dass sie in jedem zweiten Satz etwas total schön oder total schlimm fand. Diese Frau könnte heute noch leben.

Ich steckte die Hand in die Jackentasche und befühlte die Seide. Das Wesen, das mir diese zarte Erinnerung und sonst nichts hinterlassen hatte als die Traurigkeit darüber, dass die Momente wahrer Schönheit endlich und unwiederbringlich waren, dieses Mädchen hatte auch eine Marotte gehabt. Sie hatte, wenn sie sich freute, wenn sie staunte, wenn sie sich über sich selbst lustig machte, »Oijoi« gesagt. Und das, das hatte mich nicht gestört. Kein einziges Mal in jenen zwei Wochen damals.

»Kommt man hier irgendwie aufs Dach?«, erkundigte sich Vickie, während sie in ihren schwarzen Tanga stieg, um sich dann ihre Kanarienfedern zu angeln.

»Klar.«

»Dann lass uns hochgehen«, erklärte sie, und wir mussten beide über die Doppeldeutigkeit lachen.

Als wir auf den Gang traten, hörte ich im ersten Stock heftigen Wortwechsel. Die eine Stimme, sicher die der kleinen Inderin, piepste aufgeregt. Dazwischen kollerte ein Bariton. Aber ich verstand kein Wort. Ich zuckte die Achseln, als Vickie mich fragend ansah.

Oben bot sich eine überwältigende Aussicht. Rechter Hand erhob sich der Telegraph Hill mit dem Coit Tower. Ein Stück weiter links lugten die beiden Turmspitzen von St. Peter and Paul über eine Brandmauer.

»In dieser Kirche hat Marilyn Monroe den Baseball-Star Joe DiMaggio geheiratet«, erzählte ich.

»Wenn ich groß bin«, sagte Vickie, »heirate ich auch einen Baseball-Star. Dann brauche ich keine krummen Dinger mehr zu drehen und mich nicht mehr zu verstecken.« Sie nagte an ihrer Unterlippe. »Aber wahrscheinlich müsste ich ihn früher oder später umbringen«, sagte sie leichthin, »so wie ich dich eines Tages töten werde.«

Ich nickte. Widersprich nie einer Frau, hatte Johann gesagt, denn in Kürze tut sie das selbst. Aber sie nahm es nicht zurück.

»Bist du noch in der Fillmore?«, fragte ich und ließ meine Stimme so beiläufig klingen, als bitte ich sie bei Tisch ums Salz.

Sie schüttelte den Kopf und erklärte, sie wohne jetzt bei einer Bekannten drüben in Berkeley.

»In Be-berkeley«, sagte sie.

»Bei was für einer Bekannten?«

»Ach, da-das ist eine Italienerin, di-die einen Profe-fessor aus Be-berkeley geheiratet hat, Francesca.«

»Ich brauche ein paar Sachen«, sagte ich, »und ich brauche Kohle.«

Das Geld hatten wir unter verschiedenen Namen auf mehrere Konten verteilt, an die wir nur gemeinsam rankamen. Wir wollten da so selten wie möglich vorsprechen. Eine andere Zapfstelle war Vickies Kreditkarte. Ich schlug vor, uns für den nächsten Mittag zu verabreden. Wir hatten noch nicht darüber gesprochen, was zu tun wäre, wenn uns der anonyme Briefschreiber näher auf die Pelle rückte.

Bis bald, hatte es geheißen. Bald, das konnte heute sein, morgen oder am Sankt-Nimmerleins-Tag.

»Über allen Gipfeln ist Ruh«, murmelte ich, »in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch; die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde«, und ich dachte an den Erpresser, »ruhest du auch.«

Sie guckte mich schläfrig an.

»Was mümmelst du da?«, fragte sie, aber es klang desinteressiert. »Sag mir lieber, wo wir uns treffen wollen.«

»Am alten Hafen, Fisherman’s Wharf, Pier neununddreißig, Punkt zwölf.«

Sie gab sich zögernd einverstanden. Im Augenblick schien ihr das nicht so wichtig zu sein. Es ging ihr gut. »Morgen ist morgen«, sagte sie lethargisch, »lass uns jetzt gehen.« Sie griff in ihre Jeanstasche und reichte mir ein paar Scheine.

Bevor wir hinunterstiegen, prägte ich mir den Weg zur Feuerleiter ein. Man musste über ein paar mit Blech verkleidete Rohrleitungen springen und durfte nicht über die Lüftungsklappen und die Blitzableiter stolpern. Hier und da lag Metallgerümpel herum, Schellen und Rohrstücke, wie sie die Klempner verwendeten. Allzu große Hindernisse gab es nicht. Das Problem war nur, dass ich im Falle eines Falles vom Zimmer aufs Dach gelangen musste. Durch den Lichtschacht würde es nicht gehen. Ich schaute probehalber hinab und sah, wie eine Gestalt von dem Fenster da unten zurücktrat. Von meinem Fenster.

Coyote

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