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Auf der Fahrt zurück in die City überdachte ich meine Pläne.

Linnet hatte eine andere Kassette eingelegt. Look on down from the bridge, sang die dunkle Elfe von Mazzy Star, und sie ließ uns nicht im Unklaren, welche Brücke sie meinte. Danach sinnierte ein trauriger junger Mann über four hearts in a can. Vier Herzen, gefangen in einer Büchse, versuchten zu entkommen, darauf aus, tausend Probleme hinter sich zu lassen, auf dem Weg nach draußen, unterwegs zu Problem Nummer tausendundeins.

»Wer singt da?«, erkundigte ich mich.

»Bill Callahan natürlich«, meinte Linnet, als gehöre das zur Allgemeinbildung. »Die Band heißt Smog.«

Das Lied war eine weitere Perle aus dem Collier, das hier so viele zu tragen schienen, sie schmückten sich mit unheilbarer Melancholie. Das Irritierende daran war, dass es mich magisch anzog.

Ich hatte beschlossen, morgen zu dieser Beerdigung zu gehen. Die zweite Version der LaFleur-Geschichte, bei der Linnet versprochen hatte, sich an die Fakten zu halten, war kaum weniger schillernd als die erste.

Edith Jeanne LaFleur war, kurz gesagt, die Gattin eines Multimillionärs und hatte sich nach dessen Tod in Burlingame ein Anwesen gekauft, das ein bisschen abseits lag. Sie hielt sich drei Bedienstete, von denen nur das Hausmädchen, eine Frau um die dreißig, über Nacht bei ihr blieb. Für den Abend, an dem es geschah, hatte Mrs. LaFleur ihr allerdings freigegeben, und sie war nach San Francisco aufgebrochen, um angeblich ihre Schwester zu besuchen, aber nie dort angekommen. Jedes Mal, wenn sich LaFleur junior angekündigt hatte, zwei-, dreimal im Monat, hatte seine Mutter ihrer Bediensteten diesen freien Abend gewährt.

Als ihr Sohn Richard diesmal auftauchte, fand er seine Mutter in ihrem Blute liegend vor. Im Nachbarzimmer entdeckte er, vor dem geöffneten Safe, einen Mann mit eingeschlagenem Schädel, neben ihm in Reichweite einen Revolver und einen Krückstock. LaFleur junior rief die Polizei. Es sah ganz so aus, als hätte seine Mutter den bewaffneten Einbrecher überrascht und mit der Krücke niedergeschlagen, worauf es ihm aber noch gelang, auf sie zu schießen. Sie war wohl ins nächste Zimmer gekrochen, hatte es jedoch nicht mehr bis zum Telefon geschafft. Richard hielt sie für tot.

Drei Tage später stand fest, dass die alte Mrs. LaFleur überleben würde. Am selben Abend wurde ihr Sohn auf dem Flughafen verhaftet, mit einem Ticket nach Paraguay, wo er angeblich geschäftlich zu tun hatte.

Während des Prozesses kam ans Licht, dass der Tote ein Killer gewesen war, nach dem schon wegen anderer Fälle gefahndet wurde. Bis dahin hatte er nie etwas angerührt, geschweige denn sich an einem Geldschrank vergriffen. Mrs. LaFleur konnte sich an nichts erinnern. So rekonstruierte der Staatsanwalt aus den Indizien folgenden Hergang: LaFleur junior hatte den Mann angeheuert, um ans Erbe zu kommen, ihn dann getötet und damit sowohl den einzigen Zeugen für den Deal beseitigt als auch dessen Honorar gespart. Blieb offen, wieso sich ein Profikiller erschlagen ließ. Aber vielleicht hatte er seinem Auftraggeber vertraut und nichts dabei gefunden, dass der kurz nach der Tat aufkreuzte. Richard hatte wohl den Safe selbst geöffnet, denn der wies keinerlei Spuren von Gewaltanwendung auf. Sollte es so gewesen sein, war ihm nur ein gravierender Fehler unterlaufen: sich nicht wirklich zu vergewissern, ob seine Mutter tot war.

Die Presse orakelte, dass er es gemerkt hätte, aber nicht in der Lage gewesen wäre, selbst auf sie zu schießen. Er hätte gehofft, sie werde den Geist schon noch aufgeben, schließlich hatte erst die Polizei einen Arzt verständigt. Als er erfuhr, dass sie doch überleben würde, drehte er durch und versuchte zu fliehen. Für die Geschäfte in Paraguay gab es keinerlei Beweis, die vorgeblichen Partner blieben unauffindbar. Er gestand lediglich ein, dass es mit Abstand moralisch bedenklich wäre, wegen eines Profits seine Mutter mehrere Tage auf der Intensivstation allein zu lassen, aber das stemple ihn noch nicht zum Mörder.

Die Jury befand ihn für schuldig. Entscheidend war, dass sich in dem Hotelzimmer, in dem der Killer zuletzt gewohnt hatte und auf das die Polizei durch einen anonymen Tipp aufmerksam wurde, ein Notizbuch fand, in dem Richard LaFleurs Telefonnummer stand. Er wurde zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt.

Ich wusste noch immer nicht, wieso mir der Name LaFleur so vertraut erschien. Aber ich war neugierig, was für Leute sich dort blicken ließen, ich hoffte, der Groschen würde fallen. Zuvor würde ich mich morgen Mittag mit Vickie treffen.

Linnet nahm eine sonderbare Route, plötzlich waren wir in der Fillmore Street, und dann stoppte sie vor einem Haus, das ich gut kannte. Sie grinste, als sie wieder Gas gab. Es ging geradeaus bis zur Haight Street, die sie hinauffuhr Richtung Ashbury, und sie hielt vor dem Tabakladen, der meine Gitanes führte.

»Ich warte hier«, sagte sie.

Sprachlos hüpfte ich hinein.

Als Nächstes stoppte sie vorm Red Victorian. Keine Ansage, ich wusste auch so Bescheid.

Die hübsche kleine Stadtrundfahrt führte dann ohne Umschweife nach North Beach, und als Linnet den Mercury die Green Street zum Telegraph Hill hinaufklettern ließ, dachte ich schon, sie wolle mich zum Abschluss mit einem Rundblick über die Stadt im Nebel beglücken. Doch sie hielt, bevor es steil wurde, vor einem blauen Häuschen.

»Erster Stock«, sagte sie, »für alle Fälle. Meinen Namen kennst du ja. Aber klingle, wenn ich nicht da bin, um Gottes willen bei niemand anderem.« Sie setzte mich an der Mündung der Stockton Street in die Columbus Avenue ab, die letzten Meter, meinte sie, überlasse sie mir.

»Danke für die Vorführung. Kennst dich verdammt gut aus«, sagte ich. »Weißt du das alles von Bekker?«

Es war keine der Fragen, die sie mir beantworten wollte.

»Pass auf«, sagte sie stattdessen, »pass auf dich auf. Die Geschichte geht erst richtig los. Du wirst noch staunen.«

Coyote

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