Читать книгу Adventmörder - Joachim Koller - Страница 18
19 Uhr
Оглавление»Du hast mir noch eine Gute-Nacht-Geschichte versprochen, Mama«, forderte Juliana aus dem Kinderzimmer, gerade als Hans Martin die Wohnung betrat. Da sie Hans Martin hörte, änderte sie ihren Wunsch und wünschte sich von ihm, dass er sich zu ihr ans Bett setzte.
»Die Geschichte von der Prinzessin und dem traurigen Drachen. Die möchte ich heute hören.«
Hans Martin wusste, dass jeder Widerstand sinnlos war. Er setzte sich auf die Bettkante und begann zu lesen.
Dabei genoss er das Gefühl, welches er seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. Gleichzeitig überkam ihm aber auch eine Traurigkeit, da ihn die Situation schmerzhaft an seine Tochter erinnerte.
Fast eine Stunde las er leise aus dem Kinderbuch vor, erst dann schlief Juliana tief und fest. Camilla erwartete ihn im Wohnzimmer mit einem breiten Lächeln, bei dem sie ihre weißen Zähne präsentierte.
»Ich habe schon gedacht, Du schläfst auch ein.«
»Viel hätte nicht mehr gefehlt.«
»Lust auf Abendessen? Ich habe Reisfleisch gemacht.«
»Gerne.«
In diesem Moment spürte Hans Martin, wie sehr ihm manchmal ein normales Privatleben fehlte. Beim gemeinsamen Abendessen berichtete Hans Martin in groben Zügen vom Tag, bis er sich durchrang und von seiner Vergangenheit sprach.
»Du hast schon öfter gefragt, was damals vorgefallen ist, warum ich geschieden bin und was mit meiner Tochter geschehen ist.«
Camilla nickte und reichte ihm eine Dose Bier.
Hans Martin begann zu erzählen, worüber er bislang nicht reden wollte. Er erzählte ihr von seinen damaligen Undercoveraktionen, bei denen die Aufgaben breit gefächert waren. Drogenbanden unterwandern, Diebesbanden und Waffenschieber dingfest machen oder Schleppergruppen auffliegen zu lassen. Bei der letzten Mission flog seine Tarnung auf. Die Verbrecherbande konnte bei einer Drogenübergabe zwar festgenommen werden, aber ein Kollege gratulierte ihm vor versammelter Mannschaft. Die Rache folgte einige Tage später, als seine neunjährige Tochter in einem nahe gelegenen Park überfallen und mit einer Überdosis umgebracht wurde. Für Hans Martin brach eine Welt zusammen. Die sowieso schon angespannte Ehe ging zu Bruch und er hatte voller Hass nur noch ein Ziel vor Augen.
»Es hat zwei Wochen gedauert, in denen ich auf alles vergaß. Essen, Trinken, soziale Kontakte, alles egal, ich wollte nur noch herausfinden, wer für den Mord an meinem Kind verantwortlich war. Es stellte sich heraus, dass ein paar korrupte Kollegen und einige Unterweltgrößen ihre Hände im Spiel hatten.«
Hans Martin nahm einen Schluck aus der Dose, während Camilla interessiert lauschte.
»Kurz darauf folgte eine nächtliche Aktion meinerseits. Ich will Dich nicht unnötig schocken, aber es haben viele dabei büßen müssen. Die Medien haben von einer groß angelegten Serie von Mordanschlägen durch eine kriminelle Organisation gesprochen, bei der sowohl Kontrahenten als auch Polizisten umkamen. Nur einer wusste, dass es mein persönlicher Feldzug war, der damalige Innenminister. Er hat mich gedeckt und mit dem Job im Bundesministerium dafür gesorgt, dass ich aus der Schusslinie kam. Heute noch habe ich diesen Job nicht vollständig lieb gewonnen. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum ich an den Ermittlungen zu den Mordfällen dabei sein möchte. Der damalige Innenminister ist inzwischen Bundespräsident und geht nächstes Jahr in den wohlverdienten Ruhestand.«
Hans Martin lehnte sich zurück, leerte seine Dose und schloss die Augen. Die Bilder von damals kamen wieder hoch, doch seine Verzweiflung, die er meistens dabei empfand, hielt sich in Grenzen. Camilla schwieg und griff nach seiner Hand, um sie fest zu drücken.
»Danke für Deine Offenheit«, flüsterte sie ihm nach einigen Minuten zu, bevor sie aufstand und ihn küsste.