Читать книгу Adventmörder - Joachim Koller - Страница 7
21:30 Uhr
ОглавлениеIm kleinen Konferenzzimmer des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung waren alle Personen versammelt, die mit der Überwachung der rechtsradikalen Gruppe zu tun hatten. Insgesamt war ein achtköpfiges Team unter der Leitung von Hans Martin an der Operation beteiligt gewesen. Hans Martin stand vor seinen Leuten und berichtete von dem Blutbad in der Wohnung und dem Abschluss ihres Falls.
»Für uns ist die Operation damit vorerst erledigt. Wie wir vermuteten, war ein Anschlag auf ein jüdisches Lokal geplant. Aus Sicherheitsgründen wird diese Versammlung nun mit unauffälligem Polizeischutz abgehalten werden. Die genauen Umstände, was mit den drei Subjekten passiert ist, wird die Mordkommission zu klären haben.«
»Es tut mir leid, aber ich habe nicht gerade großes Mitleid mit diesen Nazischweinen, Chef«, meldete sich Omar, einer der Experten, wenn es um Telefon- und Internetüberwachung ging.
»Ich weiß Omar. Aber es wäre mir lieber gewesen, wir hätten sie noch befragen können. So muss man den Medien etwas geben, damit nicht zu viele Fragen gestellt werden.«
»Was sollen wir den Medien mitteilen?«, fragte Michaela, die für die Pressearbeit der Abteilung zuständig war.
»Im Moment gar nichts. Ich bin mir sicher, dass ein voll motiviertes Team aus der Mordabteilung sich des Falles annehmen wird und wir keine Arbeit mehr damit haben werden. Somit bleibt es eine Geheimoperation und wir haben keine Probleme mehr. Damit sind wir für heute fertig, gehen Sie heim und genießen Sie alle morgen einen freien Tag.«
Diese Nachricht wurde mit lautem Beifall aufgenommen.
Gabriele wartete, bis alle den Raum verlassen hatten, bevor sie zu Hans Martin ging.
»Gilt der freie Tag auch für mich?«
»Ja, Gabriele. Du hast erwähnt, dass Oliver auch frei hat, also macht Euch gemeinsam einen schönen Tag.«
»Vergiss nicht, morgen um 17 Uhr, bei uns. Du kannst Camilla gerne mitnehmen, wenn Du möchtest. Natürlich mitsamt Tochter.« Gabriele schmunzelte.
»Ich weiß noch nicht. Camilla und ich ... Sagen wir so, wir gehen es langsam an. Seit sie nicht mehr in der Bar arbeitet und den Kurs als Buchhalterin macht, ist sie sehr beschäftigt. Die Therapie für ihre Tochter hat zwar keine Wunder bewirkt, aber die Kleine kommt inzwischen sehr gut mit ihrem Rollstuhl zurecht.«
»Triffst Du sie heute noch?«, bohrte Gabriele nach.
»Ja. Hast Du noch mehr Fragen, oder willst Du endlich heim zu Deinem Oliver?«
»Schon gut Chef.« Gabriele setzte ein Lächeln auf. »Bis morgen Hans Martin.«
Sie war schon fast aus der Tür hinaus, als sie sich umdrehte.
»By the way, der freie Tag darf auch von Dir genossen werden.«
Dann war sie verschwunden.
Hans Martin packte alle Unterlagen zusammen und sortierte sie ein. Als er mit seinen Bürotätigkeiten fertig war, zeigte die Uhr schon nach 22 Uhr. Mit einem Glas Wasser und einer Zigarette in der Hand überlegte er, ob er Camilla noch anrufen sollte.
Er hatte sie vor längerem in einem Nachtlokal kennengelernt, als sie dort als Prostituierte arbeitete. Mit etwas finanzieller Unterstützung konnte er sie überzeugen, den Job aufzugeben und sich um eine gute Ausbildung zu kümmern. Camillas Tochter Juliana war seit ihrer Geburt an den Rollstuhl gefesselt, konnte aber mit ihren zehn Jahren bemerkenswert gut damit umgehen. Sie hatte Hans Martin ins Herz geschlossen und nahm ihn jedes Mal in Beschlag, wenn er zu Besuch kam. Auch ihm tat es gut, für einige Zeit den Beruf zu vergessen und ganz unbeschwert sein zu können.
Camilla war zwar noch wach, als er sie anrief, hatte aber einen anstrengenden Tag hinter sich und wollte nur noch ins Bett. Dafür hatte sie einen Vorschlag für Hans Martin.
»Ich habe Juliana versprochen, morgen den Tiergarten zu besuchen. Sie würde sich freuen, wenn Du mitkommst.«
»Warum nicht? Ich habe morgen allen frei gegeben, das gilt wohl auch für mich.«
»Ich würde mich natürlich auch freuen, außerdem ...«
Hans Martin hörte aus ihrer Stimme, dass sie etwas bedrückte.
»Was ist los, Camilla?«, fragte er besorgt.
»Es ist nichts ... Nur etwas, was ich mit Dir besprechen möchte.«
»Worum geht es, Du klingst, als würde Dir etwas Sorgen machen.«
Camilla schwieg einige Sekunden.
»Es ist wegen Juliana. Ihr Erzeuger hat sich gemeldet.«
Hans Martin wurde hellhörig. Er wusste nur wenig von dem Mann, den Camilla aus ihrer Zeit in der Slowakei kannte. Julianas leiblicher Vater war noch vor ihrer Geburt verschwunden. Er war in diverse kriminelle Machenschaften verwickelt, von Drogen bis zu Menschenhandel. Camilla wollte sich damals von ihm nicht hineinziehen lassen und brach jeden Kontakt ab. In den Jahren in Victors Bar konnte sie auf die Hilfe und den Schutz durch Victor, und vor allem seine beiden Türsteher Igor und Sergie, zählen.
»Er hat mich heute angerufen und will mich sehen«, erzählte sie.
»Und Du?«
»Ich will ihn nicht in meinem Leben haben. Juliana kennt ihn nicht. Sie ... Sie hat zu mir gesagt, sie braucht keinen Papa.«
Hans Martin hörte, wie Camilla schmunzelte.
»Juliana hat gemeint, der einzige Mann, auf den sie hören würde, wärst Du.«
Hans Martin konnte nicht antworten, ihm steckte plötzlich ein Kloß im Hals. Er mochte das Mädchen sehr, und nicht nur einmal hatte er darüber nachgedacht, wie ein glückliches Familienleben mit beiden aussehen würde. Aber seit dem Tod seiner Tochter und der Trennung von seiner damaligen Frau war er zum verschlossenen, oft griesgrämigen Einzelgänger geworden. Selbst Gabriele, die er schnell ins Herz geschlossen hatte, erfuhr erst vor einem Jahr Genaueres aus seinem privaten Vorleben. Camilla wusste nur, dass er geschieden war und seine Tochter nicht mehr am Leben war. Die genauen Hintergründe hatte er ihr verschwiegen.
»Wenn das so ist, dann bin ich ja direkt verpflichtet, Euch morgen zu begleiten. Welche Tiere mag sie besonders?«
»Das sind eindeutig die Pinguine. Sie kann stundenlang vor deren Gehege stehen bleiben und den Tieren zusehen.«
Hans Martin versprach, in der Früh mit frischem Gebäck vorbeizukommen und den Tag mit ihnen zu verbringen. Gleichzeitig hatte er eine besondere Überraschung für Juliana im Kopf.