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18:30 Uhr

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Auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Wohnung bereiteten sich vier Männer in schwarzen Schutzwesten auf ihren Einsatz vor. Die Männer der Spezialeinheit Cobra überprüften ihre Waffen und studierten den Raumplan vor sich. Auf einem Computer waren die Polizeiakten der observierten Personen zu sehen. Davor saß Hans Martin Gross, Abteilungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, mit seiner Sekretärin und Kollegin Gabriele Zauner und ging die Einsatzpläne nochmals durch.

»Inzwischen sind sie seit einer halben Stunde in der Wohnung versammelt. Auf unseren Befehl wird die Wohnung gestürmt. Alle drei Personen sind vorbestraft und wahrscheinlich bewaffnet. Rechnen Sie mit einem hohen Gewaltpotenzial, dennoch wäre es von Vorteil, wenn wir die Männer lebend einkassieren können«, informierte Gabriele den Teamleiter. Sie blätterte auf ihrem Tablet-PC die Bilder der drei Glatzköpfe durch.

»Was glauben Sie, dass wir reingehen und wild herumballern? Das ist nicht unsere Vorgehensweise, schöne Frau«, empörte sich der Teamleiter. Gabrieles Chef trat zu ihnen heran.

»Was meine geschätzte Kollegin meint, ist die Tatsache, dass diese Männer bereit sind, für ihre rechtsradikale Einstellung über Leichen zu gehen.«

Hans Martin strich sich über seinen grauen Schnauzbart.

»Wenn Sie den Männern eine Chance zur Gegenwehr geben, werden sie zu ihren Waffen greifen. Wir wissen, dass sie im Besitz von Handfeuerwaffen sind und es ist anzunehmen, dass sie Gebrauch davon machen würden. Geben Sie ihnen keine Möglichkeit dazu. Ich möchte nur sichergehen, dass niemand von ihrem Team zu Schaden kommt«, erklärte er dem Mann, während er sich seine beige Jacke überstreifte.

»Wie lange hat das Bundesamt für Terrorismusbekämpfung schon ein Auge auf die Jungs?«, fragte der Teamleiter.

»Wir observieren die Gruppe nun schon seit über vier Monaten und in dieser Zeit haben wir Beweise für unzählige Körperverletzungen und Sachbeschädigungen zusammengetragen. Aber sie planen etwas Größeres, deshalb müssen wir heute eingreifen und sie hochnehmen. Nicht ohne Grund habe ich persönlich die Leitung übernommen. Und meine Kollegin hier ...«, er deutete auf Gabriele, die gerade ihren langen, strohblonden Pferdeschwanz festzog, »... kann über ihren Computer alle notwendigen Informationen parat stellen. Wohnungsplan, Fluchtmöglichkeiten, aktuelle Bilder der Verdächtigen ...«

»Das heißt, sie kommen mit uns und Frau Zauner wird sich nach der Festnahme der Personen um die Computer kümmern?«

Gabriele nickte.

»Ganz genau. Mein Chef und ich werden natürlich erst die Wohnung betreten, wenn wir von Ihnen das Okay dazu haben.«

Der Teamleiter grinste sie an.

»Gut so. Es wäre wohl keine gute Idee, mit uns in die Wohnung zu laufen, wenn wir es mit derart gefährlichen Subjekten zu tun haben.«

»Laufen ist nicht gerade meine Stärke. Mit einem steifen Knie ist das etwas mühsam«, klärte Gabriele ihn auf und zeigte auf ihren ausgestreckten Fuß.

»Das ist mir schon aufgefallen. Entschuldigung.«

»Kein Problem. Ich humple zwar, aber meine Arbeit wird darunter nicht leiden.«

»Noch zehn Minuten bis zum Zugriff«, informierte Hans Martin alle Anwesenden.

Der Teamleiter nickte und blickte wieder zu Gabriele. Schon vom ersten Treffen an schien er ein Auge auf sie geworfen zu haben.

»Wie ist das passiert, wenn ich fragen darf?«

»Können Sie sich an den Hauseinsturz vor einem Jahr erinnern, die Anschläge in Wien?«

»Ja, eine sehr unangenehme Angelegenheit.«

»Und wie. Ich war damals im Haus, als die Bomben hochgingen.«

Der Mann hob seine Augenbrauen und verkniff sich weitere Fragen. Sein Blick wanderte dafür mehrmals über Gabrieles schlanke Figur.

»Wir begeben uns in Position. Ich melde mich bei Ihnen, Herr Gross«, verabschiedete sich der Teamleiter und ging mit seinen Männern hinaus.

Hans Martin setzte sich seine Kopfhörer auf, um mit dem Einsatzteam verbunden zu sein.

»Wenn Oliver gesehen hätte, wie der Typ Dich mit den Augen auszieht, wäre seine Eifersucht wieder mit ihm durchgegangen«, schmunzelte Hans Martin.

»Garantiert. Aber dieser Manfred Stabler ist mit seinen 48 Jahren nicht nur über zehn Jahre älter als ich, er ist auch äußerlich und charakterlich alles andere als mein Typ. By the way, vergiss nicht, Du bist morgen zum Abendessen bei uns eingeladen. Wir sind fertig mit der Wohnung, die letzten Spuren von Olivers Umzug sind endlich beseitigt.«

»Du wolltest so schnell mit ihm zusammenziehen, oder?«

Gabriele grinste.

»Ja, Papa. Danke nochmals für Deine Hilfe.«

»Selbstverständlich.«

Hans Martin Gross und Gabriele Zauner hatten eine besondere Beziehung zueinander, die über das Dienstliche hinausging. Gabriele sah in ihrem Chef nicht nur einen Vorgesetzten, sondern auch einen väterlichen Freund. Genauso wie Hans Martin sie nicht nur als Kollegin, sondern mehr wie eine Stieftochter, sah. Deshalb war es Gabriele sehr wichtig gewesen, mit ihm über ihre Entscheidung zu reden, bevor Oliver bei ihr einzog. Seit eineinhalb Jahren waren sie nun schon ein Paar und Gabriele war sich sicher, einen Mann für eine wirklich lange Beziehung gefunden zu haben. Sein einziges Manko war seine ständige Eifersucht, die aber seit jeher unbegründet war.

»Herr Gross, wir sind in Position. Ein Mann sichert den Stiegenaufgang, drei stürmen auf ihren Befehl.«

Hans Martin holte tief Luft. In wenigen Minuten würde eine wochenlang geplante Aktion ihren Höhepunkt finden und die mutmaßlichen Neonazis dingfest gemacht werden. Der Erfolg würde mit Sicherheit medienwirksam verbreitet werden, in der Hoffnung, weiteren rechtsradikalen Gruppierungen etwas Wind aus den Segeln zu nehmen.

»Dann los, Zugriff!«, befahl er und begab sich mit Gabriele zum Wohnzimmerfenster. Sie standen genau gegenüber der Wohnung der Verdächtigen. Hans Martin hielt sein Headset in der Hand, damit auch Gabriele mithören konnte.

Adventmörder

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