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b) Tatmehrheit

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Demgegenüber liegt Tatmehrheit (Realkonkurrenz) vor, wenn jemand mehrere Straftaten begangen hat, die gleichzeitig abgeurteilt werden (§ 53 Abs. 1 StGB). Es wird dann eine Gesamtstrafe nach den Vorgaben des § 54 StGB gebildet. Dazu wird die schwerste zu verhängende Einzelstrafe, die sog. Einsatzstrafe, durch zusammenfassende Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Strafen angemessen erhöht (§ 54 Abs. 1 S. 3 StGB). Dabei sind unter anderem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihr Zusammenhang und ihre größere oder geringere Selbstständigkeit zu berücksichtigen.[1142] Die tatrichterliche Praxis orientiert sich häufig als Faustformel an einer Erhöhung der Einsatzstrafe um etwa die Hälfte der Summe der weiteren verwirklichten Strafen.[1143] Die höchstrichterliche Rspr. lehnt schematische Modelle ab und fordert eine Gesamtschau von Unrechtsgehalt und Schuldumfang.[1144] Das Höchstmaß der Gesamtstrafe ist dadurch begrenzt, dass es die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf (§ 54 Abs. 2 S. 1 StGB). Nach § 55 StGB kann eine Gesamtstrafe auch nachträglich gebildet werden, wenn nach noch nicht vollstreckter rechtskräftiger Verurteilung eine weitere Verurteilung wegen einer vor der früheren Verurteilung begangenen Tat erfolgt.

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Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbstständige Tat i.S.d. § 53 StGB zu werten. Werden Steuererklärungen abgegeben, die verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen, stehen diese somit zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit. Eine einheitliche Zielsetzung des Täters, ein übereinstimmender Beweggrund oder die Verfolgung eines Endzwecks begründen Tateinheit ebenso wenig, wie das bloße Zusammenfallen von zwei Tatbeständen, bei denen der Täter den einen Tatbestand lediglich gelegentlich der anderen Tat verwirklicht.[1145] Die frühere Rspr.,[1146] wonach Tateinheit ausnahmsweise vorliegen könne, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden, hat der 1. Senat mit Beschluss vom 22.1.2018 (1 StR 535/17) aufgegeben.[1147] Ebenso wenig ist für die konkurrenzrechtliche Bewertung erheblich, dass die Erklärungen hinsichtlich der verschwiegenen Betriebseinnahmen inhaltlich übereinstimmen.[1148]

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Bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist ebenfalls im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von einer selbstständigen Tat auszugehen.[1149] Allein ein einheitlicher Tatentschluss, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit.[1150] Tateinheit ist nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären.[1151] So hinterzieht etwa der Täter beim Schmuggel von Zigaretten dadurch, dass er bei der Einfuhr die ihm obliegenden Erklärungspflichten nicht erfüllt sowohl Einfuhrumsatzsteuer als auch Tabaksteuer.[1152]

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Die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen ist nach aktueller Rechtsprechung des 1. Senats als mitbestrafte Vortat einer Steuerhinterziehung durch Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung desselben Jahres zu qualifizieren.[1153] Gleiches hat der BGH für den Fall der Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und der nachfolgenden Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung entschieden.[1154] Für die bislang nicht entschiedenen „Mischfälle“ der Nichtabgabe von Voranmeldungen und der Abgabe einer fehlerhaften Jahreserklärung sowie der Abgabe fehlerhafter Voranmeldungen und der Nichtabgabe einer Jahreserklärung wird nichts anderes gelten, da der BGH für die Frage der mitbestraften Vortaten allgemein auf das Verhältnis zwischen Voranmeldungen und Jahreserklärung abstellt, ohne einen Unterschied bzgl. der Begehungsform zu machen. Ausdrücklich führt der BGH in seiner Entscheidung vom 25.10.2018 aus: „Den Feststellungen kann … nicht entnommen werden, ob der Angeklagte auch in der Umsatzsteuerjahreserklärung unrichtige Angaben gemacht bzw. eine solche nicht abgegeben hat, obwohl eine Pflicht dazu (noch) bestand“.[1155] Es spielt folglich keine Rolle, ob den durch Nichtabgabe von Voranmeldungen begangenen Steuerhinterziehungen hinsichtlich der Jahreserklärung eine durch Tun oder Unterlassen begangene Steuerhinterzieung nachfolgt.[1156] Gleiches gilt nach Abgabe falscher Umsatzstseuevoranmeldungen. Demgegenüber versteht etwa Ebner die Rspr. so, dass nur dann allein auf die Umsatzsteuerjahreserklärung abzustellen sei, wenn eine solche auch abgegeben worden ist. Wurden lediglich falsche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, im Anschluss aber eine Umsatzsteuerjahreserklärung gänzlich unterlassen, so lägen mangels „Durchgangsstadium“ im Sinne des Urteils (IV.2.a bb (2)) im Grundsatz nach wie vor mehrere tatmehrheitliche Steuerhinterziehungen vor.[1157] Vor der Rspr.-Änderung war die h.M. der Ansicht, zwar bezögen sich die Erklärungen auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen eines Jahres, dennoch komme ihnen „aufgrund der steuerrechtlichen Selbstständigkeit beider Besteuerungsverfahren“[1158] jeweils ein eigenständiger Erklärungswert zu, der auch durch die Zusammenfassung in der Jahreserklärung nicht deckungsgleich werde.[1159] Mit der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung verwirkliche der Täter daher weiteres Handlungs- und Erfolgsunrecht, indem er eine eigenständige Gefährdung für das Umsatzsteueraufkommen herbeiführe.[1160] Nach der aktuellen Rspr. des BGH ist, wenn es zur tatbestandlichen (Nichts-)Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung kommt, nur eine Tat der Umsatzsteuerhinterziehung verfolgbar, auch wenn bereits keine oder falsche Voranmeldungen abgegeben worden sind.[1161] Der in früheren Entscheidungen angeregten Verfolgungsbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO bedarf es daher nicht mehr. Der BGH betont, dass sich für das konkurrenzrechtliche Verhältnis von unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen und unrichtiger Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres auch keine Unterschiede in Abhängigkeit davon ergeben, ob der Täter aufgrund falscher Angaben in den Voranmeldungen zunächst nur Liquidität erreichen wollte oder ob er von Anfang an auf Dauer Steuern verkürzen wollte. Bleibe der Hinterziehungsumfang durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung hinter demjenigen unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen zurück, könne darin eine strafbefreiende Teilselbstanzeige liegen (vgl. § 371 Abs. 2a Satz 1 und 4 AO, siehe dazu § 371 Rn. 75).[1162] Kommt es nach Nichtabgabe oder Abgabe von falschen Voranmeldungen nicht zur Abgabe einer Jahreserklärung, so werden die bzgl. der Voranmeldungen begangenen Taten erst dann konsumiert, wenn die in der (Nicht-)Abgabe der Jahreserklärung liegende Steuerhinterziehung vollendet ist[1163] (zur Vollendung siehe Rn. 184 ff.). Ist insoweit Vollendung noch nicht eingetreten, so können bis zu 12 Taten der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe falscher Voranmeldungen tatmehrheitlich verwirklicht sein. Die Verwirklichung von „bis zu dreizehn materiell voneinander unabhängigen Taten der Steuerhinterziehung“ kommt entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr in Betracht.[1164]

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Um mehrere Taten i.S.d. § 53 StGB handelt es sich bei der Hinterziehung der gem. § 41a EStG monatlich vom Arbeitgeber anzumeldenden Lohnsteuer und der jährlich vom Arbeitnehmer zu erklärenden Einkommensteuer. Insoweit kommen, bezogen auf ein Jahr, weiterhin 13 eigenständige Hinterziehungstaten in Betracht.[1165] Der BGH hat dazu klargestellt, dass sich der Arbeitnehmer an den auf die Lohnsteuer bezogenen Taten des Arbeitgebers als Täter oder Gehilfe beteiligen kann oder aber die Hinterziehung in mittelbarer Täterschaft begehen kann, indem er etwa dem Arbeitgeber falsche Lohnsteuermerkmale mitteilt.[1166] Daneben tritt als weitere eigenständige Tat die Hinterziehung von Einkommensteuer durch den Arbeitnehmer, wenn seine Veranlagung nach dem Einkommensteuergesetz durchzuführen ist und er insoweit unrichtige Erklärungen abgibt oder die Abgabe einer Steuererklärung unterlässt. An dieser Tat kann sich der Arbeitgeber als Täter oder als Gehilfe beteiligen.[1167] Fraglich ist, ob im Verhältnis der Lohnsteuer zur Einkommensteuer (ebenso wie im Verhältnis der Umsatzsteuervoranmeldung zur Jahreserklärung) von einer einheitlichen prozessualen Tat i.S.d. § 264 StPO auszugehen ist.[1168] Zu beachten ist insoweit, dass erklärungspflichtig hinsichtlich der Lohn- und der Einkommensteuer – anders als bei der Umsatzsteuer – unterschiedliche Personen, nämlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sind. Eine einheitliche prozessuale Tat kommt z.B. in Betracht, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Schwarzlohnabrede treffen.[1169]

Steuerstrafrecht

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