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Zwischenbilanz

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Ernst Moritz Arndts poetische und politische Wälder gleichermaßen zeigen sich wesentlich stärker national bestimmt, als es bei Tieck oder Eichendorff der Fall war. Während deren Waldimaginationen eine gewisse Bandbreite kultureller Bedeutungen beinhalteten, reduzierte sich eine solche Vielfalt bei Arndt wegen seiner Fixierung auf Identitätsfragen erheblich. Im Laufe der Zeit verknüpfte er die bei anderen Autoren meist noch getrennten Denkbilder deutsche Eiche und deutscher Wald sowie die Bereiche silvaner und fluvialer Idealnatur. Besonders seit Beginn der antifranzösischen Agitation bald nach der Jahrhundertwende finden sich kaum noch naturale Bedeutungszuschreibungen ohne implizite oder sogar explizite Bezüge auf eine germanisch-deutsche Identität. Zudem zeigen sich erstmals in der Ideengeschichte des Silvanen später vielfach wiederaufgenommene Ansätze, für die Interpretation von Landschaftsbild wie Volkscharakter anderer Kollektive auch judenfeindliche und antinomadische Stereotype einzubeziehen.

Das naturale Ideal Arndts war jedoch weder ein unberührter Wildniswald noch ein effizienter Nutzforst, sondern ein vorwiegend von bäuerlichen Bedürfnissen bestimmter Wald der gemischten Nutzungen. Dieses explizite Gegenbild zu den Sphären von Stadt und Industrie sollte das gemeinsame Überleben von Forsten und Bauern garantieren, die er als die beiden naturnahen und traditionellen Fundamente des deutschen Volkes verstand. Da solche menschlichen Bedürfnisse und Interessen für Arndt klar im Vordergrund standen, waren seine hauptsächlichen Beweggründe trotz der vergleichsweise frühen Thematisierung von Nachhaltigkeitsgedanken und Umweltwirkungen nicht (proto)ökologisch ausgerichtet. Vielmehr waren diese Aspekte nur klar nachgeordnete Funktionen einer Waldnatur, die in erster Linie aus klimatheoretischen sowie nationalpolitischen Gründen zu schützen und zu erhalten war.

Aufgrund der vor allem zu seinen Lebzeiten enormen Popularität der arndtschen Schriften erreichten solche Überlegungen ein breites Publikum. Einige seiner prägnanten Formulierungen – wie diejenige von der Axt am Volk – wurden noch in späteren Jahrzehnten oft rezipiert und zitiert. Auffällig sind ferner die vielen polaren Gegensätze: im nationalen Bereich von Germanen versus Romanen und Deutschen versus Juden, im naturalen Feld von Nord versus Süd oder Wald versus Wüste. Dies belegt erneut die wesentliche Rolle von Feindbildern des Anderen für die Festigung nationaler Vorstellungen des Eigenen. Überdies zeigt sich am Zeitkontext deutlich, welche radikalisierende Rolle kriegerische Ereignisse in Prozessen der Nationsbildung spielen können. Bei Arndt erfolgte ein entscheidender Wandel von der Silvapoesie zur Silvapolitik, in dessen Folge sich bewaldete patriotische Topographien dauerhaft etablierten.

Der deutsche Wald

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