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f) Einrichtung neuer Studiengänge – insbesondere der „Bologna-Prozess“

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Unter der übergroßen Zahl von Reformen im Hochschulwesen der letzten Jahre nimmt der Bologna-Prozess einen besonderen Rang ein. Bei der Einführung konsekutiver Studiengänge nach dem Bachelor-/Master-Modell mit dem Bachelor-Abschluss als erstem berufsqualifizierenden Abschluss und beschränktem Zugang zum weiterführenden Master-Studiengang ist aber – anders als in anderen Fächern – im Bereich der theologischen Fakultäten die besondere Rechtsstellung der Kirchen auch in der Studienreform zu beachten.[41] Einseitig, d.h. ohne Zustimmung der Kirchen, kann der Staat, dem Universität und Fakultät für diese Problematik im Verhältnis zur Kirche zuzuordnen sind, das kirchliche Examen bzw. das Diplom jedenfalls nicht durch einen Bachelor- oder Masterabschluss ersetzen. Es gehört zu den eigenen Angelegenheiten der Kirchen, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen der Zugang zum priesterlichen bzw. zum Pfarrerberuf möglich ist.[42] Das ergibt sich aus Art. 142 III BV sowie Art. 137 Abs. 3 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG, der das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften sichert.[43] Die Kirchen haben das Recht, die Anforderungen an die Vorbildung ihrer theologischen Mitarbeiter, insbesondere der Pfarrer, selbst zu bestimmen. Da die theologischen Fakultäten der Vorbildung der Pfarrer dienen, müssen die Fakultäten auch auf diese Anforderungen hin ausbilden. Die Kirchen versuchen, den Anforderungen des Bologna-Prozesses für das Theologiestudium aufgrund eigener Ordnungen auf verschiedene Weise Rechnung zu tragen, insbesondere durch eine stärkere Modularisierung des Studiums bei Beibehaltung der Besonderheiten der theologischen Ausbildung und ihrer Studienabschlüsse.[44]

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Durch die Einführung eines Bachelor-/Master-Studiums nach dem Bologna-Modell neben dem zum kirchlichen Examen führenden Studium würde dagegen die Funktion der theologischen Fakultäten nicht unmittelbar berührt. Dennoch können auch solche Studiengänge jedenfalls dann nicht ohne Zustimmung der Kirchen eingeführt werden, wenn sie zu einem kirchlichen Beruf hinführen oder wenn durch ihre Einführung die Theologenausbildung insgesamt beeinflusst wird. Zwar enthält nur der Kirchenvertrag die Klausel, dass für Studiengänge, die zu einem kirchlichen Beruf hinführen, (lediglich) das Benehmen mit dem Landeskirchenrat hergestellt werden muss. Allerdings kann insofern auf die Argumente der Rechtsprechung des BVerwG im Streit um die Einrichtung eines Diplomstudienganges katholische Theologie an der Universität Frankfurt zurückgegriffen werden.[45] Diese geht davon aus, dass die Einrichtung eines Diplomstudienganges „katholische Theologie“ an einer staatlichen Universität, der auf die Ausbildung zum katholischen Volltheologen abzielt und mit einem theologischen Diplom abschließt, wegen seiner Rückwirkungen auf die Theologenausbildung eine gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche sei.[46] Obwohl die Einführung eines Studienganges an sich ein staatlicher Organisationsakt ist, wird damit die Errichtung eines theologischen Studienganges auch als Angelegenheit der Kirchen eingestuft und damit grundsätzlich auch dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche zugeordnet. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar weiter ausgeführt, dass das Recht der Kirchen, ihre Angelegenheiten selbstständig zu ordnen und zu verwalten, seine Schranke nicht nur in einfach-gesetzlichen Regelungen findet, sondern auch in verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, insbesondere in der Garantie der Wissenschaftsfreiheit mit den daraus herzuleitenden staatlichen Aufgaben.[47] Die staatliche Aufgabe der Wissenschaftspflege und das Eigeninteresse des Staates an der Pflege der wissenschaftlichen Theologie kann danach auch dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht als für alle geltendes Gesetz entgegen gehalten werden. Soweit die Kirche aber nachvollziehbare Gründe dafür ins Feld führen kann, dass die übrige Theologenausbildung und sonstige schützenswerte kirchliche Belange einschneidend berührt werden, müssen die möglicherweise verfolgten staatlichen Interessen zurücktreten. Dies ist aber bei einem auf einen kirchlichen Beruf ausgerichteten Theologiestudium ohne Weiteres der Fall, sollen nicht der Kirche von ihr für ungeeignet gehaltene Kandidaten aufgedrängt werden. Daher wäre unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung die Einführung eines gestuften Studiengangs mit dem Anspruch, mit dem Bachelorgrad eine Qualifikation für einen kirchlichen Beruf zu vermitteln, auch neben der herkömmlichen Ausbildung gegen den Willen der betroffenen Bekenntnisgemeinschaft nicht möglich.[48] Dieser Anspruch dürfte aber bei einem angeblich berufsqualifizierenden Abschluss wie dem Bachelorgrad implizit enthalten sein. Eine Einführung des Bachelor-/Master-Modells ließe sich allenfalls dann mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen vereinbaren, wenn dieser implizite Anspruch nicht erhoben und dies auch nach außen, insbesondere gegenüber den Studierenden, deutlich gemacht würde. Zulässig wäre selbstverständlich auch die Einführung von Studiengängen nach diesem Modell mit Zustimmung der Kirche.

Das soeben Ausgeführte gilt allgemein für die Einführung neuer theologischer Studiengänge – auch abseits des Bachelor-/Master-Modells.

1. Kapitel GrundlagenIII. Staatskirchenrechtliche Grundlagen › 2. Verpflichtete und Berechtigte der staatskirchenrechtlichen Garantien

Hochschulrecht im Freistaat Bayern

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