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a) Die theologischen Fakultäten
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Nach Art. 150 II BV bleiben die theologischen Fakultäten an den Hochschulen erhalten. Dies ist nicht als eine Garantie bestimmter, bei Inkrafttreten der Verfassung vorhandener theologischer Fakultäten zu verstehen, sondern enthält einige andere grundlegende Aussagen: Zum einen bedeutet Art. 150 II BV, dass theologische Fakultäten im herkömmlichen Sinne, d.h. der Pflege der Theologie im Verständnis eines bestimmten Bekenntnisses gewidmete Einrichtungen an einer staatlichen Hochschule, also evangelisch- oder katholisch-theologische Fakultäten, von der Verfassung als zulässig betrachtet werden. Eine entsprechende Regelung enthält das Grundgesetz, anders als die Weimarer Reichsverfassung (Art. 140 WRV), nicht. Gleichwohl ist unbestritten, dass auch das Grundgesetz konfessionellen theologischen Fakultäten nicht entgegensteht.[10] Sie lassen sich zwar im religiös neutralen Staat nicht mit der Aufgabe der Pflege der (christlichen) Religion rechtfertigen. Allerdings gehört im hier einschlägigen Kulturkreis auch die bekenntnisgebundene Theologie zur universitas der Wissenschaft und ist die Existenz entsprechender Fakultäten durch die staatliche Aufgabe der Kultur- und Wissenschaftspflege gerechtfertigt.[11] Der religiös-weltanschaulich neutrale Staat nimmt zur Kenntnis, dass evangelische und katholische Theologie unterschiedliche Wissenschaften sind und dass die Fakultäten der Ausbildung für Tätigkeiten in unterschiedlichen Bekenntniskirchen dienen.
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Dass bei Inkrafttreten der Verfassung lediglich evangelisch- und katholisch-theologische Fakultäten bestanden, bedeutet daher auch nicht, dass der Freistaat nicht auch theologische Fakultäten anderer Konfessionen errichten könnte, etwa solche orthodoxer Konfession oder islamisch-theologische Fakultäten.[12] Allerdings bedürfte es in solchen Fällen des Konsenses der jeweiligen Religionsgemeinschaft, weil der religiös-weltanschaulich neutrale Staat nicht für sich in Anspruch nehmen kann, an einer seiner Bildungseinrichtungen Theologie im Sinne eines bestimmten Bekenntnisses zu lehren, ohne dass eine Religionsgemeinschaft die Übereinstimmung mit diesem Bekenntnis „bescheinigt“ hätte. Anderenfalls würde der Staat sich zum Richter über (inner)konfessionelle Fragen aufschwingen. In seiner „Lüdemann-Entscheidung“ hat das BVerfG zu Recht darauf hingewiesen, dass durch die Lehre bekenntnisgebundener Theologie an staatlichen Fakultäten das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 III WRV (s.a. Art. 142 III BV) betroffen ist.[13]
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Ferner ist in Art. 150 II BV die Existenz theologischer Fakultäten im Sinne einer Einrichtungsgarantie enthalten: Garantiert sind damit nicht bestimmte Fakultäten, sondern überhaupt die Existenz theologischer Fakultäten an staatlichen bayerischen Hochschulen.[14] Diese Garantie wäre jedenfalls dann verletzt, wenn nicht mindestens je eine evangelisch- bzw. katholisch-theologische Fakultät an einer staatlichen bayerischen Hochschule bestünde. Indes hat die Frage nach der erforderlichen Anzahl theologischer Fakultäten deshalb geringe Bedeutung, weil in Konkordat und Kirchenvertrag jeweils eine Mehrzahl an Fakultäten durch den Staat garantiert sind, nämlich die evangelisch-theologischen Fachbereiche an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und München und die katholisch-theologischen Fachbereiche an den Universitäten Augsburg, Bamberg, München, Regensburg, Passau und Würzburg. Diese Garantien sind nur einvernehmlich zwischen den Vertragsparteien zu beseitigen.[15]
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Das derzeitige „Ruhen“ der katholisch-theologischen Fakultäten Bamberg und Passau ist im durch den Heiligen Stuhl und den Freistaat Bayern – insofern mit Zustimmung des Landtages – abgeschlossenen Zusatzprotokoll zum Bayerischen Konkordat vom 19. Januar 2007 vereinbart worden.[16]
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Art. 150 II BV ist dahingehend zu verstehen, dass nicht nur die Existenz wissenschaftlicher, bekenntnisgebundener Theologie an staatlichen Hochschulen überhaupt, sondern auch die Existenz organisatorischer Einheiten eines bestimmten Typs – der Fakultät – garantiert ist. Der Begriff der Fakultät bzw. des Fachbereichs für die wissenschaftliche Grundeinheit der Universität ist so eingeführt und üblich, dass jede andere Auslegung den Wortsinn sprengen würde. Die Bezeichnung als Fakultät knüpft an die hochschulrechtliche Terminologie für die organisatorische Grundeinheit der Hochschule (Art. 27 BayHSchG) an. Den Fakultäten oder Fachbereichen sind als organisatorische Grundeinheiten typische Rechte bzw. Kompetenzen zugeordnet.[17] namentlich im Promotions- und im Habilitationswesen, bei der Durchführung der Berufungsverfahren (vorbehaltlich der entsprechenden Mitwirkungsrechte der Kirche und der Universitätsorgane), im Studien- und Prüfungswesen, bei der fachlichen Betreuung der Studierenden etc. Wenn also die Begriffe „Fakultäten“ bzw. „Fachbereiche“ in den Vertragstext aufgenommen wurden, dann verbinden Verfassung bzw. Verträge mit dieser Bezeichnung auch Einheiten mit diesen typischen Rechten.
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Das wird auch durch die z.T. von der Gesetzes- bzw. Verfassungslage abweichende Terminologie von Konkordat und Kirchenvertrag nicht in Frage gestellt. Bis zum Inkrafttreten des BayHSchG 1973 war die Bezeichnung der organisatorischen Grundeinheit der Hochschule „Fakultät“. Diese Terminologie lag auch Kirchenvertrag und Konkordat zugrunde. Erst nachdem das BayHSchG 1973 den Begriff „Fakultät“ durch „Fachbereich“ ersetzt hatte, wurde im Rahmen der aus verschiedenen Gründen erforderlichen Anpassungen der Verträge auch hier auf diese Terminologie umgestellt. Nachdem Art. 27 BayHSchG 2006 zur bewährten und international eingeführten Terminologie, die auch Art. 150 II BV zugrunde liegt, zurückgekehrt ist, ist selbstverständlich auch der in den Verträgen verwendete Begriff „Fachbereich“ als „Fakultät“ zu lesen, da nach dem Willen der Vertragsparteien ebenso wie nach objektivem Verständnis jeweils die „organisatorische Grundeinheit der Hochschule“ gemeint war und ist.[18]
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Dementsprechend ist der derzeitige Status, den der „Fachbereich Theologie“ der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg nach deren Grundordnung und der Verordnung über deren Abweichungen von Vorschriften des BayHSchG hat,[19] mit dem Kirchenvertrag kaum in Einklang zu bringen. Trotz der dem Kirchenvertragswortlaut entsprechenden Bezeichnung als „Fachbereich“ Theologie, ist er tatsächlich nicht selbst eine Grundeinheit der Universität, sondern in die „Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie“ integriert. Zwar schadet es nicht, wenn zwischen Fakultäten als organisatorischen Grundeinheiten Formen organisatorischer und verwaltungsmäßiger Kooperation eingeführt werden, wie z.B. eine gemeinsame Fachbereichs- bzw. Fakultätsverwaltung. Auch liegen die wesentlichen der o.a. Rechte der Fakultäten bei diesem Fachbereich. Allerdings wird man Kirchenvertrag und Verfassung entnehmen müssen, dass die Universitätstheologie als organisatorische Grundeinheit den anderen Fakultäten gleichgestellt sein muss, also z.B. auch gleiche Repräsentanz und gleichen Zugang zu den Hochschulleitungsorganen haben muss. Denn es sind nicht irgendwelche Einrichtungen, sondern eben Fakultäten (bzw. Fachbereiche) i.S.d. organisatorischen Grundeinheit der Hochschule garantiert worden,[20] worin auch die Gleichberechtigung der Theologien mit den anderen Wissenschaftsbereichen zum Ausdruck kommt, die als Fakultäten organisiert sind. Diese Gleichberechtigung der Theologie ist aber nach dem in Erlangen verwirklichten Modell nicht gewährleistet.[21]
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Weder in Art. 150 II BV, noch im Konkordat, noch im Kirchenvertrag ist eine bestimmte Mindestzahl an Professuren für die theologischen Fakultäten garantiert. Die Mindestausstattung bestimmt sich vielmehr nach den Aufgaben der Fakultät in Forschung und Lehre. Was insofern die personellen und sachlichen Mindestanforderungen sind, unterliegt durchaus zeitlichem Wandel. Dementsprechend enthalten Art. 3 § 1 des Konkordats und Art. 2 I des Kirchenvertrages die Formulierung, dass der Staat die Fakultäten in dem durch die Bedürfnisse von Forschung und Lehre … gebotenen Umfang unterhält, wobei auf die Vorschrift verwiesen wird, in der die Ausbildungsaufgaben der Fakultäten (Priester- und Pfarrerausbildung etc.) beschrieben werden. Im Zusatzprotokoll zum Kirchenvertrag vom 14.3.2007 (GVBl. 2007, 556) wird in Nr. 1 auf die vereinbarte zahlenmäßige Ausstattung verwiesen und in der Erläuterung dazu festgehalten, dass 16 (Erlangen-Nürnberg) bzw. 12 (München) Professuren bzw. Lehrstühle vereinbart wurden und dass die Staatsregierung anerkennt, dass der Kernfächerbereich (Kirchengeschichte, Altes Testament, Neues Testament, Systematische und Praktische Theologie) jeweils doppelzügig mit je zwei W 3-Professuren auszustatten ist. Diese letztere Größe, ergänzt um eine Professur, die erforderlich ist, um der Fakultät ein eigenes Forschungsprofil zu ermöglichen, also 11 Lehrstühle, darf als derzeitige Mindestausstattung einer evangelisch-theologischen Fakultät gelten. Für die katholisch-theologischen Fakultäten wird ausweislich der Anmerkung zu Absatz (5) des Zusatzprotokolls zum Konkordat vom 19.1.2007 (GVBl. 2007, 351) von einer Mindestzahl von einer philosophischen und zwölf theologischen Professuren ausgegangen. Die höhere Zahl erklärt sich u.a. daraus, dass in den katholisch-theologischen Fakultäten jeweils das Kirchenrecht zu berücksichtigen ist, wohingegen dem Bedürfnis der Studierenden der evangelisch-theologischen Fakultäten im Hinblick auf das Fach Kirchenrecht nach Art. 2 III des Kirchenvertrages an den juristischen Fakultäten bzw. Fachbereichen der Universitäten München und Erlangen-Nürnberg Rechnung getragen wird.