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1. Rechte der Kirchen im staatlichen Hochschulwesen

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Nach Art. 103 I S. 1 BayHSchG werden durch dieses Gesetz … die Verträge mit den Kirchen sowie die besondere Rechtsstellung der kirchlichen wissenschaftlichen Hochschulen (Art. 138 Abs. 1 und Art. 150 Abs. 1 der Verfassung) nicht berührt. Bezogen auf die genannten Vorschriften der Verfassung ist diese Aussage eine bare Selbstverständlichkeit. Im Hinblick auf Konkordat und Kirchenvertrag wird damit jedem interpretatorischen Versuch der Boden entzogen, in den Vorschriften des BayHSchG eine Änderung des in diesen Verträgen Vereinbarten sehen zu wollen, die nach einer im Staatskirchenrecht verbreiteten Ansicht wegen des Satzes „lex posterior derogat legi priori“ trotz ihres Gesetzesranges rechtlich möglich, wenn auch vertraglich unerlaubt ist.[1] Art. 103 I BayHSchG bedeutet auch, dass die Vorschriften des BayHSchG „vertragskonform“ auszulegen sind. In Art. 103 I S. 2 und 3 BayHSchG, aber auch in den Vorschriften über nichtstaatliche Hochschulen in Art. 76 bis 85 BayHSchG sowie an anderen Stellen des Gesetzes sind den genannten Bestimmungen entsprechende Sondervorschriften für kirchliche Hochschulen und für theologische Prüfungen und Fakultäten enthalten. Art. 39 S. 1 BayHSchPG ist gleichlautend mit Art. 103 Abs. 1 S. 1 BayHSchG, sodass auch für das Recht des Hochschulpersonals die Verfassungs- und Vertragstreue des Freistaates gesetzlich zugesichert und gesichert sind. Auch das BayHSchPG enthält entsprechend besondere Vorschriften (Art. 18 VII, 31 IV BayHSchPG).

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Für die Rechtsstellung der kirchlichen Wissenschaftlichen Hochschulen kann auf den Abschnitt über die nichtstaatlichen Hochschulen verwiesen werden, und zwar sowohl was die in Bezug genommenen Vorschriften der Verfassung angeht, als auch im Hinblick auf die besonderen Regelungen der Verträge mit den Kirchen.

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Besondere Aufmerksamkeit an dieser Stelle verdienen aber die vertraglichen Vereinbarungen des Freistaates mit den Kirchen über die theologischen Fakultäten inkl. der Sonderregeln über das Berufungsverfahren und über die der Theologie gewidmeten Professuren in erziehungswissenschaftlichen Studiengängen. Auf die kirchlichen Beteiligungsrechte der katholischen Kirche bei den sog. „Konkordatsprofessuren“, die nicht-theologischen Fächern gewidmet sind, haben die römisch-katholischen Bischöfe Bayerns verzichtet.

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Bei den in Bezug genommenen Verträgen mit den Kirchen handelt es sich zum einen um das Bayerische Konkordat vom 29. März 1924, zuletzt geändert durch Vertrag vom 8. Juni 1988[2]. Das Konkordat ist ein völkerrechtlicher Vertrag besonderer Art,[3] dessen Vertragsparteien der Freistaat Bayern auf der einen Seite und der Heilige Stuhl andererseits (nicht: der Staat der Vatikanstadt) sind. Zum anderen handelt es sich um den Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 15. November 1924, zuletzt geändert durch Vertrag vom 20. November 1984[4]. Dieser Vertrag hat keinen völkerrechtlichen Charakter, da die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern kein Subjekt des Völkerrechts ist. Er ist aber (wie das Konkordat) ein Staatsvertrag i.S.v. Art. 72 II der Bayerischen Verfassung (im Folgenden: BV), allerdings ein Vertrag mit rein innerstaatlicher Wirkung. Das Fehlen der völkerrechtlichen Natur ändert nichts daran, dass er die Staatsorgane ebenso bindet wie das Konkordat und dass es der Grundsatz der staatskirchenrechtlichen Parität gebietet, dass er so auszulegen ist, dass ihm die gleiche Wirkung zukommt wie den entsprechenden Vereinbarungen im Konkordat.[5] Beide Verträge sind, soweit sie nicht zwischenzeitlich im Wege des Art. 72 II BV geändert wurden, vorkonstitutionell. Sie bleiben nach der ausdrücklichen Anordnung des Art. 182 BV in Kraft, und zwar im Rang eines einfachen Gesetzes.[6]

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Wichtige konkretisierende Festlegungen zu den Verträgen sind in Zusatzprotokollen vereinbart worden, zuletzt im Zusammenhang mit den Hochschulreformen um die Jahre 2006/2007. Darauf wird im sachlichen Zusammenhang zurückzukommen sein. Grundsätzlich gilt für die Zusatzprotokolle das gleiche wie für die Verträge selbst. Konkretisierende Vereinbarungen enthalten überdies die Schlussprotokolle und Notenwechsel der Vertragsparteien über die Verträge, die bei der Auslegung der Vertragsvorschriften zugrunde zu legen sind.

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Auch für die mit Religion und Religionsgemeinschaften zusammenhängenden Besonderheiten des Bayerischen Hochschulrechts sind schließlich – selbstverständlich – die allgemeinen verfassungsrechtlichen Regeln des Staatskirchenrechts, wie sie in Art. 4 und 140 GG i.V.m. Art. 136 – 139, 141 WRV sowie in Art. 107, 142–150 der Verfassung enthalten sind, von besonderer Bedeutung. Namentlich das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und der Grundsatz der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, sowie die Gleichheit der Religionen bilden den Interpretations- und Erklärungsrahmen der Sonderregelungen über die Hochschultheologie und die kirchlichen Hochschulen.

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Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften umfasst auch das Recht, eigene Normen für die theologische Bildung und Ausbildung aufzustellen. Enthalten ist darin auch ein eigenes Hochschulrecht. Die evangelischen Kirchen haben ein solches nur in Ansätzen geschaffen.[7] Dagegen verfügt die römisch-katholische Kirche über ein detailliert kodifiziertes Hochschulrecht in den Canones 807–821 des CIC 1983 und den Apostolischen Konstitutionen „Ex corde Ecclesiae“ vom 15.8.1990 und „Sapientia Christiana“ vom 15.4.1979. Letztere wurde durch Akkomodationsdekrete von 1983 an die deutsche Situation angepasst.[8] Durch Vorbehalte zugunsten konkordatärer Regelungen werden Spannungen zwischen dem staatlichen und dem kirchlichen Hochschulrecht minimiert. Das Nebeneinander von staatlichem und kirchlichem Hochschulrecht begründet einen Doppelcharakter der ihnen unterfallenden Einrichtungen.[9] Ihr Recht bemisst sich, soweit es um die für den kirchlichen Bereich relevanten Fragen geht, nach kirchlichem Recht, soweit es um Rechtsfragen im staatlichen Recht geht, nach dem staatlichen Hochschulrecht. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf das staatliche Recht.

Hochschulrecht im Freistaat Bayern

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