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d) Die Einordnung des sog. „Bologna“-Prozesses

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Der sog. „Bologna-Prozess“ will international einheitliche Studienstrukturen mit vergleichbaren Abschlüssen herbeiführen. Da weder die Europäische Union (s.u. II.4.) noch eine andere internationale Institution über Zuständigkeiten zur verbindlichen Normsetzung in diesem Bereich verfügt, bedurfte die Schaffung eines „europäischen Hochschulraumes“ des freiwilligen Konsenses der interessierten Staaten.[61] Nach Vorbereitungen durch die sog. Sorbonne-Erklärung der Bildungsminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens und des Vereinigten Königreichs vom 25. Mai 1998[62] einigten sich am 19. Juni 1999 in Bologna die Bildungsminister der damals 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie weiterer 15 Staaten (denen sich später weitere anschlossen, so dass mittlerweile 47 Staaten sowie der Heilige Stuhl beteiligt sind) auf eine gemeinsame Erklärung, die auf ein „Europa des Wissens“ zielt.[63] Kern ist die Einigung auf ein europaweit vergleichbares Studiensystem mit zwei Hauptzyklen. Ein mindestens dreijähriges Studium führt zum „Bachelor“, der bereits „berufsqualifizierend“ sein soll. Daran kann sich für die berechtigten (vorgeschlagen werden u.a. Quoten) Studierenden ein ein- bis zweijähriges Postgraduiertenstudium mit dem Abschluss „Master“ anschließen. Beide Studienteile sollen durch ein gemeinsames System von Leistungspunkten (Credits) und durch eine sog. Modularisierung des Studiums europaweit vergleichbar gestaltet werden, um die Mobilität der Studierenden durch die Anerkennung der so bescheinigten Studienleistungen zu erleichtern.[64] Auch ein anschließendes Promotionsstudium soll strukturiert sein und ggf. eine Propädeutik enthalten, was ein bezeichnendes Licht auf die bis dahin erworbenen wissenschaftlichen Qualifikationen wirft.[65] Der sog. „Bologna-Prozess“ wird in zweijährigen Treffen der Bildungsminister fortentwickelt (Prag 2001, Berlin 2003, Bergen/Norwegen 2005, London 2007, Leuven/Louvain-la-Neuve 2009, Budapest/Wien 2010, Bukarest 2012, Jerewan 2015). Seine Umsetzung, die (wohl nur) in Deutschland für mehr oder weniger rechtlich verbindlich gehalten wird,[66] bereitet erhebliche Probleme und stößt wie die konkreten Vorgaben (nicht die Ziele besserer Abstimmung und Vergleichbarkeit und Erhöhung der Mobilität, hinsichtlich derer sich manche Regelung sogar als kontraproduktiv erwiesen hat) zunehmend auf Kritik.[67] Während manchen Studiengängen eine gewisse Strukturierung durchaus nottat, führt eine übertriebene Verschulung zum Verkümmern eines wirklichen Universitätsstudiums, das auch Kreativität und Flexibilität sowie geistige Freiheit beinhalten soll, führt eine übertriebene Vereinheitlichung zur Einschränkung der Vielfalt von Studienmöglichkeiten in Europa und damit einer Stärke der „in Vielfalt geeinten“[68] Union. Die Überbürokratisierung bindet Mittel und Kräfte und zieht sie von Forschung und Lehre, die jedenfalls nach bisherigem Verständnis die eigentlichen Aufgaben der Hochschulen sein sollen, ab. Schließlich hat sich entgegen den Intentionen die Bürokratisierung des Studiums geradezu als Mobilitätshindernis ausgewirkt.[69] In einigen Staaten wurden daraus bereits Konsequenzen gezogen.[70]

1. Kapitel GrundlagenII. Rechtsgrundlagen › 4. Europarecht im engeren Sinne (Recht der Europäischen Union)

Hochschulrecht im Freistaat Bayern

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