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Kapitel 9:

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An Gründonnerstag reiste Julia mit ihrem Cousin an.

Paula hatte vorher wenig Zeit gefunden, sich zu überlegen, wie dieser Phillip wohl sein würde. Trotzdem sah sie im Geiste einen älteren Herrn mit Brille und Stirnglatze. Eben ähnlich jenem Psychologen, mit dem es Hannes nach dem Tode seiner Mutter zu tun bekommen hatte. Das Bild des trauernden, psychisch angegriffenen Witwers tat sein Übriges.

Neben Julia stieg ein ungefähr dreißigjähriger Mann mit blondem zerzaustem Haar, Holzfällerhemd und ausgebleichter Jeans aus. Er schüttelte Paula kräftig die Hand und zeigte beim Lächeln ein paar markante Grübchen. „Phillip Teichmann. Es freut mich, Sie kennenzulernen. Julia hat mir auf der ganzen Herfahrt von Ihnen vorgeschwärmt. Seit wir über diesen Pass gekrochen sind, verstehe ich allmählich, was sie meint.“

„Man gewöhnt sich schnell an dieses Tal. So seltsam es auch klingen mag“, schwächte Paula ab und hoffte, dass sich die Grübchen erneut zeigen würden.

„Und Sie unterrichten hier völlig allein?“

„Alle Klassen bis zur zehnten“, berichtete Paula stolz. Sie bereute es, heute Morgen ihre Haare nicht frisch gewaschen zu haben. Nachdem diese inzwischen die kritische Länge überwunden hatten, band sie sie meistens praktischerweise als Pferdeschwanz zusammen. Das verleitete zur Nachlässigkeit. Vielleicht sollte sie bei Gelegenheit einmal einen professionellen Friseur aufsuchen.

„Ihr seid übrigens zum Übernachten bei Anne untergebracht. Aber zuerst gibt es Abendessen“, erklärte sie, nachdem Julia ihren Klammergriff gelöst hatte.

„Ich hoffe, du hast etwas von diesem gigantischen Almkäse im Haus. Dafür lohnt es sich zu sterben.“

Diesen Eindruck konnte Paula nur bestätigen, seit sie das begehrte und prämierte Milchprodukt in der Schulstunde unter dem Mikroskop gesehen hatte. Aber meist vergaß sie den überwältigenden Blick auf jenes Biotop für alle Arten von Kleinstlebewesen einfach und kaute ungeniert. So auch heute Abend.

Phillip Teichmann entpuppte sich als äußerst angenehmer Gast. Er interessierte sich für alles, was mit Lämmerbach zu tun hatte und besaß die seltene Gabe des Zuhörens. Vielleicht lernte man das als Psychologe auch automatisch.

Paula plauderte, ohne dass sie es recht merkte, deutlich mehr als sonst und selbst Hannes ließ sich den einen oder anderen Satz entreißen. Als er dann feststellte, dass sich der neue Gast in der Szene der Jugendlichen ziemlich gut auskannte, vergaß er seine sonstigen Vorbehalte und war bald in ein angeregtes Gespräch mit ihm verwickelt.

Der Abend verging wie im Flug. Schließlich machten sie sich auf den Weg zu Anne.


Diese war ebenfalls von ihrem Logisgast angetan. Als die beiden dann auch noch eine Gemeinsamkeit entdeckten - sie hatten in den letzten Monaten einen lieben Menschen verloren, Anne ihren Vater und Phillip seine Frau - bekamen Julia und Paula genug Gelegenheit, sich zu zweit zu unterhalten.


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