Читать книгу Bergdorf sucht... Arzt - Josie Hallbach - Страница 17
Kapitel 14:
ОглавлениеWieder quoll ihr Speisezimmer vor Gästen über und erneut ging ihr Julia dekorativ zur Hand. Auf dem Tisch stand opulent angerichtet das traditionelle Osterlamm, von Anne gespendet. Eben jenes, welches sie mit Robert Büchler zusammen beim Schlittenwettbewerb gewonnen hatte. Robert hatte ihr seine Hälfte großzügig abgetreten und dafür eine Rheumasalbe und andere nützliche Dinge aus der heimischen Apotheke bekommen. Außerdem war es Paula gestern noch gelungen, zur Feier des Anlasses zwei Kuchen zu backen.
Phillip lobte das unvergleichliche Aroma des Fleisches und ließ sich von Paula gleich das Rezept für die Zubereitung geben.
„Sie sollten erst mal ihren Sauerbraten probieren, so zart, dass er auf der Zunge zergeht. Ein Gedicht, sage ich Ihnen“, berichtete Daniel eifrig und machte ein unschuldiges Gesicht.
Phillip zeigte sich interessiert, aber Anne schüttelte nahezu unmerklich den Kopf und versuchte die Aufmerksamkeit ihres Bruders auf sich zu lenken.
Daniel ignorierte sie jedoch gekonnt. „Jawohl, Herr Teichmann, unser allseits beliebtes Fräulein Lehrerin ist nämlich eine äußerst perfekte Hausfrau und wie ich mir habe sagen lassen, dazu eine risikobereite Skifahrerin, die eine Schwäche für ältere Herren hegt“, fuhr er fort. Inzwischen begann auch Julia demonstrativ in Richtung Sprecher zu winken, während Anne sich lauthals räusperte.
„Daran habe ich keinerlei Zweifel. Ich meine, dass sie eine perfekte Hausfrau ist“, erklärte Phillip freundlich und lächelte Paula an.
Diese bekam allmählich den Eindruck, als bahne sich gerade ein mittleres Drama an, mit ihr in der Hauptrolle. Lag es an den zwei Flaschen Wein, von denen Daniel nahezu eine im Alleingang gestemmt hatte oder war ihm an diesem Tag eine Laus über die Leber gelaufen? Und was bitte sollte das mit den älteren Herren? Meinte er damit Opa Vollmer oder hatte er über Anne oder Julia etwas von ihrer Episode mit Jörg Markhoff erfahren?
„Doch das Beste kommt erst noch. Sie werden es kaum glauben“, setzte Daniel erneut an und zwinkerte Phillip vertraulich zu. Leider bekam diese Information keine Chance, weil ihn Anne durch ein energisches „Es reicht jetzt, Dani“ unterbrach. Sie schaute dabei äußerst unglücklich drein.
Daraufhin schloss dieser beleidigt den Mund und öffnete ihn erst wieder für den Nachtisch. Kaum war jedoch die Mahlzeit zu Ende, schlug er vor, mit Phillip gemeinsam einen Verdauungsspaziergang machen zu wollen. Phillip wirkte zwar etwas irritiert, weil er bis zu diesem Zeitpunkt nichts von diesem Wunsch geahnt hatte, nickte aber zustimmend.
Die beiden blieben ganze drei Stunden lang weg und kamen erst zurück, als die Kuchen bereits zur Hälfte vertilgt worden war.
Paula überlegte währenddessen die ganze Zeit, was Daniel ihrem Gast wohl so Dringendes mitzuteilen hatte und in wieweit es mit ihrer Person zusammenhing. Sie wurde aus dem Verhalten aller Beteiligten vorhin nicht schlau.
Dummerweise zeigten sich die Männer nach ihrem Auftauchen in keiner Weise mitteilsam. Da half alles Drängen nichts. Sie weigerten sich beharrlich, etwas über den Verlauf ihrer Aktivität herauszulassen, befanden sich aber in überraschend gelöster Verfassung und waren inzwischen zum „Du“ gewechselt.
Paula bekam den Verdacht, dass sie sich irgendwo heimlich einige hochprozentige Destillate einverleibt hatten.
Daniels Stimmung war völlig umgeschlagen und von seiner zynisch- streitsüchtigen Laune beim Mittagessen zeigte sich keine Spur mehr. Er spielte den geselligen Alleinunterhalter, schlang Unmengen von Kuchen in sich hinein und erzählte gleichzeitig einschlägige Witze, über die fast alle, aus lauter Dankbarkeit über den Stimmungswandel, herzhaft lachten, Anne am allerlautesten.
Paula misstraute dem Frieden jedoch. Obwohl Daniel jeglichen Augenkontakt zu ihr mied, war sie sich beinahe sicher, dass das Unheil zwischen ihnen längst nicht abgewandt und sein seltsamer Humoranflug in erster Linie an ihre Adresse gerichtet war. Aus irgendeinem für sie unersichtlichen Grund wollte er sie provozieren oder zumindest ärgern.
Als sie gerade aufstehen und sich demonstrativ in der Küche nützlich machen wollte, schlug Phillip vor, sie solle doch auch einmal etwas Lustiges erzählen. Es würde ihn brennend interessieren, über welche Art von Geschichten sie denn lachen könne.
Im Raum herrschte mit einem Mal Totenstille.
Paula war das plötzliche Interesse an ihrer Person äußerst unangenehm und ihr fiel auf Anhieb nichts Lustiges ein, das mit ihrem Leben zu tun hatte. Dafür lief sie vor lauter Verlegenheit ein weiteres Mal rot an und kam sich nun auch noch dämlich vor.
Nach einer peinlichen Pause sprang Julia für sie ein und berichtete von einem gemeinsamen Erlebnis während eines Schulausflugs, bei dem der resolute Leiter eines Museums sie nicht rein lassen wollte, weil sich seiner Meinung nach bei Paulas Klasse keine erwachsene Begleitperson befände. Er sprach Paula die ganze Zeit mit „Du“ an und nahm ihr partout nicht ab, dass sie die Lehrerin wäre. Die Schüler hatten sich vor lauter Lachen kaum halten können und damit die Sache noch schlimmer gemacht. Der akkurate Herr wollte sie zwischendurch sogar aus dem Gebäude werfen lassen, weil sie sich ihm gegenüber so frech verhielt und ihn dazu auch noch anlügen würde. Leider befand sich Paulas Ausweis im verschlossenen Reisebus und der Busfahrer war unauffindbar, so dass Julia, die gerade mit ihrer Klasse eine Ausstellung in der Nähe besuchte, intervenieren hatte müssen, damit der Ausflugsplan nicht vollständig durcheinandergeriet.
Der Museumsleiter entschuldigte sich anschließend mindestens zehn Mal und wollte die junge Lehrerin als Zeichen seiner Reue zum Essen einladen.
„Wahrscheinlich hätte er sie aus lauter Verzweiflung sogar geheiratet“, schloss Julia gut gelaunt. „Zwei Tage später kam nämlich ein gigantischer Blumenstrauß, der im Lehrerzimmer für einige Aufregung sorgte.“
Zum Glück berichtete ihre Freundin nicht, um welche Art von Aufregung es sich handelte, denn dieses Erlebnis war der Auftakt für Jörgs plötzlich erwachtem Interesse an ihr gewesen. Da außer Paulas Name und einem roten Herz keinerlei weitere Information auf der beigelegten Karte zu erkennen gewesen war, spekulierte man heiß über den heimlichen Verehrer der jungen Lehrkraft. Durch ein Missverständnis dachte Paula, der Strauß käme von Jörg. Sie hatte ihm eine Woche vorher mit Unterrichtsmaterial ausgeholfen und jemand aus dem Kollegium wollte ihn am Tag zuvor in einem Blumenladen gesehen haben. Jörg tat nichts dafür, den Irrtum zu berichtigen und so nahm die Sache ihren Lauf. Einige Tage später tauchte zwar doch noch der verschollene Begleitbrief zum Blumenstrauß auf und wies den wahren Absender, eben jenen Museumsdirektor, aus, aber da hatte die Freundschaft zu Jörg bereits ihren unseligen Anfang genommen.
Paula fand dies eigentlich keine sonderlich witzige, sondern eher eine peinliche Geschichte, aber die anderen Anwesenden amüsierten sich darüber, lachten höflich an den richtigen Stellen und ahnten ja nichts von dem weniger glücklichen Ende dieser Episode.
Sie war trotzdem erleichtert, als man sich kurz darauf allgemein verabschiedete und ihre Gäste ins Arzthaus zurückgingen. Nachmittage wie diese fand sie einfach anstrengend und in solchen Situationen zweifelte sie daran, ob sie besonders gesellschaftstauglich war.