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Kapitel 10:

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Die dritte Kirchenbank wurde an diesem Karfreitag-Gottesdienst durch Phillip und Julia bereichert. Die zwei waren nach einem fürstlichen Frühstück bei Anne, von dem sie sich selbstverständlich nicht hatte abbringen lassen, ebenfalls in der Kirche erschienen.

Paula war vorher eine halbe Stunde im Badezimmer gestanden, um ihr Haar in Form zu föhnen und eine weitere viertel Stunde vor dem Kleiderschrank. Endlich taugte ihr Erscheinungsbild für den Anlass. Sie trug dezentes, sportliches Grau, das nur durch ein bordeauxrotes Seidentuch aufgelockert wurde.

Leider schien auch Anne nicht ganz untätig gewesen zu sein. Zudem besaß sie einen gewissen Heimvorteil, denn als Paula ihren Platz einnahm, saß Phillip bereits zwischen ihre beiden Freundinnen eingekeilt, und sie selbst musste mit der freien Bankfläche neben Nicole vorliebnehmen.

Im Anschluss an den Gottesdienst übernahm es Anne wie selbstverständlich, ihren Gast allen wichtigen Leuten vom Pfarrer, über den Bürgermeister bis zu den wichtigsten Bauern und Herrn Schaup vorzustellen.

Phillip grüßte jeden herzlich mit Handschlag und einem gewinnenden Lächeln, das seine Grübchen förmlich aufleuchten ließ. Er fand mühelos den richtigen Tonfall, erprobte sich in der Landessprache und schien sich sichtlich wohl in dieser Gesellschaft zu fühlen. Es war unschwer zu erkennen, dass er einen denkbar günstigen Eindruck hinterließ, besonders bei der Lämmerbacher Damenwelt jeglichen Alters. In Bezug auf Sympathie bekam er die volle Punktzahl und als Witwer sogar noch einen Sonderbonus.


Man hatte beschlossen, im Arzthaus im Anschluss gemeinsam Mittag zu essen. Es stand Fisch auf dem Speiseplan, im Gedanken an den Kreuzestod Jesu. Herr Tannhauer hatte gestern deswegen extra eine größere Lieferung über den Pass geschafft.

Phillip Teichmann griff wortlos nach einer Küchenschürze und half Paula beim Schälen der Kartoffeln für den Kartoffelsalat. „Seit der Erkrankung meiner Frau würde ich mich als hauswirtschaftlich versiert bezeichnen“, erklärte er. „Und Sie werden es nicht glauben, aber ich mache das sogar gern. Kochen hat etwas Befriedigendes, finde ich.“

Ihr wurde dieser Mann allmählich unheimlich. So viele gute Eigenschaften konnte doch unmöglich ein einziger Mensch haben?

Er berichtete, während er routiniert den Kartoffeln an die Pelle ging, ganz offen vom Tod seiner Frau und der schwierigen Krankheitszeit davor. Paula hörte staunend zu. Sie hätte erwartet, dass er durch dieses traumatische Erlebnis irgendwie verbittert sein würde. Das Gegenteil schien der Fall. Natürlich schmerze ihn der Verlust und es gäbe immer wieder Nächte, in denen er von seiner Frau träume und im Aufwachen denke, sie müsse neben ihm liegen. Dann überschwemme ihn die Erinnerung wie eine Woge. Aber er habe andererseits gelernt, das Leben und die Gesundheit nicht länger als selbstverständlich zu nehmen. Er lebe jetzt viel intensiver.

Paula schämte sich plötzlich über ihre eigene Unreife. Da lebte sie mit ihren Komplexen und hatte nach sieben Jahren immer noch Mühe, über ihre Mutter zu reden. Und allein der Gedanke an ihren Vater spülte jede Menge Ärger und Enttäuschung in ihr hoch. Vermutlich brauchte sie dringend eine Therapie und hatte es bisher nur nicht bemerkt. Ob sie vielleicht mit Phillip darüber sprechen sollte? Er war ja immerhin Psychologe…. Sie stellte sich ein Vier- Augen-Gespräch mit ihm eigentlich ganz angenehm vor.

Nachdem Anne schon mehrfach in der Küche vorbeigeschaut und misstrauisch beäugt hatte, warum das Kartoffelschälen so lang dauerte, beschloss Paula das Familienbewältigungstherapie-Thema vorerst auf Eis zu legen. Vielleicht kam irgendwann ein günstigerer Augenblick.


Nach dem Mittagessen wurde eine Wanderung zur Hochalm geplant, damit sich Phillip Teichmann einen Eindruck von der hiesigen Infrastruktur machen könne. Diese Idee kam selbstverständlich von Anne und stieß nicht nur auf begeisterte Ohren. Julia rollte verzweifelt mit den Augen, ließ sich dann aber doch von Paula breitschlagen. Ihr gefiel der Gedanke von Anne und Phillip allein auf der Hochalm kein bisschen. Nicht, dass sie jemandem misstrauen würde…

Das Wetter zeigte sich zum Glück frühlingshaft und warm, auch wenn es auf dem Gipfel noch kleinere Schneefelder gab. Der Gast schritt forsch voran und schwärmte nebenbei von dieser ursprünglichen Natur. Phillip klang so, als hätte er während seines Studiums Botanik als Nebenfach belegt. Zumindest konnte er im Gegensatz zu Paula, der Aushilfs-Biologielehrerin, beinahe alle Alpengewächse mit Namen benennen und richtete ihr Augenmerk immer wieder auf diese Kostbarkeiten. Dazu outete er sich als begeisterter Bergwanderer.

Annes Lächeln wurde immer breiter. Sie befand sich mit ihm nur allzu bald in einem anregenden Gespräch über die Menschen dieses Ortes und ihre Geschichte. Sie bemerkten dabei gar nicht, dass sie ihre Mitwanderinnen abhängten. Mit Julias Kondition, Motivation und Schuhwerk stand es ohnehin nicht zum Besten und Paula leistete ihr notgedrungen Gesellschaft.

„Na, eifersüchtig?“, grinste Julia zwischen dem angestrengten Keuchen hindurch, nachdem Paula mindestens fünf Minuten lang wortlos neben ihr her getrabt und feurige Blicke nach vorne gesandt oder unschuldige Steine vom Weg gekickt hatte.

„Eifersüchtig? Ich? Dass ich nicht lache. Ich finde es nur taktlos von Anne, mit deinem Cousin vorneweg zu stürmen.“ Leider wurde Paula bei diesen Worten rot. Deshalb schaute sie vorsichtshalber in eine andere Richtung.

„Ach so“, meinte Julia nur und brachte sie mit dieser alles und nichts sagenden Bemerkung vollends aus der Fassung.

„Ich weiß genau, was du mir unterstellst, aber das stimmt nicht. Ich finde Phillip nur nett, weiter nichts“, beeilte sie sich zu beteuern.

Ihre Freundin zog die Augenbrauen hoch und tat überrascht: „Warum sollte ich dir etwas unterstellen? Du bist alt genug, um zu wissen, was du willst.“

Da hatte sie vollkommen recht, aber so viel Rücksichtnahme war man normalerweise von Julia nicht gewohnt, deshalb misstraute sie ihr lieber und schickte einen skeptischen Blick in ihre Richtung.

„Hey, jetzt sei nicht gleich so empfindlich. Es ist völlig in Ordnung, Phillip nett zu finden. Das tut ohnehin fast jeder. Ich weiß zwar nicht wie, aber er schafft es, sich mit dieser langweiligen, nahezu perfekt wirkenden, super sympathischen Aura zu umgeben, die es anderen verdammt schwer macht, Streit mit ihm anzufangen. Auf Dauer kann er einen damit aber echt in den Wahnsinn treiben, glaub mir.“

Paula nickte etwas irritiert. Hinterher ärgerte sie sich, warum sie überhaupt auf die Provokation ihrer Freundin angesprungen war.

„Wie sieht es aus, könntest du dir vorstellen, mit ihm zusammenzuarbeiten?“, fragte Julia unvermittelt, als sie pausenbedingt unter einem knorrigen Baum stehen geblieben waren.

„Zusammenarbeiten mit Phillip? Wieso?“

„Mensch Mädchen, hast du dir darüber noch keine Gedanken gemacht? Das liegt doch auf der Hand. Wenn das Internat hierherkäme, würdet ihr doch so was wie Kollegen werden. Also, ich stelle mir das eigentlich ganz nett vor, und es würde außerdem eine Menge Vorteile für dich bringen. Du könntest zum Beispiel seine Jungs ebenfalls unterrichten, natürlich nur deine Lieblingsfächer Deutsch, Geschichte und vielleicht auch Englisch. Und die Internatslehrer würden dafür einige Fächer bei deinen Schülern übernehmen. Physik, Mathematik und Chemie zum Beispiel. Fast wie in einer richtigen Schule mit mehreren Klassen.“

So detailliert hatte sie das wirklich noch nicht betrachtet. Das klang richtig gut. Mehr Schüler bedeuteten mehr Lehrer und somit auch mehr Möglichkeiten. Du meine Güte, Lämmerbach hätte damit die Chance, ein halbwegs normales Schulsystem zu bekommen.

Den ganzen Weg bis zur Hochalm spannen Julia und sie an diesem Gedanken weiter, rein hypothetisch natürlich. Aber je mehr Paula darüber nachdachte, umso verheißungsvoller wirkte das Ganze.

Bei diesen hoffnungsvollen Überlegungen vergaß sie sogar ihren Ärger über Annes Verhalten.


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