Читать книгу Bergdorf sucht... Arzt - Josie Hallbach - Страница 8
Kapitel 5:
ОглавлениеAnne ging es allmählich wieder etwas besser, zumindest brach sie nicht mehr ständig in Tränen aus und manchmal schaute sie sogar kurz bei Paula herein. Zur Arbeit in die Kreisstadt konnte sie bei dieser Schneelage ohnehin nicht fahren.
Meist unterhielten sie sich dann im Schein von Paulas mütterlicherseits vererbtem, altmodischem Kerzenleuchter über unverfängliche Themen. Daniel, Annes Vater und alles was irgendwie nach Problemen roch, gehörte nicht dazu.
An diesem Abend brachte sie sogar Neuigkeiten mit. „Stell dir vor, wir haben einen Brief vom Ministerium für Ernährung und Gesundheit bekommen. Er lag seit neun Tagen auf der Post in Lammfeld. Unser Käse ist prämiert worden mit Urkunde und Stempel. Sie gratulieren uns herzlich dazu und würden ihn gern beim nächsten Mal auf der grünen Woche in Berlin präsentieren.“
„Das ist doch prima“, freute sich Paula. „Dann verkauft er sich bestimmt gleich doppelt so gut.“
„Möglicherweise. Aber der Ruhm hat zwei Seiten. Man möchte gern eine Reportage fürs Bayrische Fernsehen machen. Publicity für den Freistaat.“
„Und wo liegt das Problem? Das ist doch unbezahlbare Werbung für euch. Vielleicht kurbelt das den Tourismus an. Eine Wallfahrt zum Almkäse-Mekka von Deutschland oder so, mit Verköstigung und Logis.“ Dieser Satz hätte auch von Julia, ihrer ehemaligen, durchaus wortgewandten Kollegin stammen können. Paula wunderte sich allmählich über sich selbst.
Anne schaute sie kopfschüttelnd an, beinahe als würde sie am Verstand ihrer Gesprächspartnerin zweifeln. „Kapierst du denn nicht? Dann fliegt doch der ganze Schwindel mit Paps’ Tod auf. Bei so einer Reportage gibt es Interviews. Wie groß schätzt du die Chance ein, dass sich niemand verplappert? Denk nur an Robert Büchler und seine Mutter: die zwei im Fernsehen. Oder der Volker, wie er sich aufplustert. Nein, danke. Außerdem kann sich dann jeder in Deutschland via Bildschirm von den hygienischen Gegebenheiten in unseren Käsereien überzeugen. Und was ist, wenn sie mit dem Lebensmittelchemiker bzw. dem Tierarzt sprechen wollen? Du vergisst, dass wir seit Paps’ Tod niemand mehr vorweisen können, der auch nur annähernd den staatlichen Vorgaben genügt. Aber wenn wir das Angebot einfach ablehnen, machen wir uns verdächtig.“
Paula dämmerte es. „Und was habt ihr jetzt vor?“
„Das wollte ich eigentlich dich fragen. Unser Pfarrer wird seine Zuflucht im Gebet suchen und auf ein Wunder hoffen und der Rest redet sich ein, dass alles irgendwie gut wird, selbst wenn die Berge über uns hereinbrechen.“
„Sprich mit Herrn Schaup. Der erscheint mir vernünftig. Außerdem kümmert er sich sowieso um den Vertrieb. Und Herr Tannhauer ist sicher auch eine gute Adresse.“
„Das stimmt. Herrn Schaup muss ich den Brief nachher ohnehin vorbeibringen. Vielleicht hat er eine Idee dazu.“ Anne dachte kurz nach und meinte dann: „Wenn ich Daniel überzeugen könnte mitzumachen, wäre alles halb so wild. Mein Bruderherz hat ein geschicktes Händchen für das Showgeschäft. Als er in München studierte, bekam er sogar mal eine Nebenrolle in einer dieser Vorabendserien, die als Dauerbrenner im Fernsehen ausgestrahlt werden. Und in einem Werbespot für ein Deodorant war er auch schon zu sehen. Mit solchen Sachen hat er sein Studium finanziert.“
Das konnte sich Paula bildlich vorstellen. Laut sagte sie: „Du kannst ja durchblicken lassen, dass solche Reportagen meist von Frauen gemacht werden - blonden, attraktiven Frauen.“ Es sollte ironisch klingen, aber sie merkte, dass ein bitterer Unterton mitschwang.
Die Hebamme war jedoch zu sehr abgelenkt, als dass es ihr auffiel. „Ruf doch mal bei Gelegenheit deine kreative Freundin in Mainz an. Die findet für alles eine Lösung.“
Paula hängte sich beim ersten Aufkeimen der Stromversorgung tatsächlich ans Telefon.
Julia amüsierte sich köstlich über ihren eingeschneiten Zustand und wollte alle Details hören. Besonders der Unterricht bei Kerzenschein imponierte ihr. Dann wurde das Thema ernster. Sie wirkte hörbar betroffen vom Tode des alten Dr. Martin. Paula verpflichtete sie natürlich zur Verschwiegenheit.
Die nächsten Minuten hörte die Freundin ganz gegen ihre Gewohnheit schweigend zu. Paula breitete alles vor ihr aus: die anstehende Visitation der Schulbehörde, Daniels Abtauchen, die Zukunft der Käseproduktion und die jüngste Prämierung mitsamt Filmdokumentation.
„Donnerwetter“, sagte sie zum Schluss. „Das hört sich spannend wie ein Krimi an. Wie viele Leichen habt ihr denn in den letzten Wochen heimlich unter die Erde gebracht?“
„Außer der alten Frau Friedrich und Dr. Martin soviel ich weiß niemand. Aber falls ich demnächst die Fahrt über den Pass wagen sollte, würde ich garantiert als weiblicher Ötzi in die Geschichte der Menschheit eingehen: Die erste Lämmerbacher Gletscherfrau.“
„Wir werden deine Mumie selbstverständlich bei uns in der Schule ausstellen. Mir kommt da übrigens gerade eine Idee…. Ich melde mich, wenn ich etwas Genaueres weiß…“ Und weg war sie.
Paula konnte ihr „Hey, das kannst du jetzt aber nicht bringen“, gar nicht mehr loswerden.