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1. Gesetzliches Kündigungsrecht

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Der Darlehensgeber ist zu einer fristlosen Kündigung des Darlehensvertrags berechtigt, sofern „in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückerstattung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird“ (§ 490 Abs. 1 BGB).[28] Das außerordentliche Kündigungsrecht erfordert danach die Prognose, dass die Pflicht zur Rückerstattung des Darlehens bei Fälligkeit, auch unter Verwertung bestellter Sicherheiten, durch den Darlehensnehmer nicht oder nur teilweise erfüllt werden kann.[29] Die Gefährdung muss, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist,[30] objektiv auf einer eingetretenen oder drohenden Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers oder der Werthaltigkeit der Sicherheiten beruhen,[31] die nach Vertragsschluss eingetreten ist.[32] Es genügt, dass eine Verschlechterung „droht“, d.h. anhand objektiv verifizierbarer Indizien[33] mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.[34] Ein bloßer „Verdacht“ genügt dementsprechend nicht.[35] Zu berücksichtigen ist sämtliches, der Zwangsvollstreckung unterliegendes Vermögen des Darlehensnehmers.[36] Ob die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse auf einem Verschulden des Darlehensnehmers beruht, ist gleichgültig.[37] Die negative Entwicklung ist anhand einer Gesamtschau der maßgeblichen wirtschaftlichen Umstände konkret festzustellen.[38] Eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse liegt etwa vor, wenn Absatz- und Gewinnchancen dauerhaft ausfallen oder sich die Eigenkapitalquote bzw. Liquiditätslage nicht nur vorübergehend verschlechtern.[39] Gleiches gilt, sofern Kreditgesuche abgelehnt[40] oder eingeräumte Kreditlinien dauerhaft und erheblich „überzogen“ werden.[41] Die Parallele der letztgenannten Beispiele zu den Indizien,[42] die auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit hindeuten, liegt deutlich zu Tage.

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Eine außerordentliche Kreditkündigung allein gestützt auf die wesentliche Verschlechterung der Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten (vgl. § 490 Abs. 1 Alt. 2 BGB) ist dagegen rechtstatsächlich eine seltene Ausnahme.[43] Bei der Prüfung, ob eine Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs vorliegt, sind, wie gesehen, die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers insgesamt einzubeziehen (Gesamtschau). Die Vorschrift gewährt ein außerordentliches Kündigungsrecht nur bei „akuter Ausfallgefährdung“.[44] Im Ergebnis ist daher regelmäßig eine kumulative Prüfung der Vermögensverhältnisse sowie die Werthaltigkeit von Sicherheiten vorzunehmen.[45] Eine ausreichende „Kreditgefährdung“ fehlt insbesondere, wenn ausreichend werthaltige Sicherheiten des Darlehensnehmers (oder von dritter Seite) zur Verfügung stehen.[46] Für die Beurteilung der Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen sind in einer wirtschaftlichen Krise grundsätzlich Liquidationswerte maßgeblich.[47] Nur sofern die Bankverantwortlichen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Überwindung der Krise, etwa durch eine erfolgreiche Sanierung, prognostizieren können, sind die regelmäßig höheren Fortführungswerte („going-concern-Werte“) in Ansatz zu bringen.[48]

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Bankangestellte werden im Fall einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bankkunden nicht selten im ersten Schritt den Anspruch auf Nachbesicherung verbunden mit der Ankündigung geltend machen[49] und zunächst nur androhen, andernfalls zu kündigen.[50] Der Nachbesicherungsanspruch setzt eine Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs nicht voraus.[51] Dagegen wird eine außerordentliche Kündigung häufig erst erwogen, wenn erkennbar wird, dass der Bankkunde wirtschaftlich außer Stande ist, den Nachbesicherungsanspruch in angemessener Frist zu erfüllen.[52]

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Neben § 490 BGB bleibt das Recht, Dauerschuldverhältnisse aus „wichtigem Grund“ nach § 314 BGB außerordentlich zu kündigen, unberührt (§ 490 Abs. 3 BGB). Nach § 314 Abs. 1 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, „wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann“.[53] Besteht der Kündigungsgrund in der Verletzung einer Vertragspflicht, ist die Kündigung grundsätzlich erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist bzw. nach erfolgloser Abmahnung zulässig (§ 314 Abs. 2 S. 1 BGB).[54] Ein Rückgriff auf § 314 BGB ist nur statthaft, wenn die außerordentliche Kündigung aus Gründen erfolgen soll, die von § 490 Abs. 1 BGB nicht erfasst werden.[55] Ist dagegen § 490 Abs. 1 BGB einschlägig, geht diese Vorschrift als lex specialis vor.[56] Eine Kündigung durch Bankverantwortliche auf Grundlage der §§ 490 Abs. 3, 314 BGB erfolgt insbesondere in Fällen anhaltenden Schuldnerverzugs.[57] Erforderlich ist Verzug mit (wenigstens) zwei vollen, aufeinander folgenden Zins- und Tilgungsraten.[58] Die nur einmalige Nichtzahlung berechtigt nur in Ausnahmefällen zu außerordentlicher Kündigung.[59] Ein wichtiger Grund liegt auch im Falle (drohender) Zahlungsunfähigkeit[60] des Darlehensnehmers oder bei falscher Darstellung wesentlicher Tatsachen zwischen Vertragsschluss und Valutierung des Darlehens durch den Bankkunden vor.[61]

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