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Teil 2 Bankgeschäft und Insolvenz – zivil- und insolvenzrechtliche Grundlagen, wirtschaftliche Zusammenhänge › D. Zusammenfassung

D. Zusammenfassung

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Die Krise des Bankkunden gefährdet die Darlehensrückzahlung. Ziel der Bankverantwortlichen ist es, in dieser Situation auch dieses gesteigerte Risiko zu beherrschen und wirtschaftlichen Schaden von dem Kreditinstitut abzuwenden. Bankmitarbeiter prüfen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers aus diesem Grund fortlaufend. Detaillierte Informationen offenbaren nicht selten die „Bewegungen“ auf den Geschäftskonten des betroffenen Unternehmens. Bankverantwortliche verlangen darüber hinaus zur Bewertung des Kreditrisikos die Vorlage von Kreditunterlagen und ergänzende Auskünfte auch während der Kreditlaufzeit. Die Einzelheiten über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bankkunden, die Bankmitarbeiter auf diese Weise aus der „Bankverbindung“ heraus gewinnen, begründen eine auch rechtlich „herausgehobene“ Qualität und Intensität dieser Geschäftsbeziehung.

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Sobald ein Unternehmer nicht mehr in der Lage ist, eine anhaltende Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation „aus eigener Kraft“, d.h. ohne externe Unterstützung, zu vermeiden, liegen die Voraussetzungen einer betriebswirtschaftlichen Krise vor. Der Krisenbeginn ist damit bereits in einem frühen Stadium angesiedelt, ohne dass zugleich die Voraussetzungen eines Insolvenzeröffnungstatbestands erfüllt sein müssen. In diesem frühen Stadium gelangen den übrigen Geschäftspartnern „Symptome“ der Krise nur selten zur Kenntnis. Im Gegensatz hierzu bemerken Bankverantwortliche bereits erste Anzeichen einer Unternehmenskrise frühzeitig, häufig schon aus der Bankverbindung heraus. Bankverantwortliche besitzen damit einen erheblichen qualitativen und zeitlichen Informationsvorsprung[1] gegenüber den übrigen Gläubigern des betroffenen Unternehmens. Sie erhalten auf diese Weise die Gelegenheit, die Strategie der Bank frühzeitig auf die Eintrübung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditkunden einzustellen, um einen drohenden wirtschaftlichen Schaden der Bank zu vermeiden.

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Bankkredite sind schon in wirtschaftlich „gesunder“ Zeit für Unternehmen von besonderer Bedeutung. Sie ermöglichen erforderliche Investitionen, damit unternehmerische Tätigkeit. Zwischen dem Kreditgeschäft der Banken und den Gründen einer Insolvenz besteht ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang. Der Kredit selbst ist häufig Ursache einer „bilanziellen Überschuldung“, die Zins- und Tilgungsverpflichtung fördert Zahlungsunfähigkeit. In der Unternehmenskrise besitzt zudem die „Kreditentscheidung“ von Banken große Bedeutung. Bankverantwortliche sind in dieser Konstellation, eben wegen einer „wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse“ des Kreditnehmers und der damit verbunden Kreditgefährdung, regelmäßig berechtigt, Kredite außerordentlich zu kündigen. Die Krise des Bankkunden beschränkt das Kündigungsrecht der Banken nicht, sondern ist Kündigungsgrund. Die Kreditkündigung ist in dieser Situation dementsprechend auch rechtstatsächlich der Regelfall.

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Die Entscheidung, von dem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen und Darlehen in der Krise zurückzuführen, vertieft die wirtschaftliche Krise häufig irreversibel. Zugleich werden hierdurch nicht selten die tatsächlichen Voraussetzungen der Insolvenzeröffnungstatbestände von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) und, sofern auch bilanzielle Überschuldung vorliegt, der Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) begründet. Unternehmern gelingt in der Krise nur selten und rechtzeitig (Drei-Wochen-Frist)[2] eine Umschuldung, um das Liquiditätsdefizit auszugleichen. Kündigung und Rückführung von Krediten in der Krise bewirken durch den damit verbundenen Liquiditätsentzug häufig ebenfalls, dass die wirtschaftliche Ertrags- und Leistungsfähigkeit in einer Weise beeinträchtigt ist, dass eine positive Fortführungsprognose (§ 19 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 InsO) nicht (mehr) gestellt werden kann. Die „existenzielle“ Bedeutung der Kreditentscheidung von Banken in der Krise des Bankkunden führt allerdings nicht nur den engen Zusammenhang zwischen dem Kreditgeschäft, wirtschaftlicher Krise und den Gründen einer Insolvenz vor Augen. Banken gewinnen in dieser Lage vielmehr eine „einflussreiche Position“ gegenüber dem Bankkunden, da Entscheidungen der Bankverantwortlichen den weiteren Krisenverlauf maßgeblich beeinflussen. Bankmitarbeiter haben es in der Hand, dem Unternehmen in der Krise wirtschaftlich den „Todesstoß“ zu versetzen.[3]

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Die Krisensituation wird damit insbesondere durch zwei Faktoren geprägt, die die Gefahr begründen, dass ein drohender wirtschaftlicher Schaden der Bank „auf Kosten“ der übrigen Gläubigerschaft vermieden werden soll: Einerseits besitzen die Bankverantwortlichen einen zeitlichen und qualitativen Informationsvorsprung, andererseits haben sie die Möglichkeit, wegen der „existenziellen“ ökonomischen Bedeutung der Kreditentscheidung auf unternehmerische Entscheidungen ihres Kunden weitgehenden Einfluss nehmen zu können. Das gesteigerte Kreditrisiko in der Krise des Kreditnehmers ist Anlass und Motiv möglicher Insolvenzdelikte. Der Informationsvorsprung gegenüber der übrigen Gläubigerschaft des Bankkunden begründet faktisch die Möglichkeit hierzu. Die Bedeutung und wirtschaftliche Auswirkung der Kreditentscheidung für das betroffene Unternehmen eröffnet Bankverantwortlichen die Möglichkeit, unternehmerische Entscheidungen des Bankkunden im Interesse der Bank zu beeinflussen, in die Geschäftsführung einzugreifen, sogar das Unternehmen in der Krise durch „Vertrauensleute“ der Bank weitgehend zu steuern. Die Krise des Bankkunden begründet so gesehen zugleich Anlass und Gelegenheit für Eingriffe in die Geschäftsführung des Bankkunden, die insolvenzstrafrechtliche Risiken beinhalten, sofern sie wirtschaftlich zum Nachteil der übrigen Unternehmensgläubiger wirken, in dem sie den wirtschaftlichen Schaden der drohenden Insolvenz des Unternehmers einseitig auf diese verlagern.

Bankrott und strafrechtliche Organhaftung

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