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I. Individuelles Rechtsgut – wirtschaftliche Interessen der Gläubigerschaft

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Die Insolvenzdelikte des 24. Abschnitts (§§ 283 StGB ff.) schützen die wirtschaftlichen Interessen der Gesamtgläubigerschaft i.S. einer faktischen Interessengemeinschaft.[1] Dieser Schutzzweck ist in den verschiedenen Straftatbeständen des Abschnitts unterschiedlich akzentuiert.[2] Allgemein zielen die Insolvenzdelikte im engeren Sinn darauf, das ökonomische Interesse der Gläubigerschaft an einem anteilig gleichmäßigen, möglichst auskömmlichen Ausgleich ihrer Forderungen (par condicio creditorum) zu sichern.[3] Die im Rahmen des Bankrotts (§ 283 Abs. 1 Nr. 1-8 StGB) und der übrigen Tatbestände des Abschnitts genannten Tathandlungen (Bankrotthandlungen) betreffen insbesondere eine unwirtschaftliche Verringerung, Verheimlichung oder einseitige Verteilung der Insolvenzmasse zum Nachteil der Gesamtgläubigerschaft.[4] Die Insolvenzdelikte sind damit „im Kern“ Vermögensdelikte.[5]

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Die Gestaltungsinteressen der Gläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens werden überwiegend als (nur) unselbstständiger Teil der Vermögensinteressen qualifiziert.[6] Diese Einordnung ist stringent, auch wenn mit Einführung der Insolvenzordnung die Gestaltungsmöglichkeiten der Gläubiger erweitert wurden, so dass Bankrotthandlungen nicht selten zugleich mögliche Gestaltungsrechte (insolvenzrechtliche Befugnisse)[7] der betroffenen Gläubigerschaft einschränken.[8] Gleichwohl beinhalten insolvenzrechtliche Gestaltungsrechte, etwa die Fortführung (Sanierung) des betroffenen Unternehmens, nur ein neben die Liquidation des Vermögens tretendes, dem primären Verfahrensziel (Ausgleich der Forderungen der Gesamtgläubigerschaft) nach- bzw. untergeordnetes „Instrument“.[9] In Relation zum primären Ziel des Insolvenzverfahrens besitzen die erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten danach keinen eigenständigen, gleichrangigen Charakter.[10] Sie werden dementsprechend bankrottstrafrechtlich ebenfalls nur als unselbstständiger Bestandteil der wirtschaftlichen Interessen, d.h. des Vermögens, der Gesamtgläubigerschaft vom Schutzzweck der §§ 283 ff. StGB erfasst.[11]

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Von Teilen des Schrifttums und der Rechtsprechung wird die Insolvenzmasse selbst neben den wirtschaftlichen Interessen der Gesamtgläubigerschaft als ein eigenständiges Schutzgut eingeordnet.[12] Der BGH hat zuletzt den „Schutz der Insolvenzmasse vor einer unwirtschaftlichen Verringerung zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger“ als Rechtsgut des Bankrotts benannt.[13] Trotz der Betonung des Schutzes der Insolvenzmasse bleibt anhand dieser Formulierung offen, ob der 3. Strafsenat die Insolvenzmasse neben den wirtschaftlichen Interessen der Gesamtgläubigerschaft als eigenständiges Schutzgut einordnet. Die überwiegende Auffassung im Schrifttum lehnt eine selbstständige Einbeziehung der Insolvenzmasse in den Schutzumfang von § 283 StGB dagegen zu Recht ab.[14] Hierfür spricht zunächst, dass ein Schutzgut in Gestalt einer Insolvenzmasse zum Zeitpunkt der Tathandlung nicht zwingend existieren muss.[15] Zudem bleiben die Bestandteile der späteren Insolvenzmasse dem Eigentum (bzw. dem Vermögen) und bis zur Verfahrenseröffnung (abgesehen von vorläufigen Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzeröffnungsverfahren) auch der Verfügungsberechtigung des Täters zugeordnet.[16] Gegen die Eigenschaft der (potentiellen) Insolvenzmasse als eigenständiges Schutzgut spricht ebenfalls die Formulierung des 3. Strafsenats, die (im Zusammenhang mit einem „Beiseiteschaffen“ i.S.v. § 283 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) auf die Vermögensbestandsreduktion als notwendigen Zwischenschritt zur Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger in ihrer Gesamtheit abstellt. Die Insolvenzmasse ist so gesehen Tatobjekt, nicht aber „Zwischenrechtsgut“.[17]

Teil 3 Anwendungsbereich des Bankrotts in der Krise des Bankkunden – Schutzzweck und Reichweite der KrisenmerkmaleA › II. Überindividuelles Rechtsgut – Schutz der Kreditwirtschaft?

Bankrott und strafrechtliche Organhaftung

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