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Kapitel 3: Transkulturalität – MigrationMigrationMigrationArbeits-, Bildungs-, Heirats-, Pendel- oder Neuerfindung des Konzepts? 3.1 Problemskizze und Argumentation

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In diesem Kapitel geht es um Fragen danach, woher das Konzept der Transkulturalität kommt, was es bedeutet und – da schon ersichtlich wurde, dass es dazu nicht nur eine Geschichte zu erzählen gibt, sondern mehrere –, warum es in unterschiedlichen Räumen mit verschiedenen Bedeutungen zirkuliert. So lässt sich dann auch die Frage stellen, ob das Konzept der Transkulturalität mehrfach – zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten – erfunden wurde, oder ob es ein Konzept ist, das durch die Zeiten und Räume hindurch gewandert ist.

In der neueren kulturwissenschaftlichen Forschung wird die Zirkulation, das Wiederaufgreifen oder die WanderungWanderung von Theorien und Konzepten unter dem Stichwort traveling concepts diskutiert. Edward Saids Aufsatz „Traveling Theory“ (1982, dt. 1997) gilt dabei oft als eine zentrale Referenz. Said geht in seinem Aufsatz der Frage nach, ob

eine Idee oder TheorieTheorie der unsichtbaren Hand durch ihre WanderungWanderung von einem Ort zum anderen, von einer Zeit zur anderen an Kraft gewinnt oder verliert und ob sie vielleicht in der einen geschichtlichen Phase und nationalen KulturKultur zu etwas ganz anderem wird als in einer anderen Phase oder Situation. […] Ein solcher Übergang in eine neue Umgebung geschieht nie reibungslos. Er geht zwangsläufig mit Darstellungs- und Institutionalisierungsprozessen einher, die sich von denen am Ursprungsort unterscheiden. (Said 1997, 263)

Said unterstreicht im Weiteren, wie unverzichtbar es ist, bei Theorien und Konzepten die historische Situation ihrer Entstehung und ihrer Rezeption im Auge zu behalten.1 Dies verlangt nach kritischem Bewusstsein, um Theorien kontextbewusst anzuwenden und sie zu öffnen im Hinblick auf die historische Realität, in der sie ausgearbeitet und in der sie weiterverarbeitet werden. Und mit den Worten Saids: „Ich behaupte jedoch, dass wir TheorieTheorie der unsichtbaren Hand dadurch von kritischem Bewusstsein unterscheiden, daß wir sagen, letzteres sei eine Art räumlicher Sinn, eine Art Ortungsvermögen, um die Theorie zu lokalisieren oder zu situieren“ (Said 1997, 284).

Ganz in diesem Sinne skizziere ich in den Abschnitten 3.2 bis 3.5 die Entstehung, WanderungWanderung und/oder Neuerfindung2 des Konzepts der Transkulturalität. Erstmals ausgearbeitet wurde es in KubaKuba von dem Anthropologen Fernando Ortiz (1940) als Gegenentwurf zu dem in der US-amerikanischen AnthropologieAnthropologie der 1930er Jahre verbreiteten Konzept der AkkulturationAkkulturation. Mitte der 1970er Jahre hält das Konzept in die LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft Lateinamerikas Einzug und wird von hier aus Teil der postkolonialen Diskurse über Literatur und Gesellschaft in NordamerikaNordamerika. Mitte der 1980er Jahre wiederum begegnet es uns in QuébecSchulbücher, QuébecQuébec/Quebec bzw. in KanadaKanada/Canada, wo es von programmatischer Bedeutung für ein publizistisches und kulturpolitisches Projekt von italienischen Immigranten in Montréal ist. Und wieder anders gestaltet sich der philosophische und kulturtheoretische DiskursDiskurs der frühen 1990er Jahre, in welchem der deutsche Philosoph Wolfgang Welsch für sich in Anspruch nimmt, das Konzept der Transkulturalität begründet zu haben.3 Für Said bedeutet kritisches Bewusstsein „eine Art räumlicher Sinn, eine Art Ortungsvermögen, um die TheorieTheorie der unsichtbaren Hand zu lokalisieren oder zu situieren“. Dieser Idee folgend, soll im Abschnitt 3.6 der Versuch unternommen werden, in Form einer synoptischen Darstellung ein gewisses Maß an Systematisierung zu Bedeutung, Wanderung und/oder Neuerfindung des Konzepts der Transkulturalität zu erreichen. In der Gegenwart angekommen, befasst sich Abschnitt 3.7 mit der Einordnung von Transkulturalität in das Paradigma des Spatial turnSpatial turns, um abschließend in 3.8 die Frage aufzuwerfen, in welcher Weise Prozesse von Transkulturalität ein Bedrohungspotential aufweisen.

Transkulturalität  - Prozesse und Perspektiven

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