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3.6 Synoptische Darstellung zur Begriffsgeschichte von Transkulturalität

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Die Synopse bildet den Zeitraum von einem dreiviertel Jahrhundert ab. Die Erscheinungsdaten der darin aufgeführten Studien erstrecken sich über mehrere große historische Zäsuren wie das Ende des Zweiten WeltkriegsWeltkriegZweiter und des Aufbaus der Nachkriegsordnung; das Ende des KolonialismusKolonialismus – je nach Kolonialmacht und Region Ende der 1950er oder Mitte der 1970er Jahre –, die Zeit des Kalten Kriegs mit den zahlreichen heißen Kriegen in Korea, Vietnam und im Nahen Osten; das symbolträchtige Jahr 1968; die Neuordnung der internationalen Verhältnisse nach dem Ende der SowjetunionSowjetunion und der mit ihr verbündeten Staaten; der Aufstieg ChinaChinas zur Weltmacht und die weitere Beschleunigung der GlobalisierungGlobalisierung. Die Konzepte der Transkulturalität von Ortiz, Rama und „Vice Versa“ liegen vor dem Epochenumbruch des wiederum symbolträchtigen Jahres 1989 und referieren zentral auf die kolonialen und postkolonialen Verhältnisse. Pratt knüpft hier an, kann aber weitergehen und die Transkulturationsprozesse unter globalisierten Verhältnissen in den Blick nehmen. Für Welsch wiederum sind Kolonialismus und PostkolonialismusPostkolonialismus, -forschung keine wirklichen Bezugspunkte; für ihn sind es die kulturellen Verhältnisse im SpätkapitalismusSpätkapitalismus und die Globalisierung.

Aus der folgenden Synopse sowie der vorherigen Beschreibung der Konzepte von Transkulturalität in 3.2 bis 3.5 ergeben sich somit von selbst auch Antworten auf die eingangs gestellte Frage: handelt es sich um MigrationMigrationArbeits-, Bildungs-, Heirats-, Pendel- eines Konzepts oder um (s)eine mehrfache Erfindung? Wie die Synopse erkennen lässt, ist beides der Fall: Sowohl die MigrationMigration des Konzepts durch Fachkulturen, Räume und Akteursgruppen hindurch als auch, in je spezifischen historischen und begrifflichen Konstellationen, die Neuerfindung. Beide Prozesse sind Emergenzszenarien (vgl. Abschnitt 2.7), die in dem Maße aufeinander zulaufen, wie mit dem Aufkommen des SpätkapitalismusSpätkapitalismus die KulturalisierungKulturalisierung nahezu aller Sphären von Gesellschaft, Markt und Individualität auf die Tagesordnung tritt, und gleichzeitig die MachtMacht, -verhältnisse- und Abhängigkeitsverhältnisse aus der Zeit des KolonialismusKolonialismus nachwirken und – häufig in ganz sublimen Formen – noch immer präsent sind.

F. Ortiz Á. Rama Vice Versa M. L. Pratt W. Welsch
Disziplin AnthropologieAnthropologie Literaturwissenschaft,Literaturwissenschaft Lateinamerikanistik Literaturkritik/Publizistik Lateinamerikanistik, vergleichende LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft PhilosophiePhilosophie
Jahr der Publikation 1940 1974, 1982 1983-1996 1992/22008 1992ff., 2010
Land/Herkunft KubaKuba Uruguay,Uruguay seit 1977 VenezuelaVenezuela Angehörige der italienischen MinderheitMinderheit in Montréal/QuébecSchulbücher, QuébecQuébec/Quebec In den USAUSA tätige anglokanadische Autorin/Wissenschaftlerin. DeutschlandDeutschland
Historischer Kontext der Forschung (Post-)koloniale Gesellschaft Kubas. (Post-)koloniale literarische Verhältnisse Lateinamerikas. KonflikKonfliktte des NationNation Building in KanadaKanada/Canada und QuébecSchulbücher, Québec;Québec/Quebec Immigration. Imperialismus und GlobalisierungGlobalisierung in Geschichte und Gegenwart; Fokus auf (post-)koloniale Verhältnisse Lateinamerikas und SüdafrikaAfrikaSüdafrika. Globalisierung,Globalisierung MigrationMigrationMigrationArbeits-, Bildungs-, Heirats-, Pendel-.
Herleitung des Konzepts Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit und Gegenentwurf zum Konzept der AkkulturationAkkulturation. Ortiz Gegenentwurf zu den politikgestaltenden Konzepten sowohl des kanadischen MultikulturalismusMultikulturalismus als auch der Québecer Interkulturalität.Interkulturalität Die Studien von Rama und von Ortiz. Ein J. G. Herder fälschlicherweise zugeschriebenes Konzept von ‚KulturKultur als Kugel‘.
Analysefokus IndividuumIndividuum, Individuen in der Gesellschaft. Anwendung auf die von Immigration geprägte (post-) esklavistische und Plantagengesellschaft Kubas. Literarische Prozesse; literarische VerarbeitungVerarbeitung gesellschaftlicher BrücheBrüche in den lateinamerikanischen Literaturen. Marginalisierungserfahrung von Gemeinschaft(en) von ImmigrantInnen in der kanadischen Gesellschaft. Literarische/ästhetische VerarbeitungVerarbeitung von MobilitätMobilität und MigrationMigrationMigrationArbeits-, Bildungs-, Heirats-, Pendel- unter Verhältnissen von Kolonialismus,Kolonialismus Post- und Neokolonialismus und neoliberaler Globalisierung.Globalisierung IndividuumIndividuum, Individuen und Gesellschaft(en).
Kontaktphänomenologie Mischung/MischungKreolisierungKreolisierung im Zuge von Immigration. KontaktKontakt von kolonialen und autochthonen Literaturen. Abgrenzung/DemarkationDemarkation gegenüber den kanadischen und Québecer Nationalismen. An den Kontaktbegriff in der SprachwissenschaftLinguistik angelehntes Konzept der KontaktzoneKontaktzonen. ‚VernetzungVernetzung’ nach außen; ‚HybridisierungHybridisierung’ nach innen: „wir sind kulturelle Mischlinge“; patchwork-IdentitätIdentität(en).
Motiv Erklärung der (kollektiven) IdentitätIdentitätkollektive und der kulturellen Praktiken in KubaKuba aus den Produktionsformen, den ökonomischen und Machtverhältnissen. Verarbeitung kolonialer Erfahrungen. Begründung der Unabhängigkeit, Originalität und Repräsentativität der lateinamerikanischen Literaturen, letzteres im Verhältnis zur ethnischen HeterogenitätHeterogenität in den Ländern Lateinamerikas. Subversiver DiskursDiskurs und Entwurf einer politischen Utopie gegenüber dem KonfliktmanagementKonfliktmanagement staatlicher Akteure. Analyse des Imperialismus, seiner kolonialen, neokolonialen und nicht-kolonialen HerrschaftsformenHerrschaftsformen und dessen Deutungsmacht über Vorstellungen und Wissen.Wissen transnationales – Auflösung der Homogenitätsfiktion; Kritik (mono-)kultureller Hegemonieansprüche („Leitkultur“).
Funktion des Konzepts Begriff der ‚Transkulturation’ als Gegenentwurf zum damals in der US-amerikanischen EthnologieEthnologie verbreiteten Konzept der AkkulturationAkkulturation. Überbegriff zu (Teil-) Prozessen der desculturación, exculturación, aculturación, inculturación, neoculturación. Revision des Konzepts von Ortiz und Ausrichtung auf die Analyse literarischer Prozesse und Erzählformen. Operationalisierung des Begriffs in Form von vier Prozessen transkultureller literarischer VerarbeitungVerarbeitung: Verlust, Auslese/Aussonderung, Wiederentdeckung und Inkorporation. Als Gegenkonzept zu (kanadischem) MultikulturalismusMultikulturalismus und zu (Québecer) Interkulturalität.Interkulturalität Analyse der Repräsentationen und Prozesse von AneignungAneignung und Unterwerfung in KontaktzoneKontaktzonen unterschiedlich mächtiger Kulturen. Als Gegenbegriff zu MultikulturalismusMultikulturalismus und Interkulturalität.Interkulturalität Trans- weist auf Sphären jenseits des traditionellen Verständnisses von Kultur:Kultur Ökonomie, Demographie, gesellschaftliche Reproduktion bzw. auf Prozesse der KulturalisierungKulturalisierung im Spätkapitalismus.Spätkapitalismus
Sprachkonzept/ Referenz auf sprachliche Verhältnisse Spanisch,Spanisch afrikanische und indigene Sprachen; Prozess der Kreolisierung.Kreolisierung Kastilisch und/vs. indigene und Kreolsprachen. Konzept von MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit als mehrfache EinsprachigkeitEinsprachigkeit in Italienisch,Italienisch Französisch,Französisch Englisch.Englisch Mehrsprachigkeit der ImmigrantInnen in QuébecSchulbücher, Québec.Québec/Quebec Sprachliche Nationalismen der jeweiligen MehrheitsgesellschaftMehrheit, -sgesellschaft (anglophones Kanada;Kanada/Canada frankophones Québec) vs. Marginalisierung der Sprachen und Kulturen der ImmigratInnen. Kontakt- und Mischungsprozesse zwischen Sprachen der europäischen Kolonialmächte und Sprachen der indigenen Kulturen in Lateinamerika und im Süden Afrikas; SprachkontaktSprachkontakt nach dem Muster von lingua franca und PidginsprachePidginsprache. Datenbasis besteht in schriftlich tradierten Texten, Archivmaterialien, Berichten etc. Kein expliziter Bezug auf Sprache (n). Periphere Erwähnung von gesellschaftlicher Vielsprachigkeit vs. EnglischEnglisch als lingua franca der GlobalisierungGlobalisierung.
Erkenntnisrahmen autofokussiert auto- und heterofokussiert Auto- und heterofokussiert; politische Utopie als Alternative zu und Provokation von staatlicher Realpolitik. heterofokussiert autofokussiert

Tab. 3.1:

Synoptische Darstellung zur Begriffsgeschichte von Transkulturalität

Transkulturalität  - Prozesse und Perspektiven

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