Читать книгу Die Soldatenkönigin - Julien Junker - Страница 17
ОглавлениеElnarat
Heiliger Sandsturm! Ich habe in meinem Leben selten einen solchen Schreck bekommen wie damals, als ich über die reinkommenden Soldaten blickte und Thoul zwischen ihnen entdeckte. Zuerst erkannte ich sie überhaupt nicht. Da war nur eine große, breitschultrige Soldatin, deren dunkle Haut mit Blut und Sand verklebt war, und die sich mit leichten Anzeichen der Erschöpfung in Richtung der Tore bewegte. Es waren ihre vertrauten Bewegungen, die meinen Blick zu ihr zurückzogen. Dann sah sie auf und Thouls grüne Augen begegneten meinen. Der Adrenalinstoß, der sich in meine Blutbahn ergoss, war wie ein Schlag in den Magen. Ich hätte wütend sein sollen, aber ich war nur geschockt. Wie angewurzelt stand ich da und sah ihr entgegen, bis sie heran war, das Gesicht verschlossen, zum Gefecht bereit. Ich kämpfte um meine Worte. „Was hast du getan?“, das war alles. Zu mehr reichte es nicht. Ich hatte sie vor dem bewahren wollen, was sie heute erlebt hatte, davor, so blutverschmiert und erschöpft vor mir zu stehen, davor ihre Kindheit, falls da eine gewesen war, auf einem Schlachtfeld zu verlieren.
Ich hatte versagt.
Hier stand sie, und einmal mehr wurde mir bewusst, wie erwachsen sie inzwischen wirkte. Ihre breiten Schultern, ihre Größe. Und der Blick ihrer Augen, alt. Es war der Blick jener, die gekämpft hatten, gesiegt, getötet. Nicht aus Notwehr, nicht aus verzweifelten Rachegefühlen eines Kindes, dem man den Vater geraubt hatte. Dies war der Blick jener, die töteten, weil sie zum Kampf ausgezogen waren. Der Blick der Mörder. Ich hasste es, ihn in ihren Augen zu sehen. Was sie erlebt und was gesehen hatte, konnte ich nur erahnen. Wissen tat ich nur, dass dieses Mädchen, das da vor mir stand, kein Kind mehr war, jetzt endgültig nicht mehr, sicher nicht.
Mein Herz zog sich zusammen, als ich in diese Augen blickte. Ich hatte versagt. Verzeih mir, Gileat.
Verzeih mir, Thoul.
Ich verfrachtete sie auf die Krankenstation, um sicher zu gehen, dass nicht irgendwas von dem vielen Blut auf ihrer Kleidung von ihr stammte. Überall trafen wir Soldaten, die ihr zunickten und sie grüßten. „Miss...“ Etwas war passiert, was mir entgangen war. Sie behandelten sie plötzlich so anders, so respektvoll... Auf der Krankenstation angekommen, hieß ich sie mit knappen Worten, dort zu bleiben und verschwand.
Ich floh geradezu in mein Quartier und ließ mich auf meinem Bett nieder, ungeachtet der Kissen, die ich dabei mit Blut und schweißverklebtem Sand besudelte.
Ah... dieses Mädchen! Eines Tages würde ich noch den Verstand an ihr verlieren! Es war nahezu grausam, zu erfahren, wie sie mich berechnete und austrickste.
Ich werde dich nicht nach draußen begleiten, hatte sie gesagt. Natürlich war ihr dabei klar gewesen, dass es sich meinem Einfluss vollkommen entzog, ob sie dann allein rausging. Dass ich es vor allem nicht erwarten würde...
Miss... Sie musste draußen gute Arbeit geleistet haben, so viel stand fest. Man verdient sich nicht einfach so den Respekt der rauen Meute, die Soldaten nun mal sind.
Umso schlimmer.
Ich erhob mich und ging zum Spirituosenschrank. Meine Hände griffen mechanisch nach der Cognacflasche, bevor ich mich auf dem Boden niederließ und den Rücken gegen mein Bett lehnte. Ich rührte sie nicht an. Sie stand unschuldig vor meinen Füßen und ich starrte nachdenklich darauf nieder. Der Gedanke, noch halb betrunken zu sein, wenn ich morgens aufs Feld ging, war nicht ganz so anheimelnd. Meine Arme zierten genügend Narben von üblen Kneipenschlägereien und Messerkämpfen aus meiner Akademiezeit.
Hatte ich sie so unterschätzt? Thoul war eine brillante Nahkämpferin und begabte Strategin. Sie war fünfzehn –
Sollte sie schon bereit gewesen sein? Aber bereit ist keiner von uns. Nicht für die Dinge, die der Krieg uns zeigt. Dafür ist niemand bereit. Man kann sich nur Stück für Stück daran gewöhnen. Leider kann man das.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Aber nicht Thoul, doch nicht Thoul, noch nicht! Doch diese Entscheidung hatte sie mir abgenommen. Von jetzt an galt es mit den Konsequenzen zu leben. Die erste Schlacht verändert jeden. Thoul würde nie mehr dieselbe sein.