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Elnarat

In derselben Nacht noch stand ich auf und ging zu Clarence. Erstens weil ich von dem Schlag auf die Stirn, von dem meine Wunde herrührte, doch noch Kopfschmerzen bekam, und zwar nicht zu knapp, und zweitens weil ich mit ihm reden musste.

Das Gespräch mit Thoul hatte gut getan. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr leid tat und sie doch nicht vollkommen skrupellos mein Vertrauen missbraucht hatte. Ihr war anscheinend klar geworden, worum es mir ging. Aber ich konnte trotzdem nicht schlafen. Dieses Bild, das sie geboten hatte, dort zwischen den Männern... Blutverschmiert, verkrusteten Sand auf Hals, Armen und Händen... und dieser Blick! Dieser Blick... Für einen Moment hatte ich das Gefühl gehabt, es wäre nicht Thouls Gesicht, in das ich sah. Da war etwas gewesen. Etwas Wildes, Fremdes, Gewalttätiges – gewalttätiger als sonst. Es hatte mir Angst gemacht. Furchtbare Angst.

Clarence schlief natürlich nicht. So wie immer. Er lief zwischen seinen Patienten hin und her, verteilte Schmerzmittel und rieb sich erschöpft die Nasenwurzel.

„Du kommst aber auch nie zur Ruhe, was?“, fragte ich gedämpft, um die Schlafenden nicht zu wecken.

Der Arzt drehte sich verwundert um und lächelte müde, als er mich sah. Er legte die Injektionsnadel zur Seite, die er soeben einem verletzen Soldaten aus dem Arm gezogen hatte, und kam zu mir herüber. Sein Blick musterte mich aufmerksam und wanderte zu der Wunde auf meiner Stirn. „Du bist ein Dappschädel, Elnarat. Das muss genäht werden.“

Ich winkte ab. „Gib mir nur was gegen die Kopfschmerzen“, bat ich.

Clarences Augen sprangen zwischen meinen hin und her. Er hob eine kleine Medizinertaschenlampe und leuchtete mir hinein. Ich wandte das Gesicht mit einer Grimasse ab und hob abwehrend die Hand. „Ich hab keine Gehirnerschütterung, Mann! Nur Kopfschmerzen.“

„Erstens“, informierte Clarence mich mit abgesunkener Stimme, „Hat man immer eine Gehirnerschütterung, wenn man einen solchen Schlag auf den Kopf bekommen hat und zweitens ging es mir nicht darum.“

Mir dämmerte, worauf er hinaus wollte.

„Ich habe nicht getrunken, falls du das meinst“, murmelte ich.

Er nickte.

„Auch wenn die Sache mit Thoul mich nicht ganz kalt gelassen hat.“

Seine Brauen hoben sich und ein Lächeln flog über seine Lippen. „Darum bist du hier“, stellte er fest, während er durch die Tür in einen angrenzenden, nur durch eine Glasscheibe vom Rest der Krankenstation abgetrennten Raum trat, zu seinem Schreibtisch ging und eine Packung Tabletten aus der obersten Schublade nahm, die er selbst des Öfteren benutzte. Ärzte im Krieg haben kein leichtes Leben.

„Es macht mich wahnsinnig“, seufzte ich, während ich mich mit dem Rücken an die Wand neben ihm lehnte. „Er hat mich gebeten, auf sie aufzupassen. Aber das ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Thoul will gar nicht, dass man auf sie aufpasst. Es ist als wollte man eine Hyäne davor bewahren, von anderen gebissen zu werden. Sie wird diejenige sein, die die Prügelei anfängt.“

Clarence ließ seinen Blick über die Station vor dem Fenster schweifen und nickte. „Ich weiß, was du meinst, Elnarat. Allerdings habe ich den Eindruck, du machst dir ein falsches Bild von der Lage.“

„Was meinst du?“

Der Arzt wiegte leicht den Kopf hin und her, während er mich ansah. „Sie war völlig unverletzt. Was allerdings nicht daran lag, dass sie sich aus dem Gröbsten herausgehalten hätte. Ich hab mit einer Menge Jungs geredet, die mit üblen Verletzungen reingekommen sind. Vor allem weil ich gemerkt habe, wie sie Thoul ansehen. Sie saß dort drüben in der Ecke und hat vor sich hin gestarrt. Diejenigen, die an ihr vorbeikamen, haben ihr zugenickt und sie mit „Miss“ gegrüßt. Ich habe sogar Andeutungen eines Saluts gesehen.“

Ich runzelte die Stirn. „Sie salutieren vor ihr?“

Clarence nickte. „Das hat mich auch gewundert. Also habe ich mich ein Bisschen umgehört.“

„Und?“

„Es sieht so aus, als hätte sie einige der schwerverletzten Jungs, die auf der Intensiv liegen, reingebracht. Zusammen mit anderen, die zum Teil selbst nicht gerade glimpflich davon gekommen sind. Ich habe nachgefragt und offenbar hat sie sie wirklich aus üblen Situationen befreit. Luka sagt, sie hätte ihn mitten aus einem Kugelhagel rausgezerrt.“

Ich lehnte den Kopf an die Wand und schloss die Augen. „Heilige Wüste!“

„Das ist nicht alles“, meinte Clarence mit ernster Miene. „Die Männer sagen, sie hätte draußen wie ein Kriegsgott unter den anderen gewütet. Einige haben wohl angesichts einer so jungen Frau einen Augenblick zu lang gezögert. Ansonsten... nun, sie hat ihre schnellen Reflexe genutzt und... ihre gute Ausbildung. Stevens hat sie gesehen und mir ins Gesicht gesagt, sie bräuchte keinen Schutz da draußen. Sie mag jung sein und noch nicht die gleiche Kraft haben wie wir oder die anderen Frauen in der Armee – noch nicht. Aber ihre Schnelligkeit und ihre Reflexe machen das ohne Weiteres wett. Sie ist ein Soldat. Und zwar ein verdammt guter.“

Ich warf mir die Tablette ein, die Clarence mir gegeben hatte und spülte mit einem Glas Wasser nach. „Aber sie ist noch so jung, Clarence. Sie kann unmöglich für das bereit sein, was sich da draußen abspielt!“

Für einen Augenblick herrschte Stille zwischen uns. Clarence schwieg und starrte abwesend vor sich ins Leere. Sein Zeigefinger lag an seinen trockenen Lippen, während er sich in Erinnerungen verlor. „Mit ihrer Mutter war das genauso“, murmelte er irgendwann. „Es zog sie genauso früh raus aufs Schlachtfeld. Ich habe damals geglaubt, sie würde mir draufgehen... aber sie kam durch und ging wieder raus um zu töten. Sie war damals nicht älter als Thoul heute. Claire war genauso wenig zu halten. Ich kannte Thouls Mutter sehr lange, Elnarat. Und je älter Thoul wird, desto ähnlicher wird sie ihr. Es wundert mich nicht mehr wirklich, was heute da draußen passiert ist.“ Er zögerte unter meinem unverwandten Blick. „Lass dir eines gesagt sein, Elnarat“, fuhr er schließlich fort. „Es macht keinen Sinn, sie zurückzuhalten. Thoul ist der geborene Soldat. Du kannst einen Löwen nicht an die Kette legen. Oder zumindest nicht lang.“

Unverständnis lag in meinem Blick, ich konnte es fühlen. Was versuchte er mir da zu sagen? „Soll das heißen, ich soll sie mit da raus nehmen? Ein fünfzehnjähriges Mädchen?! Was redest du da, Clarence?“

Er zuckte die Schultern und sah zu Boden. „Von mir aus, versuch sie hier drinnen zu halten, während draußen die Kämpfe toben. Nach der Verfassung zu urteilen, in der sie deine Reaktion heute zurückgelassen hat, könnte das sogar noch eine Weile lang klappen... Nur... freunde dich damit an, dass das nicht mehr lange der Fall sein wird.“

Die Soldatenkönigin

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