Читать книгу Die Soldatenkönigin - Julien Junker - Страница 20
ОглавлениеThoul
Clarence hatte Recht. Der Krieg mit Léon veränderte mich, und wie er das tat. Das sollte ich schon bald feststellen und es schwer bereuen.
Es war, als hätte die vergangene Schlacht einen Schalter in mir umgelegt, eine innere Barriere niedergerissen, die auch Monate später längst nicht wieder aufgebaut war.
Ich war im Hangar – wieder einmal – und reparierte zusammen mit einem der jüngeren Techniker einen Gleiter, der auf einem Erkundungsflug in Schwierigkeiten geraten und stark beschädigt worden war.
Alles lief gut, bis wir auf ein Problem stießen, bei dem ein Fehler uns gut und gern weitere Tage mühsamer Kleinarbeit bescheren konnte.
„Und Sie sind sicher, dass der Fehler bei der Treibstoffpumpe liegt?“ Der Techniker hatte eine Hand nachdenklich an die Stirn gelegt und blickte mich zweifelnd von der Seite an. „Ich denke, die Zwischenfilter- “
Ich trommelte mit den Fingern der Rechten irritiert auf das Metall des Gleiters, verlagerte mein Gewicht. Meine Stiefel hallten auf der Reparaturplattform, die uns gute anderthalb Meter über dem Boden neben dem offenen Bauch des Gleiters in der Luft hielt.
„Läge das Problem nur bei ein paar verstopften Filtern, hätten wir das beim Ablassen des Treibstoffs gemerkt! Denken Sie doch nach!“ Ich drehte mich, krallte beide Hände um das niedrige Geländer der Plattform. Heute würde ich mich hüten, so mit einem meiner Soldaten zu reden, aber damals war ich überreizt und noch dazu entnervt, denn die Diskussion dauerte nun schon einige Minuten an und schien sich keiner Lösung zu nähern. Es frustrierte mich bis hin zur Wut, dass der Mann sich so querstellte.
„Ich denke nach, Miss. Schon seit Stunden.“ Er war zerknirscht und ich ungeduldig.
Ich drehte mich um und redete übertrieben deutlich. „Gut. Dann einfach mal angenommen – um es zum dritten Mal zu wiederholen – die Filter sind nicht der Grund und der Fehler liegt tatsächlich bei der Hauptpumpe, welche wir nicht austauschen, weil Sie sich dagegen aussprechen. Was passiert, wenn wir das Ding wieder in die Luft schicken?“
„Eine solche Fehlfunktion würde zu einer Explosion führen, Miss, ich weiß, aber wissen Sie, wie viel Arbeit-“
„Ja doch! Aber Arbeit ist mir allemal lieber als durch den Hangar fliegende Metallfetzen und herum sprühender brennender Treibstoff. In Ordnung?“
Der Mann ballte die Fäuste. „Ja, Miss. Aber dennoch liegen keine Beweise für eine Fehlfunktion der-“
„Keine Beweise? Dieser Gleiter ist uns buchstäblich vor die Füße gestürzt! Ausgefallene Triebwerke, Überhitzung und eine Druckanzeige, die der eines überdimensionalen Schnellkochtopfs gleichkam, obwohl der Schlauchdruck vollkommen normal war. Das könnte an den Filtern liegen, aber nicht, wenn man allen Treibstoff ablassen kann, verdammt!“
In diesem Moment platzte meinem Gegenüber der Kragen.
„Ich habe anderes zu tun, als ein Woche unter diesem veralteten Drecksding zu liegen! Denkst du wirklich, du weißt besser als ich, wie man einen Gleiter repariert? Ich mache das schon länger, als du überhaupt lebst, Kleine! Ich muss mir von dir gar nichts sagen lassen-“
In exakt dieser Sekunde hatte ich dann genug davon, dass er sich sträubte, dass er mich beleidigte und anschrie. Genug…
„Genug!“, schrie ich auf, fuhr herum und schlug dem Mann mit solcher Wucht die Rückhand ins Gesicht, dass er gegen die Brüstung taumelte und, von seinem Schwung getragen, rückwärts darüber kippte und auf den Hangarboden stürzte. In meinen Ohren mischte sich sein entsetzter Schrei mit seinen abschätzigen Worten und den Geräuschen der Schlacht, die mir wieder grausam real ins Bewusstsein traten.
„Thoul!“ Es war ein Schrei, so maßlos zornig, dass meine Wut augenblicklich zu Eis erstarrte. Unverwandt blickte ich auf meine Finger hinab. Was war in mich gefahren?
Elnarat stürmte auf mich und den Gleiter zu, beugte sich kurz zu dem reglos ausgestreckten Techniker hinab, war dann mit zwei ausgreifenden Schritten bei mir auf der Plattform. Kurz bevor sich seine Hand schmerzhaft um meine Schulter krampfte und mich buchstäblich herumriss, kam es mir: Der Krieg…
Meine Augen erfassten den Techniker, um den sich bereits mehrere bestürzte Kollegen geschart hatten.
Ein Kamerad, Thoul. Was hast du getan…?
Dann kam Elnarats Tirade.
„Bist du vollkommen durchgedreht? Was hat der Kerl dir getan? Gottverdammt, hast du dir irgendwas dabei gedacht?! Bist wahnsinnig geworden? ... Ich rede mit dir, Thoul! Sieh mich an! Verdammt noch mal! WAS SOLL DAS?“
Mein Selbsterhaltungstrieb griff ein. „Er hat mich beleidigt, er – es ging um die Reparatur des Gleiters, er wollte einfach nicht einsehen, dass-“
„Ach was, und nur weil er deinen Stolz verletzt hat, verteilst du sein Gehirn auf dem Asphalt, ja?“, blaffte er mich an. Er schäumte vor Zorn. So hatte ich ihn nur selten erlebt. „Das ist nicht wahr! Das darf einfach nicht wahr sein! Bewusstlos, weil man das Pech hatte, sich mit Madam im Streit um eine lockere Schraube wiederzufinden! Großartig! Einfach großartig! BIST DU EIGENTLICH VOLLKOMMEN ÜBERGESCHNAPPT? Weißt du, was man mit Soldaten macht, die sich gegen ihre Kameraden wenden? Man stellt sie vors Kriegsgericht! Man erschießt sie!“
Sich von mir wegdrehend stemmte Elnarat die Hände in die Seiten, das nächste Bombardement an Schreien nur mit offensichtlicher Mühe zurückhaltend. Ich für meinen Teil biss die Zähne zusammen und versuchte krampfhaft, dem Impuls zu widerstehen, meine scharf pochende Schulter zu massieren.
Als Elnarat sich mir wieder zudrehte, waren seine Augen fast schwarz. „Wenn du –“, presste er grollend hervor. „ – noch ein Mal auf die Idee kommst, einen meiner Soldaten zu verletzen-“
„Er hat sich mir widersetzt, obwohl ich –“
„Ah! Also müssen neuerdings alle deinem Befehl Folge leisten!“, fuhr er mich an. „Nur weil manche hier dir einen gewissen Respekt entgegenbringen, heißt das nicht, dass du diesen Respekt gleich voraussetzten kannst! Und es heißt ganz sicher nicht, dass du jeden, der nicht gleich vor der hochwohlgeborenen Soldatenprinzessin auf die Knie fällt, so behandeln darfst! Hast du das verstanden?!“
Ich blickte ihn an, ohne eine Miene zu verziehen. „Ja.“
Elnarat atmete mit geschlossenen Augen tief durch.
„Thoul!“ Seine Stimme wurde eindringlicher und er legte erneut, wenn auch dieses Mal vorsichtiger, seine Hände auf meine Schultern. „Du hast gelernt, deine Feinde zu erkennen. Aber zu wissen, wer deine Freunde sind, ist noch viel, viel wichtiger. Du kannst deine Leute nicht einfach so angreifen. So gewinnst du keine Schlacht. Verstehst du? Kein Krieg wird allein gewonnen. Ein General ist gar nichts ohne seine Jungs.“
Der Blick, mit dem er mich maß, verwirrte mich. Das war nicht der Ausdruck von früher, dies war ein anderer, fragenderer, so, als müsse er mich neu einschätzen. „Verstehst du? Respekt verdienst du dir nicht durch Angst vor Wutausbrüchen. Du wirst mich gleich hassen für das, was ich jetzt sage, aber dein Vater war kein so großer Mann, weil er willkürlich und unberechenbar war.“
Himmel, wenn all seine vorherigen Worte noch nichts bewirkt hätten, diese taten es. Ich verkrampfte mich unter seinem Griff und versuchte zu schlucken, um den bitteren Geschmack auf meiner Zunge loszuwerden. Es half nicht.
Mir war, als brannten die entsetzten Blicke der umstehenden Soldaten Narben in meine Haut, so deutlich war ich mir ihrer Präsenz bewusst.
Oh, er hatte Recht, natürlich hatte er das! Ich wusste das sehr genau. Welches Biest auch immer dieser Krieg in mir geweckt hatte, ich musste lernen, es zu zähmen, damit es für mich – für uns – arbeitete und nicht gegen uns, so wie jetzt.
Mit fast völlig erstickter Stimme antwortete ich. „Das… ist wahr.“ Ich schluckte erneut, den Blick auf meine Stiefel gesenkt. So ging es nicht weiter. „Verzeih. Ich werde deine Worte beherzigen.“
Ich stieg zuerst von der Plattform herab. Dann hob ich den Blick in die Runde. Geschockte Gesichter sahen mir entgegen, wütend, verstört.
„Ich... ich habe auf eine Weise die Beherrschung verloren, die einen Kameraden beinahe teuer zu stehen gekommen wäre. Und ich verstehe, wenn Sie mir diesen... Verrat nicht vergeben können, auch wenn ich mir wünsche, Sie würden es tun. Aber ich verspreche Ihnen, “ Ich straffte den Rücken, mein Tonfall wurde hart und entschlossen. „Ich verspreche Ihnen, dass so etwas nie wieder passieren wird.“
Ich hoffte, dass die Frauen und Männer um uns, die nur verschlossen auf mich blickten, mir das irgendwann glauben würden.
Elnarat jedenfalls entspannte sich sichtlich, auch wenn ich immer noch die unterdrückte Wut sehen konnte, die in ihm brannte. Indessen wurde der Techniker, gestützt von zwei Kameraden, auf die Krankenstation gebracht, wohin ich ihn begleitete, mich entschuldigte und ihn in den nächsten zwei Tagen regelmäßig besuchte, während er sich erholte.
Ich dagegen sammelte meine Kräfte. Der härteste Kampf von allen ist immer der mit dir selbst, das hatte ich gelernt, und oh, ich würde nicht wieder schwach sein. Meine ohnehin nicht geringe Selbstdisziplin trieb ich zu einer Perfektion, die selbst ich nicht für möglich gehalten hatte.
Es ging nicht um die Beherrschung des Körpers, sondern um die Kontrolle über meinen Geist, die mir so schändlich entglitten war. Und ich hasste es, die Kontrolle zu verlieren.
An dieser Stelle muss ich erwähnen, wie dankbar ich Elnarat damals war. Hätte er mich nicht derartig zurechtgewiesen, wäre ich wohl lange nicht auf meine Missstände aufmerksam geworden. Wenn ich die Blicke der anderen Soldaten in den darauf folgenden Monaten sah, war ich mir sicher, dass Elnarat zu spät gekommen war, dass ich etwas getan hatte, das mir nie vergeben werden würde. Doch die Zeit heilt in der Tat beinahe alle Wunden. Mir wurde vergeben, und das nicht nur, weil ich hart für diese Gnade arbeitete.
Ich führte den Weg meines Vaters fort, und auch wenn mein unerklärlicher Hang zur Gewalt nicht verschwand, so lernte ich doch, ihn gezielt und bewusst und zu den richtigen Zwecken einzusetzen.
Denn von welchem Nutzen ist Stärke, wenn kein Verstand da ist, um sie richtig einzusetzen?
Verstand. Ja, das war noch so eine Sache. Ich verstand es nach und nach immer besser, mich auf Elnarat einzustellen. Innerhalb der viereinhalb Jahre, die er nun schon für mich sorgte, lernten wir – vor allem ich hatte zu lernen, muss ich gestehen – uns gut miteinander zu arrangieren. Ich übernahm einige eher politische Aufgaben, von denen ich wusste, dass sie Elnarat als dem Soldaten, der er nun einmal war, höchst zuwider waren. Die Ergänzung war so ideal, wie sie überhaupt sein konnte.
Was ich allerdings nicht recht mochte – auch, weil es nicht zu meiner nun sehr stark ausgeprägten Vorstellung von Disziplin passte, denke ich – waren die kleinen Ausflüge, die er gelegentlich in fremde Quartiere oder an diverse Theken unternahm. Ein Freigeist hätte vermutlich gesagt, dass Elnarat sein Leben genoss. Ich dagegen bezeichnete es als selbstverletzendes Verhalten. Das mochte ein extremer Vergleich sein, aber der Unterschied zwischen einem nüchternen und einem betrunkenen Elnarat war gravierend.
Andere Frauen schien das nicht zu stören. Elnarat hatte, egal zu welcher Zeit, eine geradezu erstaunliche Wirkung auf unsere weibliche Besatzung und im betrunkenen Zustand war er seinerseits noch viel offener für neue Bekanntschaften, als er es ohnehin schon war.
Nicht, dass er haltlos oder anzüglich wurde oder sich sonst irgendwie wie der typische Betrunkene verhielt. Elnarat wurde nie laut. Er wurde nur unberechenbar und abenteuerlustig. Er suchte sich seine Dame für die Nacht und bereitete ihr, wie ich hörte, den größten Spaß auf der Tanzfläche und bei Gesprächen an Tischen, auf denen die Gläser nie leer wurden. Um dann mit ihr auf ihr Zimmer zu verschwinden, wenn die Nacht weit genug fortgeschritten war.
Oft blieb er dann auch bis zum nächsten Morgen verschwunden, was ich gar nicht mochte. Ein Teil von mir, der nicht rein rational auf die Gefahr hinwies, die ein Angriff in solchen Nächten mit sich bringen würde – denn mit Angriffen war immer zu rechnen, wenn man sich in Gesellschaft einer Rebellenarmee befand – war oft der Meinung, dass ich als sein Schützling auch in dieser Zeit seine volle Aufmerksamkeit verdient hätte.
Wie erwähnt war mangelnde Kontrolle nichts, das ich gern sah. In Elnarats Fall – nun, ich kann meine Gefühle nur als annähernd besitzergreifend bezeichnen, einer der wenigen Reste, die von meiner Kindheit geblieben waren. Ich ließ ihn in anderen Situationen selbstverständlich ungefragt tun, was er wollte, wie er es auch bei mir tat. Krankhaft war mein Verhalten schließlich nicht, nur reagierte ich gelegentlich fürchterlich gereizt, wenn er mehrere Abende hintereinander nicht in seinen Räumen aufzufinden war. Auch ignoriert zu werden konnte ich nicht besonders gut leiden…
Kam er allerdings morgens geschlagen in unser Quartier zurück, ging mein tadelnder Blick bald in Mitleid über. Schmerzen gönnte ich nur sehr wenigen Personen, und so erbarmte ich mich ein ums andere Mal und pflegte ihn auf eine Art, die ich bald nach dem Vorfall mit dem Techniker für mich entdeckt hatte: Ich kochte. Damals war das Kantinenessen noch zu oft zu zweckmäßig.
Wie ein paar Wochen danach ersichtlich wurde, war mein mäkelnder Gaumen gelegentlich sehr hilfreich.
Ich hatte wieder einmal vergeblich auf Elnarats Erscheinen gewartet und mich schließlich mit rauchendem Gemüt für die Nacht in mein Zimmer zurückgezogen. Als es einige Stunden später wieder Zeit für eine unserer schnellen Dämmerungen wurde, war ich wie so oft bereits wach und lag mit offenen Augen flach auf dem Rücken in den Kissen. Die kurzen, friedlichen Schimmer glommen durch mein Fenster als ich hörte, wie jemand das Quartier betrat. Unstete Schritte tappten herein, hielten inne. Ich nahm ein verhaltenes Ächzen war und konnte mir bildlich vorstellen, wie Elnarat sich mit schwerem Kopf und ihm nicht mehr völlig gehorchendem Körper am ausgestreckten Arm am Türrahmen abstützte, eine Hand an der Stirn, seine Kleider wahrscheinlich in jenem nicht ganz ordentlichen Zustand, den rasches Aus- und schlampiges Wiederanziehen verursachten.
Du Armer!
Nein, ich wollte nicht mit ihm fühlen.
Ich hörte, wie er einen Schritt von seiner Stütze weg und in den Raum trat, wobei er selbstverständlich strauchelte. Makellose Körperbeherrschung war nicht immer eine Priorität, zum Beispiel, wenn Elnarat sich schwer übernächtigt auf den Weg in sein Zimmer machte. Auf diesem kam er dann auch an meinem durch den Türrahmen begrenzten Sichtfeld vorbei. Ich drehte den Kopf, um ihn besser betrachten zu können, und war wieder einmal erstaunt, dass Elnarat als einziger mir bekannter Mensch selbst betrunken eine gewisse Lässigkeit an sich hatte. Er war nie haltlos oder lallte in wahrnehmbaren Maßen. Auch hat er sich – zumindest in meinem Beisein – an solchen Abenden nie übergeben.
Trotzdem…
Ein dumpfer Aufschlag folgte wenige Sekunden nachdem Elnarat wieder aus meinen Augen verschwunden war. Mein Kopf hob sich, als ich ein durch diverse Decken gedämpftes Stöhnen wahrnahm. Da war es. Mitleid. Man sorgt nun einmal für seine Kameraden… In einer Stunde war es an der Zeit für den Frühappell. Wenn er jetzt einschlief, würde er nicht so schnell wieder auf die Beine kommen. Das wäre ein erstes Mal. Bisher war er nie unpünktlich gewesen.
Oh Elnarat. Du dummer Junge.
Mit einem seufzenden Blick himmelwärts erhob ich mich, kleidete mich an und begab mich direkt in die Küche. Tee würde nicht reichen.
Kaffee. In hohen Dosen. Und zwar dringend. Während dieser durchlief, stellte ich ein stärkendes Anti-Kater-Menü zusammen, das hauptsächlich aus Getreidebrei mit beinahe allem bestand.
Das war fast so effektiv wie ein Breitbandantibiotikum. Schieß’ auf alles, irgendeine Kugel trifft das Richtige. Und da es Elnarats Körper gerade an praktisch allem mangelte…
Ich lächelte, als ich die Sachen auf ein Tablett stellte. Es war in gewisser Weise schön, seine metaphorischen Wunden so für ihn zu versorgen. Ich mochte den dankbaren, erleichterten Blick, der bei meinen gastralen Rettungseinsätzen in seinen Augen aufleuchtete.
Genauso leise wie zuvor durchquerte ich das Wohnzimmer und betrat Elnarats Raum, dessen Tür weit geöffnet war.
Da lag er, wie hingestreckt halb auf, halb neben seinem Bett, das Gesicht zur Wand gedreht, das lange Haar auf dem Kissen ausgefächert. Die bewundernswerte Kraft seiner breitschultrigen, jedoch schlanken, drahtigen Statur hatte es heute nicht einmal mehr geschafft, ihn den letzten halben Meter bis zu seinem Bett zu tragen.
Was musst du für einen schlimmen Schädel haben.
Wieder lächelte ich, ich gebe zu: leicht hämisch, und so lächelnd setzte ich mich neben ihn auf den Boden, das Tablett auf den Knien, und legte eine Hand auf seine Schulter.
„Elnarat?“
Der dahingeraffte Mann vor mir holte hörbar Luft und drehte mir den Kopf zu, ohne sich weiter damit aufzuhalten, ihn zu heben. Kissenstoff faltete sich auf und ich kicherte. Ein wirklich würdevolles Bild.
„Hah?“
„Frühstück“, flüsterte ich behutsam meinem zerknautschten Krieger zu.
Dieser sog mit geschlossenen Augen die Luft ein und drehte seinen Kopf vollständig herum. Sein glasiger Blick wurde fester, als er sich der Bedeutung meiner Worte bewusst wurde und ein wackeliges Lächeln sich auf seinen Lippen zeigte.
„Hast du etwa-“
„– Kaffee gekocht“, nickte ich. Ah, ich lernte, diese Momente ganz früh am Morgen zu lieben, wenn die ganze Sympathie, die sich zwischen uns entwickelt hatte, in einem einzigen überraschten, freudigen Blick an mich lag. Ich freute mich, dass er sich freute, allem Groll zum Trotz. Vorsichtig hob ich die Tasse an und reichte sie ihm, als er sich langsam aufsetzte. Sein Schmerz war offensichtlich.
„Oh my…“, brummte er dumpf.
„Hier“, ich schob das Tablett neben ihm auf das Bett, reichte ihm die mitgebrachte Schmerztablette und erhob mich. „Das wird helfen.“
Er nahm einen großen Schluck Kaffee und seufzte auf.
„Zu heiß?“, fragte ich, doch er winkte lachend ab.
„Perfekt.“ Seine Augen suchten meine. „Das ist besser. Ich danke dir.“
„Gern.“ Bewusst vermied ich einen tadelnden Hinweis auf den Grund seines Zustandes. „Ich will schließlich nicht, dass du den Appell verpasst.“
„Richtig, der Appell…“ Er fuhr sich durch die Haare, rieb sich über die Augen und setzte sich auf. Dann griff er nach der Schale. Ich stand mit verschränkten Armen da und sah auf ihn hinunter, während er sich einige Löffel seines Frühstücks in den Mund schob.
„Nichts Nennenswertes passiert heute Nacht.“ Gefräßige Stille. Elnarats Magen war schon beeindruckend. „Mehr?“, fragte ich und deutete mit dem Kopf in Richtung der Schüssel, als diese geleert war. Elnarat verneinte.
„Gut. Und danke. Das hat gut getan. Du überraschst mich.“ Grinsend musterte er mich. „Manchmal wird diese Göre ja doch zum Samariter, was?“
„Irgendjemand muss es ja tun“, erwiderte ich schulterzuckend und grinste schelmisch zurück.
„Ha! Du!“ Er warf die leere Schale nach mir, die ich ohne Schwierigkeiten auffing, und lachte, um kurz danach wieder schmerzerfüllt das Gesicht zu verziehen. „Oh. Ah. Ich sollte duschen gehen. Sehr, sehr kalt duschen.“
„Tu das. Aber rutsch’ nicht aus!“
Bevor mir auch noch die Tasse um die Ohren flog, schlüpfte ich zur Tür hinaus und verschwand in der Küche, um mir bester Laune selbst mein Frühstück zu bereiten.
Ganz schlecht waren diese Ausflüge offenbar doch nicht. Es kam nur auf die Perspektive an.