Читать книгу Die Soldatenkönigin - Julien Junker - Страница 7
Prolog
ОглавлениеElnarat
Gileat El Khalfani war ein feiner Kerl, das muss man erwähnt haben. Wir haben uns etliche Male gegenseitig den Arsch gerettet. Er war der Oberkommandant der Armee, der Befehlshaber einer Streitmacht, die kaum mehr als zehn Jahre zuvor die unrechtmäßige Regierung ihres Landes abgesetzt hatte. Wie so oft war die Unabhängigkeit nur der erste Schritt gewesen. Der wahre Kampf kam danach. Den Vereinten Nationen der Erde, kurz VNE, passten unsere Sezessionsbestrebungen gelinde gesagt überhaupt nicht in den Kram. Also arrangierten sie Grenzkriege mit unseren Nachbarn – alles VNE-treue Staaten, die sich nicht unter ihrem wirtschaftlichen Pantoffel hervorwagten – und finanzierten lokale Extremistengruppen, die daraufhin ihr Übriges taten, um uns das Leben schwer zu machen. Ganz zu schweigen von dieser hinterhältigen Landschenkung im Norden des Tschad. Johanta, selbst Ergebnis einer Sezessionsbewegung des späten einundzwanzigsten Jahrhunderts, war immer ein unberechenbarer Kleinstaat gewesen, über den die VNE eigentlich keine Verfügungsgewalt hatten, auch wenn sie das gerne behaupteten. Das Ganze war natürlich der perfekte Sargnagel. Hier, bitte sehr, wir erlauben euch eure ach so sehr geheiligte Autonomie und schenken euch sogar noch Land dazu. Seht zu, wie ihr die Rebellen und Guerillakrieger da befriedet. Ein echtes Land voller fähiger erwachsener Leute muss das ja schließlich können, nicht wahr. – und wenn ihr dann eingesehen habt, dass ihr in Wahrheit nur ein Haufen unreifer Kinder seid, die den mütterlichen Schutz der VNE benötigen, weil sie anders gar nicht existieren können, nehmen wir euch großzügig und nachsichtig wieder in den Staatenbund auf.
Kurz gesagt, wir hatten lange mit Nachbarn, fremdinduziertem Bürgerkrieg und schlechter Publicity zu kämpfen gehabt, zehn Jahre lang. Doch nun, nun begannen sich die Winde zu drehen. In Johanta war es ruhig geworden, das kleine Rebellenland hatte sich offen unserer Herrschaftsgewalt untergeordnet, auch wenn sie viel Selbstbestimmung gefordert hatten. Der Norden war also friedlich. Auch im Inland hatten die Dinge sich beruhigt – Gileat war ein Charismat. Die Menschen hörten ihm gerne zu und selbst die arrogantesten Akademiker und Politwissenschaftler gaben zu, dass seine Ziele Hand und Fuß hatten. Die Menschen wandten sich ihm zu. Und nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Ländern des schwarzen Kontinentes. Gileats Idee hatte Wurzeln geschlagen und – viel schlimmer – Flügel entwickelt.
Das sorgte verständlicher Weise für eine Menge Unruhe im Rest der Welt, die nun langsam aber sicher und mit unzweideutigen Anzeichen auf einen Umsturz der herrschenden Machtverhältnisse zuzusteuern begann. Es ist nicht übertrieben das zu sagen. Die Ausgebeuteten der Welt hatten mitbekommen, wie der wirtschaftliche Hase lief und gedachten, ihn auf neue Wege zu lenken. Jeder wusste, dass die Revolution kommen würde, selbst die Politiker und alten Machthaber, die es noch immer tapfer zu negieren versuchten.
Niemandem war allerdings klar, wie und durch wen sich schließlich das Unvermeidliche einstellen würde und ich muss gestehen, selbst für mich war es eine enorme Überraschung.
Eigentlich hatte ich geglaubt, Gileat, mein Freund und Kommandant, würde das Machtvakuum nach diesem nächsten, leider unvermeidlichen Krieg nutzen, um die Welt an der Spitze der VNE in ein besseres Zeitalter zu führen. Und da war ich nicht der Einzige. Die alten Wege nahmen der Welt ihre Freiheit und machten so viele zu Werkzeugen des Wohlstands so weniger. Die Menschen riefen nach einem Helden. Einmal mehr. Ich hatte geglaubt, dieser Mann – und ich hätte mir damals keinen Besseren dafür denken können – würde die Ketten der alten Weltordnung sprengen. Wie gesagt... ich hatte geglaubt. Und zwar bis zu dem Moment, in dem Gileat vor meinen Augen starb.