Читать книгу Die Soldatenkönigin - Julien Junker - Страница 21
III
ОглавлениеElnarat
Mein Stock wirbelte herum und brach meinem Gegner das Genick. Er sackte zusammen und war tot, bevor er auf den Boden aufschlug. Sofort drängte der nächste auf mich ein, eine gut dreißig Zentimeter lange Klinge in der Hand. Er stach auf meine Brust zu, ich wich aus, packte seinen Arm und zog ihn an mir vorbei. Der Junge stolperte nach vorn und erhielt mit dem unteren Ende meiner Waffe einen endgültigen Schlag auf den Hinterkopf. Da war kein Laut, der seinen verstummten Lippen entwich, um sich mit dem allgemeinen Geschrei und Kampftreiben zu vermischen, während er fiel. Eine Lücke entstand und ich nutzte die Gelegenheit um mir einen Überblick zu verschaffen. Zumindest versuchte ich das. Überall um mich her Lärm und dumpfe Schläge, Schüsse, Rufe, Tod und Sterben. Das war Krieg in seiner reinsten Form. Unsere eigenen Truppen und die des Gegners hatten sich vollständig vermischt, so etwas wie eine Front war schon lange nicht mehr zu erkennen. Es war einfach nur noch ein Mann-zu-Mann-Gemetzel. Sand und Blut und brachiale Gewalt.
Ich wandte mich um und suchte Thoul zwischen den Kämpfenden. Schließlich fand ich sie etwa zwanzig Meter weiter in Mitten eines Ringes fremder Soldaten. Ihre Bewegungen waren unglaublich präzise. Sie wirbelte wild mit ihren Stöcken und hielt alle um sich her in Schach. Ihr Blick war konzentriert und frei von jeglicher Angst.
Dann machte einer einen Schritt auf sie zu. Rums – er fiel. Meine Wahrnehmung war zu langsam, um zu erkennen, welcher Schlag ihn getroffen hatte. Der nächste traf einen weiteren Soldaten und schickte ihn mit eingedellter Stirn zu Boden. Nein, sie brauchte keine Hilfe.
In diesem Augenblick zischte einen Kugel an meinem linken Ohr vorbei. Ich ging in Deckung und fuhr herum. Zehn Meter weiter lud ein junger Kerl nach und richtete von Neuem die Waffe auf mich. Ich weiß auch nicht, wie die immer darauf kommen, sie wären die einzigen, die mit sowas umgehen können. Meine Rechte schoss zu meinem Gürtel und riss meine Handfeuerwaffe hoch. Ein einzelner Schuss genügte. Der andere brach nieder. Eine Kugel löste sich aus seiner Pistole und fuhr einem seiner Kameraden ins Knie, der schreiend zu Boden ging. Ich richtete meine Waffe auf ihn und versetzte ihm den Gnadenschuss. In der Wüste hat man als Verletzter keine Chance. Er hätte gelitten, denn dass ihn jemand mit nach Hause nehmen würde, war unter den gegebenen Umständen ungefähr so wahrscheinlich wie dass mir jemand der anderen spontan eine Tasse Kaffee anbot. Außerdem: Wer am Boden liegt, ist noch lange nicht ungefährlich. Schließlich hatten die ja Pistolen.
Mein Blick flog hinüber zu Thoul, die auch gerade ihren Arm sinken ließ, um ihre wegzustecken. Ich setzte mich in Bewegung, um zu ihr rüber zu kommen. Zwei Männer kamen auf mich zu, die Augen geweitet, Schweiß auf der Stirn, die Waffen im Anschlag. Ich ließ mich fallen, rollte ab und riss im Aufstehen die Macheten aus den Halterungen am Bein. Den einen der beiden erwischte ich schon in der Aufwärtsbewegung, der andere wich aus und schoss auf mich. Ich spürte, wie die Kugel das Fleisch an meinem Oberarm anriss. Streifschuss. Großartig. Ich zog mein Messer hervor und warf es auf ihn. Er wich aus. Allerdings sprang er bei dieser Gelegenheit auch in den Schuss, den ich beinahe gleichzeitig feuerte. Blut spritzte, als das Projektil sein Brustbein durchschlug. Knochen splitterten. Unbeirrt setzte ich meinen Weg fort.
Als Thoul mich erblickte, riss sie die Augen auf und nahm ihre Pistole hoch. Ich ließ mich mitten aus der Bewegung heraus fallen. Ihr Schuss zischte über meine Schulter hinweg und ich hörte hinter mir ein Ächzen, dann wie jemand zu Boden ging. Ich drehte mich um und gewahrte eine junge Soldatin, deren Waffe ursprünglich wohl auf meinen Rücken gerichtet gewesen war. Mit einem Nicken sah ich zu Thoul auf. „Danke dir!“
Sie nickte zurück. Mich hochrappelnd fluchte ich leise und fasste nach meiner blutenden Schulter, während Thoul und ich uns den Rücken zuwandten, um einander Deckung zu geben. Fremde Soldaten griffen uns an. Stöcke wirbelten, Schüsse krachten. Ich hatte keine Zeit, einen besorgten Blick über die Schulter zu werfen. Wäre ja auch völlig überflüssig gewesen.
Plötzlich vernahm ich über uns das helle Jaulen einer Gleiterstaffel im Tiefflug. Die würden doch nicht...? Ich sah mich um. Die feindlichen Soldaten traten plötzlich einen langsamen, unkoordinierten und darum schwer zu erkennenden Rückzug an. Die Reihen entmischten sich. Heilige Wüste! Die wollten uns einfach mit den Bordwaffen der Gleiter niedermähen! Meine Blicke flogen beunruhigt umher. Unsere Soldaten blieben zurück, froh über die unerwartete Entlastung, und ließen die anderen ziehen.
„Thoul!“
„Ja?“
„Siehst du, was da los ist?“
„Allerdings!“, rief sie über die Schulter. „Wir kriegen Probleme!“
„Du musst rein, Thoul, die Sache läuft aus dem Ruder! Ich weiß nicht, welcher Idiot drinnen sitzt und uns koordiniert, aber er baut gerade tierischen Bockmist! Geh rein und kick ihn von seinem wackligen Drehstuhl!“
Ein überraschter Blick auf mich, dann lächelte sie. „Ja, Sir!“
Es war das erste Mal, dass ich ihr die Koordination einer echten Kampfsituation übergab. Ich sah ihr nach, wie sie sich durch die Kämpfenden zu den Truppentransportern durchschlug.
Jetzt liegt es an dir, Kleine. Bring uns hier raus.
Es war mir lieber, sie drinnen im Bunker der Heeresleitung zu wissen, wenn hier draußen die Fetzen flogen. Ich hatte keine Ambitionen, zuzusehen, wie die Bordwaffen irgendeines Gleiters mir meinen Schützling zerlegten. Außerdem war Thoul eine der fähigsten Strategen, die wir hatten – ich konnte das beurteilen. Und wenn ich es bis jetzt gescheut hatte, sie den Generälen und dem Rest der alten Hasen vor die Nase zu setzen, so war jetzt der Zeitpunkt gekommen, sie ihre Talente ausleben zu lassen. So wie es im Augenblick hier draußen aussah, war sie mit ihren 16 Jahren meine letzte Hoffnung.
Ich hob die Hand und schrie durch den Lärm in das kleine Mikro, das mit einem dünnen Kabel an meinem Handgelenk befestigt war.
„Leute, Thoul kommt gleich rein. Macht, was sie sagt, sie hat das Kommando!“
„Sir?“, drang eine ungläubige Stimme durch den Empfänger in meinem Ohr.
„Sie haben mich verstanden, General! Thoul hat absolute Befehlsgewalt! Ist das klar?“
Stille. Dann: „Ja, Sir!“
„Kommandant Ende.“
Heilige Wüste! Falls ich das hier überleben sollte, machte ich mich auf eine größere Auseinandersetzung mit den Generälen gefasst. Gegenwärtig hatte ich andere Sorgen: Die Reihen entmischten sich weiter. Entsetzt erkannte ich, dass die Gleiter zum tiefen Angriff anflogen. Jetzt gab es nur noch eines, was half: Flucht nach vorn, ab, mitten unter die Feinde. Auf ihre eigenen Leute würden sie nicht schießen. Die feindlichen Soldaten waren die einzige Deckung, die uns vor den unerbittlichen, streuenden Bordwaffen der Gleiter blieb. Nur... unsere Jungs begriffen das nicht... nicht sofort.
Ich rannte vor, wahllos fremde Soldaten niederstoßend, meine Stöcke um mich wirbelnd. „Nach vorn, Leute, die Gleiter! Nach vorn, sag ich!“, meine Stimme konnte das weite Feld nicht erfüllen, doch das Mikro an meiner Hand übertrug auf Knopfdruck meinen Befehl an den Empfänger im Ohr eines jeden lebenden und toten Soldaten unserer Truppen und die, die in meiner Nähe standen und mich vorstürmen sahen, verstanden augenblicklich und taten es mir gleich.
„Nach vorn, Jungs, die Gleiter! Bordwaffenfeuer! Mischt euch unter die anderen!“
Unsere Reihen stürmten vor. Ich hoffte nur noch inständig, dass Thoul uns Gleiter zu unserer Verteidigung schicken würde. Wir konnten uns nicht ewig zwischen den Gegnern verstecken. Entweder wir starben alle im Kugelhagel der Flieger oder einer nach dem anderen im Kampf Mann gegen Mann.