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1.3 Gymnasium: ein kleiner Philosoph

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Die Sommerferien verbrachte Visser ’t Hooft in seiner Kindheit hauptsächlich in Dordrecht, aber in den Jahren vor dem Krieg unternahm die Familie auch Auslandsreisen. Im Sommer 1912 unternahm Wim seine erste Auslandsreise entlang des Rheins ins Siebengebirge. Die Sommerferien von 1913 verbrachte er in Seeheim-Jugenheim an der Bergstraße in der Nähe von Frankfurt. 1914 machte er erstmals mit seinem Vater eine Wanderung mit dem Niederländischen Touristenverband ANWB in den Niederlanden, doch die Familien-Sommerferien im Sauerland mussten wegen des Kriegsausbruchs am 1. August vorzeitig beendet werden. In Düsseldorf sahen Wim und seine Brüder, wie die deutsche Armee mobilisiert wurde. Es gab keine Züge mehr von Deutschland in die Niederlande. Die Brüder und ihre Eltern mussten die niederländische Grenze zu Fuß überqueren.18

In dieser Zeit nahm Wim begeistert an den Sommerlagern des Niederländischen Christlichen Studentenverbandes (NCSV) teil, der nationalen Unterorganisation des Christlichen Studentenweltbundes (WSCF). Möglicherweise hatten ihn seine Eltern dazu angeregt, nachdem Königin Wilhelmina und Prinz Hendrik 1913 ein NCSV-Sommerlager besucht und diesem dadurch zu größerer Bekanntheit in der Öffentlichkeit verholfen hatten.

In diesen Sommerlagern arbeiteten Studenten als Teamleiter, und zwar nicht nur, um den teilnehmenden Jugendlichen Gemeinschaft, Sport und Spiel in der Natur zu ermöglichen, sondern auch, um ihren eigenen Glauben mit den Jugendlichen zu teilen. Die Stimmung in den Sommerlagern war sozial motiviert, sportlich und es wurde viel Wert auf die persönliche Entwicklung gelegt. Weil nun durch den Krieg Auslandsreisen unmöglich geworden waren, ging Wim fortan einmal im Jahr mit dem NCSV irgendwo in den Niederlanden in ein Sommerlager, meistens auf dem Waskolk-Gelände in der Nähe von Nunspeet. In den Sommerlagern des NCSV erlebte Wim Visser ’t Hooft ganz andere Dinge als er von zu Hause gewöhnt war. Die Studenten, die Teamleiter waren, waren oft pietistisch geprägt und ermutigten die Jungen, selber in der Bibel zu lesen, ganz so, als ob sie genau für sie persönlich geschrieben sei. Die Bibel galt also bei den Sommerlagern nicht als ein Buch mit kulturgeschichtlich interessanten, aber kontextuell und historisch zu interpretierenden Texten, sondern als das Wort Gottes mit einer aktuellen Botschaft für junge Menschen, direkt und modern. Im Zentrum stand dabei der Glaube an Jesus Christus. Es wurde viel Mühe darauf verwendet, die Jugendlichen zu einem persönlichen Glaubensengagement zu bewegen. Persönliches und kollektives Beten, das sich auf konkrete Fragen des Lebens richtete, wurde gefördert. In dieser Atmosphäre erlebte Wim Visser ’t Hooft den Glauben als eine gemeinschaftsstiftende Kraft; und diese Erfahrung ließ ihn nicht los.

»Der NCSV hat mich zum Glauben an Jesus gebracht. Seine Botschaft wurde nicht durch feierliche Prediger vermittelt, sondern durch Studenten, die einige Jahre älter waren als wir. Sie verwendeten einfache Sprache und hatten oft einen sehr ursprünglichen Glauben. Als es am Ende eines lauten Essens im großen Zelt des Lagers in Waskolkkamps plötzlich sehr still wurde und ein Student, den wir als Sportler oder als Witzeerzähler kannten, versuchte, im Licht einer Petroleumlampe zu erklären, was das Gebet eigentlich bedeutete oder warum du mit der Bibel leben solltest, dann hörten wir zu, wie wir noch nie zugehört hatten.«19

1912 wurde Wim ’t Hooft in das Städtische Gymnasium in Haarlem aufgenommen. Er hielt sich selber nicht für einen brillanten Schüler.20 Aber schon in jungen Jahren hatte er alles gelesen, was er zu lesen bekam, hauptsächlich aus der großen Bibliothek seines Vaters. Im Vergleich zu den meisten Kindern war er sehr belesen in die Schule gekommen. In seinen Erinnerungen beschreibt er sich als einen altklugen Jungen, der gerne von seinen Freundinnen wegen seiner philosophischen Beiträge geneckt wurde. Auch seine Familie sah zu dieser Zeit einen kleinen Philosophen in ihm. Was Wim nicht in den Büchern seines Vaters fand, versuchte er aus zweiter Hand zu bekommen. In seinen Memoiren stellte er selbst fest, dass sein Lesefutter keinem festen Muster folgte. Er las Autoren wie Heinrich Heine, Oscar Wilde, Romain Rolland, Leo Tolstoi und vor allem Fjodor Dostojewski. Er versuchte auch, Philosophen wie Spinoza, Schopenhauer und Schleiermacher zu lesen, aber sie waren eine Nummer zu groß für ihn. Als Wim einmal mit seinem Großvater Lieftinck über Schleiermacher sprechen wollte, antwortete dieser leicht herablassend: »Früh reifen, früh faulen.« Wim machte das wenig aus. In der Lyrik interessierte er sich vor allem für die 1880er Jahre. Er begann auch selbst, Gedichte zu schreiben und zusammen mit einem Freund schrieb er ein komisches Musical mit dem Titel »Andromeda«. Das wurde während eines Festes in Leeuwarden aufgeführt. 1917 schickte er einige seiner Gedichte an den bekannten Dichter Willem Kloos, aber das war eine Enttäuschung: Dieser antwortete mit einer Standardabweisung. Mehr Erfolg hatte er bei der Rostra Gymnasiorum, der Zeitschrift des niederländischen Gymnasialverbandes: Sie veröffentlichte drei seiner Gedichte.21


Wim als Schüler

Willem Adolf Visser 't Hooft

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