Читать книгу Willem Adolf Visser 't Hooft - Jurjen Albert Zeilstra - Страница 15
1.5 Heirat von zwei »Sonnenkindern«
ОглавлениеAls Wim im Sommer 1922 Woodbrooke anlässlich eines Wiedersehens besuchte, lernte er dort eine junge Frau aus Den Haag kennen und verliebte sich sofort in sie. Wahrscheinlich hatte er bereits von ihr gehört. Sie war eine Nichte seines Freundes Steven van Randwijck. Es gelang ihm, sie im Sommer nach ihrem Aufenthalt in Woodbrooke in Oxford und London zu treffen. Sie hieß Henriette Philippine Jacoba Boddaert. Jetty sah gut aus. Sie hatte nicht studiert, aber sie beeindruckte ihn sofort durch ihren unabhängigen Geist. Er fand sie eine faszinierende Frau mit einem reichen Innenleben. Im selben Sommer, kurz nach ihrer Rückkehr in die Niederlande, verlobten sich Wim und Jetty. Nachdem Wim 1923 sein Theologiestudium abgeschlossen hatte und sich Chancen auf eine bezahlte Arbeit eröffneten, machten sie Hochzeitspläne. Jetty war die Tochter von Jacob Eduard Boddaert, Sekretär des Kuratoriums der Universität Leiden, und Anna Johanna Boddaert, geborene de Jonge. Sie war in einem noch immer förmlichen Den Haager Milieu aufgewachsen. Ihre Eltern hielten es nicht für wichtig, dass Jetty ihre Ausbildung fortsetzte.53 Doch das störte Visser ’t Hooft zu diesem Zeitpunkt nicht. Er war verliebt.
Henriëtte Philipine Jacoba Boddaert (Jetty), 1899–1968, ca. 1922
Wim und Jetty während ihrer Verlobungszeit. Wim liest ein Buch »Die moderne Staatsidee«, aber schaut zu ihr hin, ca. 1923
Wim und Jetty heirateten am 16. September 1924 in Den Haag. Die Trauung fand in der Duinoordkerk statt. Der Studiensekretär des NCSV, Pfarrer Maarten van Rhijn, Pfarrer der reformierten (Hervormde) Gemeinde in Groesbeek, leitete den Gottesdienst.54 Die Hochzeit war zugleich ein Abschied, denn unmittelbar danach zog das junge Paar nach Genf, wo das neue Sekretariat für die Jungenarbeit des YMCA war. Es wurde ein rauschendes Fest. Bereits am 26. August begannen die Feierlichkeiten mit einem Abendessen für zweiundzwanzig Familienmitglieder in einem mit viel Grün und Blumen geschmückten Haus Zonnebloem am Koninginneweg in Haarlem, wo die Anwesenden das Begrüßungslied sangen:
»Willkommen, willkommen, strahlendes Hochzeitspaar
In der alten Zonnebloem!
Jedes Herz schlägt euch warm entgegen
wenn ich euch Sonnenkinder nenne!
Gemeinsam wird euer Leben lebendig.
Gemeinsam geht ihr weit.
Möge in der Ferne
euer Weg sonnig sein!
Willkommen, willkommen, Sonnenkinder,
In der alten Zonnebloem!
Ziehet hell nach Genf
Das ich einen Ort voller Frieden nenne!
Aber vergesst nicht die alten Bindungen,
mit denen ihr in diesem Land verankert seid,
Kehrt ab und zu zu allen Freunden
im alten Vaterland zurück!«
Dass beide, Wim und Jetty, auf eine entfernte Verwandtschaft mit dem legendären Groen van Prinsterer verweisen konnten, den Großonkel des Vaters von Großvater Willem Adolph ’t Hooft und von Elisabeth de Jonge-Philipse, der Großmutter von Jetty, war Anlass zu Witzen und Anspielungen über das Schicksal. Das ganze Fest wurde schließlich in einem Gedenkbuch festgehalten:
»Die Tafel war reizend mit der Sonnenblume, dem Symbol des gastgebenden Hauses, verziert, die zwischen dem alten Blau des Tafelgeschirrs eine wunderbare Wirkung zeigte. Die Reden waren zahlreich und herzlich. Als erstes sprach des Bräutigams ältester Bruder, der namens seines Vaters sprach und jeden herzlich willkommen hieß. Danach sprach der Vater der Braut, der Anmerkungen machte über die Verwandtschaft des Brautpaares im 10. Grad. Danach sprach des Bräutigams Vater, der den Geist von Groen van Prinsterer sprechen ließ, und dieser sprach:
Hochzeitsbild Wim und Jetty, Den Haag, 16.9.1924 [[kann auch vorher auf eine Seite]]
Wim und Jetty auf ihrer Hochzeitsreise, 1924
›Nun, da Unglaube und Revolution immer noch in der Welt herrschen
Ist es an der Zeit, dass Solidität und Frömmigkeit wieder die Niederlande schmücken Diese Tugenden schmücken von alters her unser altes und niederländisches Geschlecht
Zwei Nachkommen des Groen van Prinsterer habe ich also wieder zusammengebracht
In Freude und Ruhe kamen beide, Braut und Bräutigam, zusammen
Und rasch war die Sache beschlossen und sie gingen glücklich weiter
Sie, das Enkelkind meiner Cousine Philipse, er, der Enkel meiner Cousine ’t Hooft
Die jungen Leute, eins im Denken, haben sich Treue versprochen
Möge das junge Paar in Liebe zusammen stets mit dem alten Geist erfüllt sein
Wie alter Wein in neuen Schläuchen, das ist mein Wunsch für die Hochzeitsfeier!!‹«
Später führten zwei Cousins ein besonderes Theaterstück auf, in dem sie als die Professoren Karl Barth und Ernst Troeltsch hineinkamen und dem Brautpaar gratulierten, sich dabei aber in den Haaren lagen. In dieser Situation versuchten sie sich in halbwegs verständlichem, aber unverständlichem theologischem Deutsch zu streiten. Bruder Frans stahl die Show mit einem sehr passenden Lied und wagte es, sich über die internationale Begeisterung seines Bruders Wim lustig zu machen.
»Internationalismus im Kopf,
Jede neue Flagge treibt mich fast in den Wahnsinn.
Wenn ich ins Bett gehe,
dreht sich die Weltkarte in meinem Kopf.
England, Frankreich und China
sind meine alten Freunde,
und die Menschen, die jenseits des Rheins leben.
Aber die einzigen Menschen, die wirklich in Ordnung sind,
das ist die Menge, die in den guten alten USA lebt.
Mein eigenes Land bringt mich zum Weinen,
Wenn ich in Holland bin, schlafe ich.
Klar, ich habe Internationalismus im Kopf.«55
Das war ein nettes Lied, aber Frans hatte Unrecht. Es war nicht das Ideal des Internationalismus, das Wim antrieb. Ihm ging es vielmehr darum, wie er sich zusammen mit jungen Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen mit dem christlichen Glauben befassen konnte.
In der darauffolgenden Woche gab es dem Brautpaar zur Ehre verschiedene Essenseinladungen, unter anderem bei der Familie Patijn. Es wurden Ausflüge gemacht, am 28. August nach Marken und am 7. September zum Großvaterhaus Thalatta in den Dünen bei Bloemendaal. Ihre Flitterwochen verbrachten Wim und Jetty in Lugano und Venedig, danach zogen sie im Oktober 1924 nach Genf.