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Die geistige Welt der Mönche und Einsiedler

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In Augustinus, dem Bischof im afrikanischen Hippo, dem echtesten Kind dieser Welt des Ausgangs und Übergangs, erstand um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert der Geist der Synthese, der wie keiner die Spannungen der alten Gesellschaft, des Römertums und Griechentums, der Bibel und Platos auf dem Grunde einer schöpferischen Weltuntergangsstimmung in sich austrug. In der Auseinandersetzung mit der Welt entbanden Christentum und Kirche seit Ende des 3. und Anfang des 4. Jahrhunderts neue Kräfte, Ideen und Formen, die Sonderform des Mönchtums, das Schisma der Donatisten und die Häresie des Arianismus. Die Verstrickung in die Welt, den Staat, den Reichtum, die enge Berührung des Geistes mit dem Fleisch rief den gesunden, wenn auch gefährlich mystischen Protest des Mönchtums wach, das zum asketisch-ethischen Gesundbrunnen in einer sich auflösenden Gesellschaft und in einer dadurch stets gefährdeten Kirche wurde. Dem wachsenden Reichtum der Kirche und dem hierarchisch-politischen Ehrgeiz ihrer Bischöfe setzte der Mönch Versenkung in die ewigen Dinge, Askese, Armut entgegen, wie es Antonius, der Vater der Anachoreten = Einsiedler (seit 275), und Pachomius, das Haupt der Koinobiten (Brüder vom gemeinsamen Leben), um 325 in der ägyptischen Wüste vorlebten.

Die Kirche mußte nach anfänglichem Widerstreben diese innere Form religiösen Lebens dulden, weil die großen Figuren der damaligen politischen Welt nach einem tätigen Leben in höchsten Beamten- und Regierungsstellen in die Schule der Wüstenmönche gingen und nach einem Leben innerer Läuterung zu neuen kirchlichen Aufgaben in die Welt zurückkehrten. Leuchtendes Beispiel dieser Männer, die die antike Welt friedvoll liquidierten und dadurch die Reste ihrer Kultur bewahrten, war in den heute österreichischen Donaulanden, der römischen Provinz Ufernoricum, der heilige Severin, der die Rückführung der Romanen aus den invasionsgefährdeten Gebieten an der Stromgrenze in die gesicherten Fluchtgebiete der Alpen und Aquilejas als »Flüchtlingskommissar« organisierte.

Eine ernste Gefahr für die Einheit der kaum erstarkten Kirche war das Schisma (Trennung) des Bischofs Donatus im afrikanischen Karthago. Im Grunde war es eine Reaktion der reinen ungebrochenen Kirche der Märtyrerzeit gegen die kompromißbereiten Mitläufer unter den Bischöfen, die vielleicht dem Ausgleich mehr dienten als die intransigenten Integralisten. Auf einem Bischofskonzil im provenzalischen Arles führte Konstantin 314 einen Schlag gegen die abtrünnigen Gemeinden, mit denen eine radikale Bauernbewegung in Nordafrika zusammenging. Freilich mußte er die Strafe des Vermögensverlustes und der Aberkennung bürgerlicher Ehrenrechte zurücknehmen, da sie dem Mailänder Toleranzedikt widersprachen. Der Donatismus konnte so bis zum Arabersturm überleben.

In der hellenistischen Weltstadt Alexandria im heutigen Ägypten erstand in der Bewegung des asketischen Predigers und Priesters Arius der Kirche die größte Gefahr. Seine Lehre von der Wesensungleichheit Christi mit dem Schöpfer erschreckte um 318 die offizielle Kirche; sie war um so bedrohlicher, als bei Arius der Platonismus, der bislang das theologische Denken so stark befruchtet hatte, in Gegensatz zur Heilsanstalt trat und Klerus sowie Laien in zwei Lager trennte.

Diesen Generalangriff gegen die Lehre von der Dreifaltigkeit unter der Formel Wesensgleichheit oder Wesensähnlichkeit parierte der um Reichs- wie Kircheneinheit gleichermaßen bemühte Konstantin mit der Einberufung des Reichskonzils 325 nach Nikaia (Nicaea) in Bithynien, nahe der Reichshauptstadt Nikomedia. Der Westen war vom Streit weniger berührt, und der römische Bischof Silvester I. befand sich wegen Krankheit nicht unter den 318 bischöflichen Konzilsvätern. Der kaiserliche Präsident eröffnete die Kirchenversammlung mit einem Aufruf zur Einheit. Der wortgewaltigste Redner war Athanasios, der Erzdiakon des Bischofs Alexander von Alexandria, der fast alle davon überzeugte, daß sich die Vernunft dem Mysterium der Trinität unterordnen müsse. Es wurde ein Glaubensbekenntnis (Symbolum) gebilligt, das 362 zu der heute geläufigen Form des Credo revidiert wurde. Arius blieb standhaft, wurde gebannt und des Landes verwiesen, seine Bücher verbrannt und deren Besitz mit dem Tode bestraft.

Dieser siegreiche Schlag für die Einheit der Kirche entschied mehrheitlich gegen eine dynamische Weiterentfaltung der christlichen Lehre und zugunsten einer starren Orthodoxie, die allein eine Institution wie die Reichskirche tragen konnte. Seitdem gewann die mittelalterliche Kirche den Namen »Katholizismus« = Ganzheit.

Die Entscheidung für Orthodoxie und Dogma ersetzte die alte nationale Götterreligion mit Kaiserkult. Auf und in den Ruinen oder Gebäuden der alten Göttertempel erstanden jetzt christliche Kirchen in basilikalem Stil, deren Simse auf antiken Säulen ruhten; auf dem Boden einer erschöpften Weltkultur erwuchsen Gesellschaft und Lebensform der Übergangszeit und des Mittelalters mit einer neuen religiösen Seele.

Europa im Mittelalter

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