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Das alte und das neue Rom

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Zum Vermächtnis der Antike an die Zukunft gehört Konstantinopel, das »neue Rom«, das Konstantin 326 auf den Trümmern von Byzantion erbauen ließ. Seit 330 war es Reichshauptstadt. In orientalischer Prachtentfaltung hielt der Sohn der Helena dort Hof. Der kluge Kulturpolitiker und maßvolle Despot gründete eine Universität für die Ausbildung von Reichsbeamten. Es wurden Griechisch und Latein, Literatur und Philosophie, Rethorik und Recht gelehrt; es gab eine Begabtenförderung für das Universitätsstudium, Architekturschulen erstanden, in den Reichsprovinzen wurden Ärzte und Lehrer gefördert, Künstler ausreichend unterstützt. Die Museen der Reichshauptstadt stellten die Kunstschätze des Imperiums zur Schau.

Rom selbst verlor dadurch an Glanz und Bedeutung, es trat allmählich in den Hintergrund, sein Bischof wurde einer der Patriarchen der Reichskirche ohne besonderen Vorrang. Doch gemahnt an Konstantin in der Tiberstadt die vom Gegner Maxentius 306 begonnene Konstantinsbasilika, Höhepunkt klassischer Baukunst im Westen. Vielleicht regte Konstantin die Erbauung der römischen Kirche San Lorenzo fuori le mura, einer der vier Hauptbasiliken der Stadt, an. Seinen Sieg an der Milvischen Brücke will der Konstantinsbogen von 315 dokumentieren. Aber das Kolossalstandbild vom Konservatorenpalast in Rom kann trotzdem nicht verleugnen, daß sich Intelligenz und Weltkultur bereits mit barbarischen Formen paarten. Rom trat jetzt aus der Mitte des Reiches und wurde zu dessen »historischem Museum«.

Der Schwerpunkt verlagerte sich in die Provinzen, wo Diokletian die Hauptresidenzen Nikomedia, Sirmium (Sremska Mitrovica), Mailand und Trier errichtet hatte. Der Osten überrundete wirtschaftlich und kulturell den Westen, dem der Ruf der Dunkelheit und des Materiellen anhaftete (s. o.). Das sacrum palatium (= der Palast des Selbstherrschers) konnte nur noch im alten Byzantion sein, wo zwei Erdteile aneinanderstießen und Welthandelsstraßen einander kreuzten. Konstantinopel ist ein Vermächtnis Konstantins an das Mittelalter. Der Prestigeverlust Roms hemmte nicht nur den Aufstieg seines Bischofs zum Primat, denn lange saß dort später ein byzantinischer Reichsvertreter des Exarchen von Ravenna, sondern trug auch wesentlich dazu bei, daß sich der politische Schwerpunkt aus dem Mittelmeerraum nach Norden in die altgallischen Provinzen an Rhône, Garonne, Loire und Seine verlagerte und ein Zusammenhang mit der dort neu erstehenden Großmacht erst spät hergestellt wurde.

Die Verwaltung des in einhundert bis einhundertzwanzig Provinzen eingeteilten Reiches leitete ein Hofkanzler, dem Finanz-, Domänen- und Justizminister nachgeordnet waren. Die Provinzialverwaltung, von der Rom und Konstantinopel mit ihrer Bannmeile unter eigenen Stadtpräfekten ausgeschlossen waren, lag in den Händen kaiserlicher Statthalter. Die Provinzen waren zu fünfzehn Diözesen zusammengefaßt; einer Präfektur (Sprengel) von mehreren Diözesen stand ein Praefectus Praetorio aus den Kreisen der höchsten zivilen und militärischen Berater und Stellvertreter des Kaisers mit vizekaiserlicher Gewalt vor.

Die gallische Präfektur umfaßte ganz Westeuropa, Britannien, Gallien, Spanien mit dem Zipfel der nordwestafrikanischen Küste; ihre Hauptstadt war bis zum Ende des 4. Jahrhunderts Trier an der Mosel. Militär- und Zivilgewalt befanden sich noch nicht in einer Hand; der Befehl über die Streitkräfte lag bei den höheren Offizieren. Mißtrauen, Bespitzelung, bürokratische Zentralisierung beherrschten die Reichsverwaltung; auf festem Instanzenzug und Beamtenhierarchie ruhte der kaiserliche Absolutismus. Der Herr der absoluten Macht wurde von der spätantiken Massengesellschaft ertragen, weil er den Heiden Gott, den Christen oberster, mit göttlichem Amt beauftragter Vertreter Christi war; in jedem Fall war es ein Sakrileg, gegen ihn zu handeln. Eine straff organisierte Geheimpolizei überwachte die Verwaltung.

Das Hauptproblem der Reichsverteidigung war die Anfälligkeit der langgezogenen Grenzen, die nur dünn besetzt sein konnten, gegen Invasionen; hier konnte man nur eine Strategie der Aushilfen entwickeln. Perser, Goten, Franken, Alemannen konnten nach dem Durchbruch des Grenzwalles (Limes) bis tief in das Innere des Reiches vordringen. Es fehlte vor allem an Geld und Menschen. In den Grenzprovinzen war die Verteidigung tief nach hinten gestaffelt; die Limitanen (= Grenzbesatzung) wurden durch ein bewegliches Feldheer ergänzt, das im Frieden im Reichsinneren garnisoniert war und das Gefolge des Herrschers stellte.

Der schweren persischen Panzerreiterei mit Schwert und Stoßlanze, die die Alanen am Kaukasus und die Goten nördlich des Schwarzen Meeres übernahmen, war die schwerfällige Legionsinfanterie der Römer nicht mehr gewachsen und mußte durch eine gemischte Truppe aus leichter Kavallerie, berittenen Bogenschützen und schweren Panzerreitern ersetzt werden. Der Panzerreiter beherrschte fortan bis zur Höhe des Mittelalters das Feld und bestimmte sogar maßgeblich die Gesellschaft.

Die Bevölkerung der Grenzlande wurde durch die Berührung mit Heer und Grenztruppen mehr oder minder stark romanisiert. Das Bürgerheer war durch ein Berufs- und Söldnerheer abgelöst worden, das sich aus Soldatensöhnen, Angehörigen unterworfener Grenzstämme, barbarischen Militärkolonisten, die in Gallien und Italien sehr zahlreich saßen, Kriegsgefangenen, Germanen verschiedenster Stämme, die vom Kaiser in entvölkerten Landstrichen auf Staatsland angesiedelt worden waren (Franken in Gallien zwischen Seine und Loire), Sarmaten und anderen unter dem Sammelnamen Gentiles (bedeutet später Heiden) zusammensetzte. Die Großgrundbesitzer konnten aus ihren Bauern Rekruten stellen, dafür aber auch Ablösungsgelder zahlen. Im Grenzland wie jenseits der Grenze gab es immer genug Freiwillige zum Anwerben; denn guter Sold, Abenteuer, Beute lockten besonders die Germanen an. Soldat und Barbar wurden gleichbedeutend.

Dieser Prozeß der Germanisierung weiter Gebiete und Lebensbereiche im römischen Westen hat die Intensität und das Ausmaß der Übernahme antiker Kultur und Zivilisation auch in den Unterschichten in Gallien, Britannien, am Rhein und an der Donau stark gefördert und die Durchdringung auch Italiens mit germanischen Elementen schon vor dem Untergang des Reiches durchgesetzt. Das römische Heer war ein entscheidendes Mittel der Durchdringung römischen Reichsbodens mit barbarischen Elementen und einer Anreicherung vieler Barbarenvölker und -generationen mit römischen Lebens- und Denkformen. Der mächtigste Mann im Reiche aber wurde besonders unter schwachen Herrschern im Westen der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Über die hohen Kommandostellen stiegen im Westen die Barbaren, vor allem die Germanen, zu höchster Macht empor und höhlten das römische Weltreich aus.

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